Sport versus Naturschutz
Der Wald ist ein beliebtes Ausflugsziel, doch wie lassen sich Naturschutz und Nutzung des Waldes vereinen? Hat der Mensch das Recht, den Wald für sich in Anspruch zu nehmen und seine Bedürfnisse über die der Natur zu stellen? Im Konflikt rund um das Mountainbiking im Kottenforst kommen hier kontroverse Meinungen zu Wort. Dieser Beitrag möchte ein Résumé ziehen und zu dem schwierigen Diskurs beitragen.
Malene Segadlo
Ich studiere Geographie in Münster und komme ursprünglich aus Wachtberg. Für ein vierwöchiges Praktikum im Ökozentrum Bonn habe ich mich mit dem Interessenskonflikt Mountainbiking am Venusberg-hang im Kottenforst beschäftigt. Der Artikel enthält meine persönliche Abwägung der Thematik. Durch einige Kurse in Landschaftsökologie habe ich ein besonderes Interesse an Naturschutz. Mich interessieren die Auswirkungen des Mountainbikefahrens auf die Ressource Boden.
Es ist Sommer! Die Sonne kommt nach einem Wolkenbruch wieder zum Vorschein. Perfekte Bedingungen für einen Ausflug in den Wald. Die frische Luft lässt einen aufatmen, während die Vögel zwitschern. Dieses idyllische Bild stellt man sich vor, wenn man an unsere bonner Wälder, wie etwa den Kottenforst denkt. Doch in der Realität bietet der Wald großes Konfliktpotential zwischen verschiedenen Besucher*innen und dem Naturschutz. Denn der Freizeit- und Interessenskonflikt in Bezug auf Mountainbiken wurde in den letzten Jahren immer stärker. Die Mountainbiker*innen möchten sportlich aktiv ihre Freizeit gestalten, Anwohner*innen möchten nicht von Lärm gestört werden.Waldbesucher*innen möchten sicher mit Kindern im Wald spazieren gehen können. Umweltschützer sorgen sich um die geschützte Natur, die durch die Sportart beschädigt wird.
Ist Moutainbiking illegal?
Zunächst muss klar erläutert werden, dass jegliches Fahren abseits der Wege in einem Landschaftsschutzgebiet verboten ist. Das betroffene Gebiet (siehe Karte), in dem gefahren wird, liegt in einem Landschaftsschutzgebiet. Der § 26 des Bundesnaturschutzgesetzes gibt vor, dass in diesen Gebieten ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist. Speziell der Landschaftsplan Kottenforst der Stadt Bonn (2013) gibt klare Regeln vor, wie die Natur in diesem Gebiet zu schützen ist. Beispielsweise stehen dort der Erhalt von Hangwäldern und der Artenschutz.
Was unternimmt die Stadt Bonn?
Um das Problem genauer zu analysieren, hat die Stadt Bonn bereits eine Machbarkeitsstudie durchführen lassen, bei der sieben ‚Korridore‘ ausgemacht wurden, in denen regelmäßig gefahren werden könnte (s. rote Kreise auf Kartenskizze). Verschiedene Lösungsvorschläge werden vorgestellt. Der Grundtenor lautet, dass bestimmte Gebiete für die Mountainbiker freigegeben werden sollten. Dafür müsste der Landschaftsplan geändert werden und eine Artenschutzprüfung durchgeführt werden. Darüber hinaus müssten zusätzliche Kontrollinstanzen sicherstellen, dass nur in den vorgesehenen Gebieten gefahren wird. Die bereits beschädigten Gebiete müssten aufwendig renaturiert werden, was Zeit und Arbeitspersonal benötigt. All das ist mit enormen Kosten verbunden.
Mountainbiking als Umweltsünde
Auf den ersten Blick scheint Mountainbiking wie eine wunderbare Möglichkeit, seine Freizeit zu gestalten und die Natur zu genießen, doch hinter der Trendsportart verbergen sich Konsequenzen. Durch das ständige Befahren mit MTB-Reifen und abruptes Bremsen kommt es zu Bodenverdichtung (s. Foto). Das bedeutet, dass die Bodenpartikel, die mit Luft und Wasser befüllt sind, durch den Druck verdichtet werden. Der Wasser- und Lufttransport wird somit verhindert, was schlechtere Wuchsbedingungen für Pflanzen bedeutet. Dazu kommt, dass der Wald seine Funktion als natürlicher CO² Speicher nicht erfüllen kann. Relevant ist auch, was geschieht, wenn es zu Starkregenereignissen kommt, was laut Internationalem Klimarat in Zukunft vermehrt auftreten wird. Ist der Boden verdichtet, kann Regenwasser nicht mehr versickern. Es kommt zu Erosion durch sich verstärkenden oberflächlichen Abfluss. In diesem Fall könnten die am Hangfuß liegenden Häuser künftig mit Überflutung zu kämpfen haben. Dazu kommt das Problem des Artenschutzes, denn beispielsweise Bodenwühler, wie Regenwürmer, werden plattgefahren. Diese sind wichtig, damit die Erde locker und aufnahmefähig bleibt. Größere Tiere, wie Vögel, werden von dem Lärm verdrängt.
Renaturierung / naturnahe Nutzung
Aus Sicht der Autorin kann die Unterhaltung der Trails nur durch ‚Monetarisierung‘ gewährleistet werden. Denn um die legalen Trails für die Mountainbiker zu ermöglichen und die bereits zerstörte Natur zu renaturieren, muss sehr viel Geld fließen.
Die verschiedenen Standpunkte
Was sagen die unterschiedlichen Akteure? Die Interviewpartner und -fragen finden Sie unten. Der Radsportclub Sturmvogel e. V. positioniert sich klar zu Gunsten der Mountainbikefahrer*innen und möchte, dass den Sportlern in Bonn Raum geschaffen wird. Es wird betont, wie wichtig Ausdauersport für die Gesundheit sei. „Aufklärungsarbeit zum Schutz der Natur ist wichtig; so soll die Planung der Mountainbike-Strecke mit der Stadt Bonn unter Beachtung von naturschutztechnischen Vorgaben erfolgen und illegalen Streckenbau reduzieren.“ Lasst es uns doch einfach probieren“ lautet die Devise.
Ein weiterer Befürworter dieses Radsports ist der ADFC Bonn „Der Venusberghang ist ideal für die Ausweisung eines MTB-Korridors, weil es sich hier nicht um ein unberührtes Waldgebiet handelt, sondern um einen stadtnahen Forst, der unmittelbar an das Stadtgebiet grenzt und von Menschen und der Forstwirtschaft schon jetzt stark genutzt wird. Der Korridor bringt die Interessen der Mountainbiker und der Natur in Einklang und entlastet unberührte Waldgebiete. Zudem können sich Spaziergänger besser auf die Mountainbiker einstellen. Nach unserer Einschätzung gab es aber auch bislang kaum Probleme zwischen Bikern und Spaziergängern, die eher auf den befestigten Wanderwegen unterwegs sind und nicht auf Trails.“
Der DAV Sektion Bonn stellt eine vermittelnden Rolle dar. Die Kernaussage lautet: „Der Status quo ist für niemanden befriedigend. Unser Ziel als Bergsport- und Naturschutzverband ist es, einen Kompromiss zu finden, der die Interessen der Mountainbiker, Waldbesucher, Anwohner und des Naturschutzes zufrieden stellt.“
Ähnlich positioniert sich die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: „Mit strengen Verboten ist es nicht getan. Man muss eine geordnete Lösung finden. Durch die Schaffung von legalen Strecken kann man den Druck von illegalen Strecken nehmen. Dazu muss sich ein Sportverein finden oder ein Verein gründen, der die legale Strecke betreibt. Grundsätzlich setzt sich die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg für den Schutz des Waldes ein und begegnet den ausufernden sportlichen Interessen zu Lasten des Waldes kritisch.“
Auf der Kontra-Seite der Debatte haben sich auch Naturschutzverbände positioniert. Die Aussage des Naturschutzes Bonn e.V. lautet: „Es kann nicht sein, dass einzig ein Landschaftsschutzgebiet in direkter Nachbarschaft zu unzähligen Anwohnern für ein gesamtstädtisches Konzept betrachtet wird, welches obendrein eine hohe Bedeutung für die Biodiversität hat. Eine nachhaltige Lösung kann so nicht erreicht werden.
“ Auch die Kritik gegenüber der Stadt Bonn seitens der Anwohner*innen wird klar: Sie fühlen sich nicht gesehen und verstehen nicht, dass Landschaftsschutzgebiete für einen Nischenssport, wie Downhillfahren bereitgestellt wird. Es gehe um die Sicherheit der anwohnenden Personen, insbesondere der Kinder.
Das unterstreicht die Kernaussage des BUND Bonn und NABU Bonn. Sie positionieren sich gegen das Vorhaben, Korridore zu errichten. „Der BUND steht dem Vorhaben ablehnend gegenüber. Es gibt am Venusberg keine Flächen, auf welcher Belange des Naturschutzes und Anforderungen der MTB-/Downhill-Fahrer zur Deckung gebracht werden könnten. Wir kritisieren die Vorgehensweise der Stadt Bonn.“ Der BUND Bonn und NABU Bonn positionieren sich dagegen, illegales Verhalten, das der Natur schadet, zu erlauben.
Résumé
Die Uneinigkeiten werden hier deutlich: das Thema bietet hohes Konfliktpotential. Eins ist klar, die perfekte Lösung wird es nicht geben. Es müsste bestenfalls ein Kompromiss gefunden werden, mit dem alle Parteien einverstanden sind. Dem Probeaspekt kann zugestimmt werden, da falls es zur Freigabe von gewissen Strecken kommt, wäre eine Art Probezeit die einzige realistische Herangehensweise. In dieser würde sich kenntlich machen, wie wichtig den Mountainbikefahrer*innen die Strecken sind und ob sie bereit sind dafür zu zahlen. Realistisch finde ich, dass jede*r Mountainbikefahrer*in eine kleine Summe für die Abfahrt zahlt, um die bereits genannten Kosten zu decken.
Interviewanfrage
Folgende Institutionen wurden angefragt:
• Deutscher Alpenverein Sektion Bonn DAV
• Interessensgemeinschaft Mountainbike
• Radsportclub Sturmvogel e. V.
• Allgemeiner deutscher Fahrrad-Club Bonn/Rhein-Sieg e. V. (ADFC)
• BUND Kreisgruppe Bonn
• NABU Bonn/Rhein-Sieg e. V.
• Schutzgemeinschaft deutscher Wald Kreisverband Bonn/ Rhein- Sieg
• Naturschutz Bonn e. V. (Initiatoren‚open Petition‘)
Folgende Interviewfragen wurden gestellt:
• Die Stadt Bonn hat eine Machbarkeitsstudie („Machbarkeitsstudie Mountainbike-Konzept für die Bundesstadt Bonn“)
veranlasst, die vier verschiedene Varianten zur Problemlösung vorschlägt, welche der Varianten unterstützen Sie und welche Kritikpunkte
führen Sie zu den verschiedenen Varianten an?
• In wie fern sind Sie kompromissbereit, wie würde für Sie eine realistische nachhaltige Lösung aussehen?
• Wie fühlen Sie sich als Akteur wahrgenommen und miteingebunden in die Debatte?
Zum Abschluss noch eine Darstellung von Malene Segadlo (Datenquelle: Abruf Natur-und Landschaftsschutzgebiete
aus http://stadtplan.bonn.de und aus Machbarkeitsstudie Moutainbike-Konzept für die Bundesstadt Bonn)
Datt ist ein typisches Zeichen der Neuzeit. Mir senn einfach in de Bösch jefahre unn sinn do rüm jejurkt. Nicht met enem Mountinbike, mit enem normale Rädche. Aber datt reicht ja nimmeh für die ehrjeizigen Menschen hückzetage. Immer mieh Lestung, immer mih kapott maache, dat ess die Devise. Unn immer ne schöne Pott Egoismus dabei. Ich bin fruh, datt ech jetz schon 95 Jöhr alt bin unn maache kann watt ech will. Weil ett interessiert kene mih, wenn ech in de kurte Buzz erömm loofe unn Socke an han. Unn würd ich durch de Venusberch memm Rädche fahre würden se all de Hoot trecke!
Säht de Karl Jupp