Umwelt und Demokratie – jetzt oder nie


Dr. Manfred Fuhrich


Umwelt und Demokratie haben eins gemeinsam: Zunehmend hat man den Eindruck, dass beide gefährdet sind. Und noch eine Gemeinsamkeit: In Lippenbekenntnisse werden beide beschworen, aber in der täglichen Praxis wird die Notwendigkeit von Maßnahmen ignoriert. So breitet sich der Typ „umweltbewegte Umweltsünder“ ebenso aus wie die Ablehnung demokratischer Prinzipien <Friedrich-Ebert-Stiftung;:Mitte-Studie, 2023>. Viele Mitbürger*innen sind zunehmend überfordert, die Regeln der Demokratie zu verstehen und die Ursachen des Klimawandels zu akzeptieren. Einige lehnen beides grundsätzlich ab.

Demokratie ist gefährdet

Da ist zum einen die Verrohung des politischen Diskurses. Immer stärker wird die politische Debatte als Zank verstanden. Sachargumente werden als Ausdruck ideologischer Konfrontation diffamiert. Publikumswirksame Selbstdarstellungen in Talkshows ersetzen eine um Mehrheiten werbende Debatte im Bundestag. In sozialen Medien verbreiten sich Hetze und Falschmeldungen. Diese Entwicklung fördert zum einen eine wachsende Entfremdung der Politik von den Alltagssorgen der breiten Schichten der Bevölkerung. Sie nährt aber auch eine Politikverdrossenheit, die schließlich zu einer Radikalisierung politischer Haltungen und Wahlentscheidungen führt. Die zunehmenden verbalen und physischen Angriffe auf Politiker haben ein bisher nie gekanntes Ausmaß erreicht.

Doch diese Beobachtungen sind nicht nur auf die große politische Bühne beschränkt. Auch auf kommunaler Ebene sind diese Entwicklungen zu beobachten. Dies hat inzwischen ein so hohes Maß erreicht, dass es immer mehr Mut braucht, ein kommunales Ehrenamt anzunehmen. Respekt verdienen diejenigen, die sich dennoch in den Dienst der Gemeinschaft stellen.

Demokratie ist ein hart errungenes Geschenk deutscher Gründungsväter- und Mütter für unser zwischenmenschliches Zusammenleben. Das lehrt uns unsere Vergangenheit. Diese lehrt aber auch, dass die Gegner der Demokratie die Schwächen ausnutzen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass Hitler auf demokratischem Weg an die Macht gekommen ist. Die Regeln der Demokratie haben zugleich die Voraussetzungen für ihre Abschaffung gegeben. Auch heute sind deutliche Anzeichen für ihre Gefährdung zu sehen. Wie sagte Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“

Wir haben uns anscheinend daran gewöhnt, dass die AfD in einigen Landesteilen über 30 Prozent bei Wahlen erzielt. Doch das Problem ist nicht die Partei, das Problem sind die Wähler*innen. Zu befürchten ist, dass sich unter diesen dramatisch erscheinenden Zahlen ein noch größeres Potenzial an Demokratiefeindlichkeit verbirgt. Bestürzend ist, dass fast fünf Prozent lieber eine Diktatur ersehnen und sich einen starken Führer wünschen. <fes.de/mitte-studie-2023> „Die Sorge um knappe Ressourcen macht anfällig für autoritäre Lösungsangebote, die mit einer zunehmenden Menschen- und Demokratiefeindlichkeit einhergehen.“ <Mitte-Studie, S. 376>

Nun könnte man sich eine Monarchie wünschen – vorausgesetzt, es ist ein guter König an der Macht. Diesen Typ König kennen wir aus diversen Märchen. Einer, der seine Tochter nur dem tapfersten Prinzen gibt und wie ein fürsorglicher Landesvater für das Wohl seiner Untertanen sorgt. Ein noch besserer Traum wäre ein umweltbewusster König. Wenn der König wirklich durch kluges Handeln auffällt, wäre doch alles besser? So manche komplizierten demokratischen Verfahren würden ersetzt durch königliche Erlasse. Wahlen wären unnötig. Demokratieverdrossenheit wäre obsolet – aber zu welchem Preis.

Umwelt ist gefährdet

Der Umwelt ist es völlig egal, wie die Gesellschaft verfasst ist. Sie wird uns überleben. Die Frage ist nur, wie deformiert und geschunden sie durch unser Wirken – oder genauer: durch unser Nichtstun – sein wird. Denn eins ist klar, auch in der Demokratie ist die Natur nicht sicher vor menschlichem Machwerk oder Unterlassungssünden. Das ist nicht immer auf Politikversagen zurück zu führen. Behauptete Sachzwänge und lobbyistische Interessen dominieren vernünftige Sachentscheidungen. Die Nachrichten aus der Schweiz zeigen bezüglich der Ablehnung von mehr Umweltschutz, dass auch der bürgerschaftliche Wille nicht immer klimafreundlich ist. Gerade der häufig strapazierte Gedanke, dass direkte Demokratie den Umweltschutz voranbringen würde, ist sehr gewagt. Selbst die einst basisdemokratisch gepolten Grünen haben dies aufgegeben < Trittin; Alles muss anders bleiben, München 2024>. Der gesellschaftliche Diskurs ist geprägt durch andere politische Prioritäten, wie zum Beispiel Zuwanderung, Wirtschaftswachstum und Bekämpfung individueller Armut. Noch immer werden ökologische Belange ausgespielt gegen ökonomische Interessen. Die Problemlage wird immer dramatischer, konsequentes Handeln gegen den Klimawandel verliert an Kraft.

Klagen und Zukunft wagen

„Nie wieder ist jetzt!“ Diese Parole prägte die Demonstrationen für mehr Demokratie mit überwältigender Teilnahme vor einem Jahr. Auch in Bonn. Dies zeigt eindrucksvoll den Willen der Bürger*innen. Die Politik scheint ihn weiterhin zu ignorieren. Dank der immer noch funktionierenden Gewaltenteilung können wir große Hoffnungen haben, dass über gerichtlich geführte Klagen Erfolge für die Umwelt erzielt werden. Dieses Vorgehen versteht die Deutsche Umwelthilfe und ist immer wieder erfolgreich. <duh.de/ueberuns> Auch für Bonn hat sie Verbesserungen erwirkt. Aktuell läuft die „Zukunftsklage“ von Greenpeace und germanwatch <greenpeace.de/publikationen/verfassungsbeschwerden-2024> sowie vom BUND <bund.net/handeln-sie-nicht-handeln-wir>. Doch auch diese Erfolge müssen in praktische Politik münden und Akzeptanz bei den Bürger*innen erreichen.

Es heißt zwar „Klagen“, aber es ist kein wehleidiges Klagen Hoffnungsloser, sondern ein kollektives Aufbegehren umweltbewusster Bürger*innen gegen die Versäumnisse der Politik und für eine lebenswerte Zukunft.

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