Grün, grün, grün sind alle meine Kleider
Bei der Menge und Vielfalt von Schildchen, die mit Worten wie Conscious, Eco und Sustainable die Ware bewerben, könnte man meinen, grüne Mode sei der neue Standard. Doch wie nachhaltig ist das wachsende Angebot von Ökokleidung tatsächlich, was macht nachhaltige Mode aus und wieviel Nachhaltigkeit können und wollen wir uns eigentlich leisten?
Verena Mandt
Seit jeher erfüllt Kleidung nicht nur die Funktion, unseren Körper zu wärmen und zu schützen, sondern ist auch ein Symbol für den sozialen Status eines Menschen. Auch wenn heutzutage nicht immer erkennbar ist, ob ein Kleidungsstück günstig oder teuer war – man denke nur an Luxusmarken, die zerschlissene Jeans verkaufen – gilt das Tragen von angesehenen Marken immer noch als Statussymbol. Die Kundschaft zahlt hier in erster Linie fürs Design und nicht zwangsläufig für die Qualität. Und da mit immer wieder neuen Designs noch mehr verkauft werden kann, wechseln diese immer schneller. Gab es früher vielleicht eine Kollektion pro Quartal, bringen manche Unternehmen heutzutage monatlich neue Designs heraus – oftmals zu Lasten der Qualität.
Doch nicht nur die Qualität der Textilien leidet, auch die Herstellungsbedingungen sind teilweise prekär. Von mangelndem Arbeits- und Umweltschutz bis hin zu Dumpinglöhnen und Kinderarbeit – die Missstände in der Bekleidungsindustrie sind heute durchaus bekannt. Nicht zuletzt dank Organisationen wie dem Frauenrechtsverein Femnet e.V. aus Bonn, die nicht müde werden, diese ins Bewusstsein der Konsument*innen zu bringen und Alternativen aufzuzeigen.
Und Alternativen gibt es mittlerweile gar nicht mal so wenige. War noch vor fünfzehn Jahren ökologisch und fair produzierte Kleidung fast ausschließlich in ausgewählten Fachgeschäften zu finden, bieten heutzutage fast alle großen Kaufhäuser ebenfalls eine entsprechende Auswahl an. Selbst die meisten Fast- Fashion-Ketten versuchen ihr Image mit Kollektionen aus ökofreundlichen Materialien und recycelten Stoffen aufzubessern. Besonders im Bereich der Baby- und Kinderkleidung, aber auch in anderen Abteilungen trifft man immer häufiger auf Schilder, die mit Organic, Eco oder Bio werben. Dabei sind entsprechende Produkte oftmals kaum teurer als die konventionelle Ware. Aber sind die so gekennzeichneten Waren wirklich nachhaltiger als andere?
Zurechtfinden im Siegel-Dschungel
Zunächst einmal gilt es, die verschiedenen Bezeichnungen und Siegel überhaupt zu verstehen. Dies ist gar nicht so einfach, da verschiedene Anbieter unterschiedliche Zertifikate verleihen, denen jeweils eigene Kriterien zugrunde liegen. Eine recht häufige Auszeichnung und gute Orientierungsmöglichkeit ist das GOTS-Siegel, das einem Kleidungsstück die Wahrung des Global Organic Textile Standard bescheinigt. Hier spielen neben der ökologischen Produktion des Ausgangsmaterials, also zum Beispiel Biobaumwolle, auch Anforderungen an die Herstellungsbedingungen eine Rolle. Andere Siegel, wie das der Fair Wear Foundation oder von Fairtrade beziehen sich rein auf die Einhaltung sozialer Standards in der Herstellung.
Ebenso ist es möglich, dass nur das Material zertifiziert ist, erkennbar an Angaben wie kbA (kontrolliert biologischer Anbau) oder kbT (kontrolliert biologische Tierhaltung). Auch wenn sich diese rein auf die Erzeugung des Ausgangsmaterials beziehen, müssen entsprechende Produkte nicht automatisch schlechter oder weniger nachhaltig sein. Gerade kleinere Unternehmen und Einzelpersonen verzichten oft auf eine weitergehende Zertifizierung, denn diese ist auch mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden. Außerdem setzen viele der Unternehmen, denen Nachhaltigkeit besonders wichtig ist, auf die Produktion im europäischen Ausland, welche höhere Sozialstandards und kürzere Lieferwege garantiert als die Textilhochburgen in Asien.
Auf der anderen Seite erfinden Modeketten auch manchmal eigene Bezeichnungen oder Siegel, die Nachhaltigkeit suggerieren sollen. Inwieweit diese aber tatsächlich den Anforderungen an Umweltschutz und sozialen Standards gerecht werden, ist fraglich, da eine unabhängige Überprüfung und Transparenz in der Lieferkette meist fehlen. Daher wird in diesem Zusammenhang auch von Greenwashing gesprochen. Wer hier nicht auf die Marketing-Versprechen der Modeunternehmen reinfallen möchte, dem sei der Gütesiegel-Guide von Greenpeace empfohlen, der neben den gängigen Gütezeichen im Textilbereich auch acht der bekanntesten und am meisten verbreiteten “Nachhaltigkeits-Eigenmarken” von Modeunternehmen in Österreich und Deutschland unter die Lupe nimmt (https://greenpeace.at/ratgeber/guetesiegel-guide-kleidung/).
Circular Fashion und der Recyclingtraum
Wie nachhaltig ein Kleidungsstück ist, hängt jedoch nicht nur von ökologischer Erzeugung und sozialen Standards in der Herstellung ab Ein wesentlicher Faktor ist auch die Langlebigkeit eines Produkts, die sowohl vom ausgewählten Material, seiner Qualität aber auch vom Design und seiner Wiederverwendbarkeit abhängt. Zeitlose Schnitte, gute Kombinierbarkeit, robuste Stoffe und Verarbeitung, all das hilft, die Nutzungsdauer eines Kleidungsstücks zu verlängern, idealerweise sogar über einen einzigen Nutzer hinaus.
Dabei spielt auch die Auswahl des Materials eine Rolle: Trendmaterialien wie Modal und Lyocell, aber auch traditionelle Materialien wie Hanf und Leinen bieten hier neben ihren individuellen Eigenschaften eine gute Reißfestigkeit und Langlebigkeit.
Sollte ein Kleidungsstück dennoch irgendwann unbrauchbar sein, wird das Produkt bestenfalls vollständig wiederverwertet, zum Beispiel in Form von Faser-zu-Faser-Recycling. Hierbei werden Textilien wieder in ihre einzelnen Fasern zerlegt und daraus dann neue Stoffe hergestellt. Müll wird vermieden und Ressourcen beim Ausgangsmaterial gespart, was letztlich der Umwelt zu Gute kommt. Idealerweise können wir unsere Altkleider auch gleich beim Einkaufen abgeben und mit dem guten Gefühl, dass ja alles wiederverwertet wird, Neues kaufen.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Richtig. Ganz so einfach ist es leider nicht, dem Textilmüll ein Ende zu bereiten. Mischgewebe heißt der Miesepeter an dieser Stelle. Die Kombination von Fasern unterschiedlichen Materials verleiht Textilien zwar mitunter gerade die gewünschten Eigenschaften, erschwert das Recycling aber erheblich. De facto landen entsprechende Textilien meist auf dem Müll oder werden dem Down-Cycling zugeführt, also beispielsweise zu Putzlappen verarbeitet. Laut Bundesumweltministerium wird weltweit nur weniger als ein Prozent des für die Textilproduktion eingesetzten Materials erneut für die Herstellung von Kleidung wiederverwendet, rund 80 Prozent landen auf dem Müll. Ein hochwertiges Recycling im Sinne eines geschlossenen Stoffkreislaufes, wie es der Ansatz der Circular Fashion propagiert, findet (noch) nicht statt. Oder zumindest nicht in nennenswerten Mengen.
Neue Wege für mehr Nachhaltigkeit
Insgesamt scheint die Idee von nachhaltiger Mode zwar durchaus verbreitet, von Nachhaltigkeit als Standard kann jedoch noch lange nicht die Rede sein. Auch wenn kleine Fortschritte erkennbar sind, selbst bei den großen Ketten. Wer jedoch ein wirklich umweltfreundlich und fair produziertes Kleidungsstück von hoher, langlebiger Qualität möchte, muss in der Regel doch auf Fachgeschäfte oder spezialisierte Marken zurückgreifen und dafür mitunter etwas tiefer in die Tasche greifen. Es gilt daher weiter, das eigene Konsumverhalten zu überdenken und lieber weniger und dafür Hochwertiges einzukaufen.
Auch Leihen, Mieten oder Tauschen können nachhaltige Alternativen sein, bedenkt man, dass in Deutschland ganze 40 Prozent der gekauften Kleidung nie oder nur selten getragen wird. Das Konzept des Mietens, das lange nur für Abend- und Hochzeitsmode in Frage kam, ist mittlerweile auch bei Alltagsmode angekommen. Neben zahlreichen Online-Anbietern, bei denen man Kleidung mieten kann, bietet hier die Kleiderei sogar mehrere Ladengeschäfte zum Stöbern, darunter auch eines in Köln. Dort können Mitglieder bis zu vier Teile des Angebots an Second-Hand-Ware und fairer Mode ausleihen und so oft sie möchten umtauschen. Zudem veranstaltet die Kleiderei regelmäßig Kleidertauschparties. Auch das Studierendenwerk, das Green Office und der AStA der Universität Bonn stellten im Frühjahr gemeinsam mit der Unterstützung von Femnet eine Kleidertauschbörse auf die Beine. Das Tolle am Tauschen: es ist nicht nur besonders nachhaltig, da auf bestehende Textilien zurückgegriffen wird, es ist auch kostenlos. Das schont sowohl die Umwelt, als auch den eigenen Geldbeutel.
Materialcheck
Drei Fasern für mehr Nachhaltigkeit im Kleiderschrank:
Modal: Eine Abwandlung der Viskose, für die jedoch nur Buchenholz als Ausgangsstoff dient. Das Ergebnis ist robuster und langlebiger als Viskose, aber dennoch weich, fließend, elastisch und atmungsaktiv. Der Herstellungsprozess verbraucht weniger Energie und Chemikalien als bei Baumwolle.
Lyocell: Auch bekannt unter dem Markennamen Tencel. Die Faser ist ebenfalls eine Weiterentwicklung der Viskose, allerdings wird nur Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet. Lyocell ist wärmeausgleichend und feuchtigkeitsregulierend, bringt gleichzeitig eine glatte Oberfläche mit seidigem Glanz mit sich und ist dabei ausgesprochen reißfest. Der Hersteller, die Firma Lenzing, produziert in einem nahezu geschlossenen Kreislauf, sodass die Umweltbelastung sehr gering ist.
Hanf: Bereits in der Antike zur Textilherstellung genutzt. Hanfgarn kann viel Feuchtigkeit aufnehmen und trocknet schnell, zudem ist es schmutzabweisend. So bleibt Kleidung länger frisch. Da die Pflanzen sehr ergiebig sind, wird deutlich weniger Platz gebraucht als beispielsweise beim Anbau von Baumwolle und auch auf Chemikalien kann verzichtet werden. Hanfgarn ist sehr robust und langlebig, ergibt allerdings auch eine rauere Haptik.
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