Vergiss mal nicht! – Eine Denkschrift
„Ernüchternde Bilanz an der Ahr: Ein Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe an der Ahr zieht Andy Neumann Bilanz. Persönlich, aber auch gesellschaftlich.“ Darum geht es in Andy Neumanns neuestem Buch. Auf dessen Basis und seines ersten Buchs „Es war doch nur der Regen!?“, konnten einige Schlüsse für den Artikel „Klimakrise inzwischen überall“ auf Seite 12 gezogen werden. Die Autorin und die Autoren dieses Artikels stellten Andy Neumann Fragen zum Wiederaufbau des zerstörten Ahrtals und wie man es seiner Meinung nach besser machen müsste.
Herr Neumann, wie bewerten Sie die vornehmlich durch die Sozialen Medien organisierte Spontanhilfe vor Ort im Rückblick?
Nach wie vor fast ausschließlich positiv. Die Vernetzung mittels Sozialer Medien war das Mittel zur Bewältigung der ersten Tage und Wochen. Ohne diese Vernetzung hätte auch ich selbst deutlich weniger für mich und auch andere erreichen können. Dass einzelne Akteure mit ihrer Social Media – Macht auch Schindluder betrieben haben und das bis heute tun, darf ja nicht dazu führen, diese Möglichkeit und alles, was durch sie erreicht wurde, generell zu verneinen. Davon abgesehen, war, ist und bleibt es allerdings Aufgabe des Staates und seiner Einrichtungen, das Thema „Spontanhelfer“ bei Katastrophenlagen endlich konzeptionell in geordnete Bahnen zu lenken, damit Social Media eines Tages vielleicht nicht mehr das Mittel der Wahl sein muss.
Wie sähe die Koordinierung der Hilfsbereitschaft bestenfalls aus und von wem sollte sie geleistet werden?
Wie ich schon andeutete: lenken und koordinieren kann und sollten in derartigen Situationen eigentlich staatliche Kräfte. Das gilt auch für den Einsatz privater Spontanhelfer, die zwar durchaus frei agieren können müssen, denen man aber mit einem ordentlichen Rahmen, klaren Vorgaben und auch Grenzen helfen könnte, sich von Anfang an sinnvoller und gezielter einzusetzen. Psychosoziale Betreuung könnte so ebenfalls sichergestellt werden, Versorgungsfragen besser geklärt werden etc..
Der Kreistag Ahrweiler hat das Impulskonzept für den Wiederaufbau „Aus Ahrtal wird SolAHRtal“ beschlossen. Engagierte Wissenschaftler der Scientists for Future Bewegung setzten diesen Impuls für den Wiederaufbau. Sehen Sie darin ein gutes Konzept als Anpassung an den Klimawandel?
Nun ja, es ist ein Impulskonzept, und es ist extrem ambitioniert. Wer im Tal lebt und wachen Verstandes ist, würde keinen Cent auf die vollständige Verwirklichung setzen. Das heißt aber nicht, dass es ein schlechtes Konzept ist – im Gegenteil ich denke, wir brauchen ambitioniert und im positiven Sinn auch radikale Konzepte und Ideen, wenn wir in der Klimafrage vorankommen wollen. Das Ahrtal wäre aufgrund der besonderen Situation eine perfekte Modellregion, um sehr vieles besser zu machen. Wenn man sich dann aber ansieht, wie weit etwa Bad Münstereifel inzwischen gekommen ist und welche Wege gerade in Sachen Energiegewinnung dort beschritten wurden, und wo das Ahrtal steht, dann weiß man – es liegt ganz sicher nicht an den Konzepten, sondern am Willen oder der Fähigkeit zu deren Umsetzung!
Was steht insbesondere beim Aufbau der Infrastruktur an, damit sie klimakrisenfest neu installiert ist?
Die Frage überschreitet meine eigenen Kompetenzen recht weit. Aber laienhaft gesprochen, hätte ich mir nach der Flut gewünscht, dass deutlich mehr getan worden wäre, was inzwischen bereits nicht mehr umsetzbar ist. Ich wäre so weit gegangen, etwa ganze Straßen in Ahrnähe oder auch Ortschaften zu hinterfragen, notfalls Enteignungen durchzuführen und so zum einen Klarheit und Planbarkeit bei guter
finanzieller Entschädigung der Betroffenen und zum anderen die Möglichkeit zu schaffen, in den entsprechenden Gebieten aktiven Hochwasserschutz zu betreiben. Derzeit sieht es weitgehend so aus, als bliebe so ziemlich alles beim Alten, von einer überschaubaren Anzahl an Häusern abgesehen, die – vorerst! – nicht wieder aufgebaut werden dürfen. Man kann beim Brückenaufbau noch hoffen oder
zumindest beten, dass der Hochwasserschutz zumindest dabei Priorität haben wird. Aber bei den Straßen, bei der Gebäudeinfrastruktur und auch bei der Flussbettfrage ist die Messe bereits gelesen – und sie war ziemlich schlecht.
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