Ein Gespräch zwischen VCD und go.Rheinland
Können wir Menschen mit gutem Gewissen empfehlen, das Auto stehen zu lassen und die Bahn zu nutzen? Darüber haben wir im Vorstand beraten. Die Antwort lautet: Nein! Das ist tragisch und geht an die Wurzeln unseres ehrenamtlichen Engagements für die Verkehrswende.
Rainer Bohnet
Bevor wir aufgeben – das ist natürlich ironisch zu verstehen – haben wir Anfang Mai 2024 das Gespräch mit go.Rheinland in Köln gesucht. go.Rheinland ist der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV), zuständig für den geografischen Raum des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) und des Aachener Verkehrsverbunds (AVV). Teilgenommen an diesem Spitzengespräch haben Vorstandsmitglieder des Bonner und des Kölner VCD sowie die Geschäftsführung und weitere Führungskräfte von go.Rheinland.
Um es vorwegzunehmen: Niemand von uns hatte erwartet, dass nach dem Gespräch alle Züge pünktlich fahren und hunderte Bagger und Kräne den Ausbau des Schienennetzes in Angriff nehmen. Trotzdem muss man im Gespräch bleiben.
Wir hatten unsere Forderungen bereits im Vorfeld formuliert, so dass wir sofort konkret wurden. Die Stichworte waren der unzuverlässige Betrieb, der schlechte Fahrplan, das fehlende Gesamtkonzept für den Großraum Köln/Bonn, die mangelhafte Baustellenplanung, der dramatische Fachkräftemangel und die Finanzierung des Deutschlandtickets. Alles Themen, die eigentlich auch den Bundesverkehrsminister betreffen, aber so weit sind wir noch nicht vorgedrungen.
Kurz- und mittelfristig ist leider nicht mit Verbesserungen zu rechnen. Erst nach 2030, wenn die Infrastruktur saniert und ausgebaut ist, gibt es vage Perspektiven. Aktuell finden wöchentliche Krisengespräche zwischen go.Rheinland und den diversen Eisenbahnverkehrsunternehmen statt. Das sind die DB Regio AG, National-Express und TransRegio. Gefordert werden von denen Konzepte für die Personalgewinnung und ein kundenorientiertes Krisenmanagement. So werden auf einzelnen Linien Angebotskürzungen diskutiert, um das Zugangebot stabiler zu gestalten. Die RB 48 zwischen Köln und Bonn-Mehlem hat bereits den Anfang gemacht.
Ein großes Thema ist die anstehende Generalsanierung der beiden Rheinstrecken die abwechselnd für jeweils sechs Monate komplett gesperrt werden. Die Rechte Rheinstrecke macht im ersten Halbjahr 2026 den Anfang. Die Linke Rheinstrecke folgt im zweiten Halbjahr 2028. Das macht weiträumige Zugumleitungen erforderlich. So wird es dann auch auf der Siegstrecke eng. Wir haben deutlich gemacht, dass dort unter allen Umständen ein Grundangebot im SPNV vonnöten ist. Wie der Schienenersatzverkehr zwischen Bonn und Köln organisiert werden soll, ist noch völlig offen. So fehlen hunderte Busfahrer*innen und Busse. Und Vorrangstrecken für Busse auf den Stadtgebieten von Köln und Bonn sind völlig unrealistisch.
Die sogenannten „kleinen Maßnahmen“ für die Linke Rheinstrecke, die bereits 2017 aufgelistet wurden, werden jetzt erst im Rahmen der Generalsanierung im zweiten Halbjahr 2028 umgesetzt.
Ein weiterer wichtiger Punkt des Gesprächs war der dringend notwendige Ausbau der linken Rheinstrecke für eine S-Bahn zwischen Köln und Bonn. Eine Studie hat kürzlich die technische Machbarkeit dafür festgestellt. Da in Bonn allerdings mit erheblichen Bürgerprotesten zu rechnen ist, müssen diese Planungen dringend transparent und offen gemacht werden. go.Rheinland hat der Stadt Bonn hierfür Unterstützung angeboten. Wir werden das Thema gegenüber der Bonner Kommunalpolitik aufgreifen.
Schlussendlich haben wir die Finanzierung des Deutschlandtickets erörtert. Derzeit finanzieren der Bund und die Länder jeweils 1,5 Milliarden EUR pro Jahr. Durch einen Zufall fließt der Großteil der Verkaufserlöse des Deutschlandtickets der DB zu, weil die meisten Menschen das Ticket über den DB-Navigator erwerben. go.Rheinland wünscht sich hingegen eine Einnahmeaufteilung auf der Basis von Postleitzahlen.
Zwei Initiativen des VCD haben wir ebenfalls angesprochen. Wir haben auf der Website unseres Kreisverbandes Werbung für die Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft (RSVG) gemacht, die wie alle Verkehrsunternehmen dringend neue Busfahrer*innen sucht. Und wir haben uns Ende April dieses Jahres offiziell bei der Bundesnetzagentur über deren Untätigkeit beschwert und gefordert, gegen die desolate Baustellenplanung der DB InfraGO AG vorzugehen sowie die dringend notwendige Beseitigung der vielen Infrastrukturengpässe anzumahnen.
Der VCD bleibt nach diesem Krisengespräch weiterhin dialogbereit. So soll es im Herbst ein weiteres Gespräch geben. Denn für uns ist völlig klar: Für die Verkehrswende brauchen wir die Schiene. Allein deswegen wäre eine Kapitulation keine Option.
Klima, Verkehr und Gesundheit
Engagiert man sich als Arzt für Klimaschutz und eine ökologische Verkehrswende so erlebt man eine zunehmende Kluft zwischen der aktuellen politischen Diskussion und den Erklärungen der Ärzteschaft. Dabei scheint es auch so zu sein, dass je eindeutiger die ärztlichen Stellungnahmen ausfallen, sie umso eher ignoriert werden. Gesundheit als Störfaktor in Politik und Gesellschaft?
Dr. med. Rolf Tüschen
Der Deutsche Ärztetag hatte bereits 2021 das Schwerpunktthema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“. §1 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte macht es ihnen zur Aufgabe „an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken“. Das Rheinische Ärzteblatt weist in seinem Heft 6/2024 darauf hin, dass Arzt-Patienten-Kontakte genutzt werden können, „um Patienten über den Zusammenhang von Klimaschutz und Gesundheit aufzuklären“.
In den medizinischen Zeitschriften nehmen Artikel über gesundheitliche Folgen des Klimawandels stark zu. So gibt es große Anstrengungen, die Zahl der Hitzetoten in Deutschland verlässlich zu berechnen. Laut Deutschem Ärzteblatt vom 09.02.2024 gab es im Hitzesommer 2022 die Anzahl von 6900 Hitzetoten. Im psychiatrischen Fachgebiet wird die unmittelbare Auswirkung von Naturerleben auf die seelische Gesundheit in zahlreichen Studien belegt. Dem zufolge müssen Städte so umgestaltet werden, dass im Wohnumfeld ausreichende Grünflächen, Bäume und Parks vorhanden sind.
Findet sich das zunehmende medizinische Wissen in der Politik wieder? Wir haben vor einigen Monaten in Bonn eine heftige Kampagne gegen Ansätze einer Verkehrswende erlebt. Das Motto der Kampagne lautete „Vorfahrt für Vernunft“. Die Vernunft, die dabei vereinnahmt wurde, berücksichtigte in keiner Weise ärztliches Wissen. Argumentiert wurde vorgeblich wirtschaftlich. Kosten, die aus Umweltschäden oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen resultieren, wurden aber nicht berücksichtigt.
Das Thema Verkehr wird in den gegenwärtigen parteipolitischen Auseinandersetzungen gezielt zur Stimmungsmache eingesetzt. Bemühungen um eine ökologische Verkehrswende gelten pauschal als „rot-grüne Ideologie“. Es gibt den Vorwurf, der Versuch mit Lastenrädern und ÖPNV eine Verkehrswende zu schaffen sei doch längst gescheitert und hätte auch nie Aussicht auf Erfolg gehabt. Pikanterweise kommen diese Vorwürfe gerade von den Parteien, die seit Jahrzehnten für die deutsche Verkehrsinfrastruktur verantwortlich sind und diese haben verfallen lassen.
Die Bemühungen um mehr Gesundheit müssen auch den Verkehrsbereich erfassen. Treibhausgasemissionen können deutlich reduziert werden. Auch unter mangelhafter Infrastruktur, wie wir sie derzeit haben, kann mehr Fortbewegung auf gesunde Weise geschehen. In einer Gesellschaft, die offenkundig an Bewegungsmangel leidet, mit erheblichen gesundheitlichen Konsequenzen, kann es nicht akzeptiert werden, dass Bemühungen um eine Stärkung des Fuß- und Radverkehrs weiterhin verunglimpft werden. Die politisch gern genutzte Aussage, mit dem Lastenrad werde doch wohl die Versorgung der Eifel nicht gelingen, dient allein dazu, die Bemühungen um eine Verkehrswende lächerlich zu machen und hat mit dem differenzierten Einsatz von Verkehrsmitteln nichts zu tun.
Verkehrswende aus medizinischer Sicht kann bedeuten: Weniger Treibhausgase durch gesündere Bewegungsformen. Begrenzung der Klimaerwärmung. Gesündere Städte durch Grünflächen statt unmäßiger Stellplätze für Autos.
Die Diskussion über die künftige Gestaltung des Verkehrs, und damit insbesondere der Städte, wird enorm an Schärfe zunehmen, wenn es gelingt, den medizinischen Argumenten mehr Raum zu verschaffen. Es wird dann gelten diese Konflikte auszutragen.
VCD macht Druck für die Barrierefreiheit des Bahnhofs in Bonn-Beuel
Rainer Bohnet
Der aktuelle Zustand des Bahnhofs in Bonn-Beuel spiegelt die multiple Krise der Bahn. Weit und breit gibt es kein Servicepersonal. Eine provisorische Holzbrücke verbindet die Bahnsteige 1 und 2. ICE‘s, die über die rechte Rheinstrecke umgeleitet werden, halten dort nicht. Die Bahnhofshalle ist mittags und abends geschlossen. Es gibt nur marginalen Wetterschutz. Lange Fernzüge in Richtung Süden kommen bis kurz vor Limperich zum Halt, so dass der letzte Wagen in Höhe des Bahnhofsgebäudes steht.
Ende Mai machte der VCD im Rahmen eines Ortstermins Druck auf die Deutsche Bahn, den wichtigen Bahnhof im rechtsrheinischen Bonn wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen.
So muss Servicepersonal mobilitätseingeschränkten Reisenden über die Brücke helfen. Das Stellwerkspersonal muss über Lautsprecher über die Haltesitutation der Fernzüge informieren. Umgeleitete ICE‘s sollten in Bonn-Beuel halten. Abends muss der Direktanschluss an die Straßenbahnen möglich sein.
Bei der Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes dürfen die Taxistände nicht vergessen werden. Auch sie gehören zu einem attraktiven Verkehrsknotenpunkt.
Auch für die künftige Nutzung des Bahnhofsgebäudes als Musikbahnhof macht sich der VCD stark.
Grundsätzlich muss der Bahnhof in Beuel aufgewertet werden. Denn während der Generalsanierung der linken Rheinstrecke im Jahr 2028 wird er temporär zum Bonner Hauptbahnhof.
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