Das Wirken auf der Mucherwiese
In einem idyllischen Wiesental am Rande des Siebengebirges befinden sich die Ländereien des Mucherwiese e.V.: Biologische Landwirtschaft und Tierhaltung, nachhaltige Bildung, sanfter Tourismus sowie die Artenvielfalt stehen hier im Vordergrund. Die Pädagogin Kristin von Bleichert-Krüger und der Geograph Lennart Kümper-Schlake geben Einblicke in das traditionsreiche Projekt.
Melanie Alessandra Moog
Der Weg zur Mucherwiese führt vorbei an Pferdeweiden und durch den Wald, eingebettet ins Naturschutzgebiet. Welche Verbindung haben Sie jeweils zu diesem besonderen Ort, losgelöst vom Alltagstrubel des Rheintals?
Kristin von Bleichert-Krüger:
Als Enkelin des Gründers, Walter Kniebe, war ich schon als Kind viel auf der Mucherwiese und genoss das Naturerlebnis.
Später wurde ich Waldorf-Erzieherin und zog mit meinem Ehemann, einem Juristen, 1991 nach Leipzig, um nach der Wende den Umbruch mitzugestalten.
Mit der Pensionierung kehrten wir zurück, um in der Hofgemeinschaft mitzuwirken. Damals lebte meine Mutter noch hier und starb 2017 mit 99 Jahren. Sie war bis ins hohe Alter gern im Garten tätig, hatte eine Leidenschaft für Blumen, vor allem für Rosen, und bleibt ein guter Geist dieses Ortes.
Man traf sich damals noch zu jeder Mahlzeit unten in einem Raum und bis heute betreiben wir anteilig Selbstversorgung. Mit der Zeit brauchten wir allerdings weitere Einnahmequellen, um den Ort in standzuhalten.
Daher schufen wir getrennte Wohneinheiten, um diese zu vermieten. Es gibt also mehrere Wohn- und Wirtschaftsgebäude, kleine Holzschuppen als Heulager und auch einen Ferienbetrieb: Ein ganzes Haus für Gäste, außerdem ein Studio und ein Rundzelt. Wir haben strenge Auflagen, was die umweltverträgliche Lebensund Wirtschaftsweise auf dieser Waldlichtung betrifft.
Lennart Kümper-Schlake:
Ich bin Geograph, arbeite im internationalen Naturschutz und bin vor rund sieben Jahren auf die Mucherwiese gezogen.
Bereits vorher habe ich konzeptionell gearbeitet und bringe mich hier ehrenamtlich beim Projektmanagement und in der Mittelbeschaffung unseres gemeinnützigen Vereins ein.
Wir verstehen uns ganz im Sinne des Gründers als Kulturinsel und verfolgen neben der Förderung von Biodiversität auch Bildungsangebote, insbesondere für junge Menschen, frei von Dogmatismus und aus ideeller Überzeugung heraus.
Wie begann die Geschichte des Mucherwiese e. V.?
Kristin von Bleichert-Krüger:
Mein Großvater war im Jahr 1935 hergekommen, von den Nationalsozialisten als „entartet“ gebranntmarkt, und fand hier Zuflucht. Es gab ein Forsthaus auf dem Gelände, das insgesamt fünf Hektar beträgt. Dank eines größeren Auftrags konnte der Künstler das Land erwerben. Er war Maler und Bildhauer und hatte ein Michaelsdenkmal in Rheydt bei Mönchengladbach erbaut, das später leider für die Herstellung von Kanonenkugeln eingeschmolzen wurde.
Hier, an seinem Rückzugsort, legte er mit seiner Frau und einer Freundin die Terrassen an, den Teich und die Gärten. Schönheit war ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung. Sie haben auch etwas Wald gerodet und unglaublich hart gearbeitet.
Auf der Mucherwiese sind sie unbeschadet durch den Krieg gekommen, schufen eine Insel des geistigen Austauschs und hatten aufgrund ihrer künstlerischen Tätigkeiten immer wieder Sponsoren. Im Jahr 2021 gab es im Kunstraum in Bad Honnef eine Ausstellung über Walter Kniebe.
Was zeichnet den Verein aus?
Kristin von Bleichert-Krüger:
Walter Kniebe war Anthroposoph; und so auch meine Eltern, mein Mann und ich. Die anderen Menschen, die hier wirken, sind dafür offen, doch es ist keine zentrale Bedingung für uns. Aber aus dem Geiste heraus versuchen wir zu arbeiten. Deshalb fördert der Verein anthroposophische Initiativen und empfängt auch Schulklassen, unter anderem aus Waldorfschulen im Umkreis. Zudem wurde hier von Anfang an eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise praktiziert, mit Präparaten und Kompostpflege. Aber seit sieben Jahren haben wir keine Demeter- Gärtnerin mehr.
Aktuell bewirtschaftet unser palästinensischer Gärtner liebevoll nach biologischen Grundsätzen die Mucherwiese. Das Demeter- Zertifikat haben wir bis auf Weiteres abgegeben. So große Ländereien sind auch eine Herausforderung, mit ihren Tälern und Höhen, Schrägen und verschiedenen Äckern und Gärten, den Streuobstwiesen und der Tierhaltung. Jedes Jahr aufs Neue wollen sich die Pionierpflanzen des Waldes erneut auf den Freiflächen etablieren.
Lennart Kümper-Schlake:
Das Siebengebirge besteht hauptsächlich aus Wald und ist in seiner Vielfalt begrenzt. Insofern sind die artenreiche Übergangszone am Waldsaum, die kleinteiligen Gärten und die Streuobstwiesen Systeme, die wertvolle Nischen für mehr unterschiedliche Lebewesen schaffen.
In meinem Beruf setze ich mich unter anderem für die Rechte indigener Völker ein: Sie haben das Verständnis, dass wir Menschen „Stewards“ bzw. Hüter der Erde sind, die uns anvertraut wurde.
Dieses Verständnis passt zu unserer Arbeit: Wir möchten diesen Ort pflegen und dabei keine Glaskuppel über unser Idyll stülpen, sondern sind stets offen, mit diesem Projekt mehr nachhaltige Entwicklungen in der Gesellschaft anzustoßen.
Welche Schwerpunkte verfolgt das Projekt?
Kristin von Bleichert-Krüger:
Wir haben Wir haben einige Schafe, die uns helfen, die Wiesen zu mähen. Nun haben wir leider zwei an die grassierende Blauzungenkrankheit verloren. Zudem haben wir Hühner und acht oder neun Bienenvölker. In unserem Hofladen verkaufen wir Produkte wie Honig, Wolle, Apfelsaft und unsere hauseigene Teemischung, den Mucherwiesentee.
Wir alle arbeiten hier ehrenamtlich, unser Verein ist gemeinnützig und viele von uns sind daneben noch berufstätig. Auch unsere offenen Hoftage sind ein ehrenamtliches Angebot.
Nach Anmeldung kann man gern teilnehmen und am ersten Samstag im Monat vor Ort mitwirken, die Mucherwiese erleben und Wissen austauschen.
Außerdem kommen Freiwillige über WWOOF (World Wide Opportunities on Organic Farms) und wirken mit. Wir Erben haben die Mucherwiese dem Verein gestiftet und gemeinschaftsbildende Aktivitäten mit interessierten Familien gemacht, die seit 2017 hier wohnen. Auch einen Integrationsplatz haben wir, für unseren Gärtnergehilfen..Er ist Teil der Lebensgemeinschaft und wohnt hier auch.
Lennart Kümper-Schlake: Der Verein ist Träger unserer Aktivitäten. Bei der Kooperation im Bildungswesen nehmen wir mittlerweile eine kleine Eintrittsgebühr, um unser Engagement auch in Zukunft finanzieren zu können. Jedes Jahr laden wir eine 3. Klasse zur Schafschur ein, im Zuge der Handwerkerepoche an der Waldorfschule. Daneben ist es uns sehr wichtig, auch Regelschulen einzuladen, weil die Kinder dort oft viel weniger Kontakt mit natürlichen Elementen haben. Auch Schülerpraktika bieten wir an.
Wie blicken Sie in die Zukunft des Mucherwiese e. V.?
Lennart Kümper-Schlake:
Wir möchten diese Insel im Wald bestmöglich erhalten, denn wir sehen und spüren, wie die Natur in Dürrejahren zunehmend leidet. Dies macht uns die Dringlichkeit nachhaltiger Projekte hautnah bewusst.
Unsere Heckenstrukturen sind beispielsweise von Interesse für die Biostationen. Bei uns fühlen sich sowohl Wald- als auch Offenland- und Gartenvögel wohl. So kommen etwa Rauchschwalben abends aus dem Tal herauf und man kann diverse Fledermausarten beobachten. Bienen und andere Insekten schwirren durch die Blumengärten, welche terrassiert und mit Trockenmauern für die Reptilien wie Ringelnattern versehen sind. Auch Amphibien, wie Teichmolch und Feuersalamander, fühlen sich hier wohl. Insbesondere den Tieren zuliebe ist unser nächster Schritt eine gründliche Teichsanierung und die Pflege des Bachlaufs.
Hierfür gibt es einen Spendenaufruf und wir freuen uns über die Unterstützung der interessierten Leserschaft. Auch für die Anschubfinanzierung im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ sammeln wir aktuell Spenden. So können wir beispielsweise ein Set Handsägen für eine ganze Schulklasse finanzieren und gemeinsam die Benjeshecke und die Haselsträucher zurückschneiden.
Damit sorgen wir für die fachgerechte Pflege der Mucherwiese und leisten gleichzeitig einen Beitrag für die Nachwuchsgeneration umweltbewusster Menschen in Bonn und Umgebung.
Kontakt
Mucherwiese e. V.
Gemeinnütziger Verein zur Förderung anthroposophischer Initiativen
Mucherwiesenweg 45
53604 Bad Honnef
Telefon: 02224 – 7 16 97
EMail: kontakt(at)mucherwiese.de
„Die Empfangende“, von Walther Kniebe (1884 -1970). Der Künstler stammte aus dem Ruhrgebiet und wurde Kaufmann. Mit 26 Jahren wurde er als Bildhauer an der Kunstgewerbeschule Düsseldorf ausgebildet. Er arbeitete in Stein, in Holz und später auch in keramischem Material, in Ton. Das meiste ist im Krieg verschollen und zerbrochen. Verfemt und verfolgt, fand er im Tal unter dem Hummerich, namens Mucherwiese, seine Zuflucht und wendete sich hier bis zu seinem Tode der Anthroposophie zu. Er entwickelte die Umgebung zu einer Kulturoase, deren anthroposophische Ausrichtung bis zum heutigen Tag lebendig bleibt. Siehe auch www.walther-kniebe.deAktuelle Ausstellung über Walther Kniebe im Goetheaneum, Dornach, Schweiz (bis 16.03.2025)
Es folgt eine Anzeige unserer Unterstützer*innen/in eigener Sache.
Werbung in der Bonner Umweltzeitung? Unsere Mediadaten
0 Kommentare