Rohstoffwende ist Ressourcenschutz

10. Juli 2023 | Ausgabe, Ausgabe 4 / 2023 Rohstoffe, Nachhaltigkeit, Ralf Wolff | 0 Kommentare

PowerShift ist eine NRO mit dem Ziel einer ökologisch und sozial gerechteren Welt. Unser Gesprächspartner ist der Geograph Michael Reckordt, Referent für Rohstoffpolitik. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rohstoffwende, Klima und Metalle, Mobilität und Rohstoffe mit dem Fokus auf der deutschen Rohstoffpolitik und den Abbaubedingungen weltweit. In diesem Interview beantwortet er unserer Redaktion Fragen zum Thema Rohstoffe in EU- und weltweiten Zusammenhängen und erläutert die Kampagenarbeit als auch die weiteren Angebote von PowerShift an die Zivilgesellschaft für eine Rohstoffwende zum Schutz der Umwelt, des Klimas und der Menschenrechte.

BUZ: Ihr Ziel ist es, Wege aus der Klimakrise aufzuzeigen. Dazu decken Sie die Themenfelder Handels-, Klima- und Rohstoffpolitik ab. Wie ist Ihre Arbeitsweise und welche politischen Instrumente verwenden Sie?

Michael Reckordt: PowerShift arbeitet vor allem mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in Netzwerken. Wir bündeln Perspektiven des Umwelt- und Menschenrechtsschutzes und agieren gemeinsam in Richtung Politik und Fachöffentlichkeit. Wir sind dabei stets an Themen unserer Zeit, gleichzeitig beweisen wir einen langen Atem in den Arbeitsfeldern Rohstoffe- und Handelspolitik. Durch unsere langfristige Arbeit zu Themenfeldern sichern wir auch in Zeiten mangelnden öffentlichen Interesses die inhaltliche Arbeit.

Die EU hat einen Maßnahmenkatalog für eine sichere und nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen ausgearbeitet, den „Critical Raw Materials Act“. Wie bewerten Sie den Vorschlag der EU-Kommission?
Die EU verpasst es, die zentrale Herausforderung zu benennen und zu adressieren: Wir verbrauchen als Gesellschaft zu viel. 20 bis 25 Prozent der globalen Metalle werden in der EU genutzt, obwohl wir weniger als 6 Prozent der Weltbevölkerung stellen. Seit Jahren fordern Zivilgesellschaft, aber auch der Umweltausschuss des europäischen Parlaments unseren Materialfußabdruck zu reduzieren, doch bisher wurde dieser Forderung nicht nachgekommen. Zwar ist zu begrüßen, dass die EU unabhängiger von einzelnen, nicht-demokratischen Rohstoffproduzenten werden möchte, doch gerade im Bereich Kreislaufwirtschaft fehlen verbindliche Ziele, Maßnahmen und Instrumente. Auch menschenrechtlich droht ein Rückschritt der in den letzten Jahren erkämpften Standards. Hier hoffen wir, dass Mitgliedsstaaten und Parlament den Kommissionsvorschlag noch einmal entscheidend stärken können.

Der Abbau von mineralischen Rohstoffen wie Metalle (z. B. Seltene Erden, Kobalt, Nickel) ist häufig mit Umwelt- und Menschenrechtsproblemen im Globalen Süden verbunden. Was fordern Sie bezüglich einer global gerechten Rohstoffpolitik?
Wir fordern eine Rohstoffwende im globalen Norden, da dieser für einen Großteil des Verbrauchs verantwortlich ist. Diese Rohstoffwende hat zwei Säulen: Erstens müssen wir den absoluten Verbrauch reduzieren. Hier sind entscheidende Hebel, wie wir in Zukunft unsere Mobilität gestalten – zum Beispiel durch die Reduktion der Größe, des Gewichts und der Anzahl der individuell genutzten Autos. Dazu zählt auch, dass Produkte, deren Rohstoffe nicht im Kreislauf gehalten werden können langfristig vom Markt verschwinden müssen. Ein Recht auf Reparatur und ein nachhaltiges Design spielen hier eine wichtige Rolle. Gleichzeitig werden wir in Zukunft nicht auf Bergbau verzichten können. Das heißt, der Bergbau muss höchsten Umwelt- und Sozialstandards unterliegen. Die Gesetzgebungen zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten spielen hier eine Rolle, damit auch Unternehmen, die diese Rohstoffe nutzen, ihrer Verantwortung nachkommen.

Deutschland und Europa konkurrieren weltweit um Ressourcen mit stark expandierenden Ländern wie China oder
Russland. Wie können wir gegen menschenrechtsunwürdige umweltbelastende Praktiken ein Zeichen setzen und Vorbild geben?
Zum einen sind China und Russland auch in globale Lieferketten eingebunden. Rohstoffe, die in China zu Produkten verarbeitet werden, landen später häufig auch in der EU und andersherum. Das heißt durch Lieferkettengesetze und die Umsetzung der Verantwortung lassen sich Standards durchsetzen. Darüber hinaus hat auch China ein Interesse an Umweltschutz und Einhaltung sozialer Standards. Dialogprozesse sind daher ebenfalls sinnvoll. Schwieriger ist die Situation bei Russland. Die Bergbaukonzerne Russlands gehören in der Regel Oligarch*innen, die Putin nahe stehen. Bisher hat die EU – im Gegensatz zu zum Beispiel Großbritannien – diese noch nicht mit Sanktionen belegt. Im Gegenteil: die Metall- und Erzimporte aus Russland sind mindestens noch so hoch wie vor Februar 2022. Hier sollten ähnliche Rahmenbedingungen gelten, wie bei fossilen Rohstoffen und Einfuhren schnellstmöglich reduziert und beendet werden.

PowerShift engagiert sich auch in der Initiative Lieferkettengesetz. Wie stehen Sie zu dem 2021 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zu diesem Thema?
Wir begrüßen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, auch wenn es einige Schwachstellen hat. Gerade die Unterteilung der Lieferkette in direkte und
indirekte Beziehungen ist eine Neuschöpfung der damaligen Bundesregierung, die die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte so nicht hergeben. Auch die fehlende Beweislastumkehr und mangelnde Klagemöglichkeiten der Betroffenen ist nicht im Sinne der UN. Wir hoffen, dass diese Lücken mit einer EU-Gesetzgebung geschlossen werden.

Können Recyclingprogramme die Abhängigkeit von Rohstoffen in nennenswertem Umfang vermindern?
Recycling ist nur ein Teil der Kreislaufwirtschaft. Der Kreislauf beginnt mit Vermeidung, Reduktion und Design von Produkten. Was benötigen wir, wofür und wieviel davon, sind zentrale Fragen. Auch eine Verlängerung des Produktlebens durch Reparatur ist wichtig. Erst dann kommt das eigentliche Recycling, sprich das Sammeln, Sortieren, Zerlegen und die Rückgewinnung von Rohstoffen. Alle diese Schritte sind wichtig, um den Primärverbrauch zu reduzieren.

2013 nahm bei PowerShift ein Arbeitskreis Rohstoffe seine Arbeit auf. 2022 hat PowerShift dann den ersten zivilgesellschaftlichen Rohstoffgipfel organisiert. Wie setzt sich der Arbeitskreis zusammen und welche Ergebnisse wurden auf dem Gipfel erzielt?
Haben sich daraus neue Forderungen und Kampagnen ergeben?
Der Arbeitskreis Rohstoffe setzt sich aus Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen zusammen. Wir arbeiten gemeinsam für eine Rohstoffwende und die Durchsetzung von Menschenrechten. Den Arbeitskreis gibt es schon seit 2007 / 2008, doch erst seit 2013 gibt es ein Koordinationsbüro, das bei PowerShift angesiedelt ist. Der Rohstoffgipfel war eine wichtige Veranstaltung, bei der wir uns mit Politik (u. a. Staatssekretär*innen aus dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium), Wirtschaft (u. a. dem Vorsitzenden des Rohstoffausschusses des BDI) und Zivilgesellschaft (u. a. mit Gästen aus Brasilien und Argentinien) ausgetauscht haben. Uns ist es wichtig, dass besonders die Stimmen der Menschen, die vom Rohstoffabbau betroffen sind, Gehör gefunden haben.

Sie bieten im September einen „Crashkurs Rohstoffwende“ an. An welche Zielgruppe wendet sich der Kurs?
Den Crashkurs Rohstoffwende bieten wir nun zum zwölften Mal an. Er richtet sich vor allem an Multiplikator*innen, sprich an Menschen, die aktiv sind in Parteien, Behörden, Medienarbeit, Umwelt- und Menschenrechtsverbänden, lokalen Eine-Welt-Netzwerken, Klimabewegungen oder Gewerkschaften. Wir bieten umfangreiche Einblicke in die Rohstoffpolitik, verbinden dies mit dem haptischen Erfahren, was Bergbau bedeutet, oder mit Gesprächen mit Expert*innen aus Politik und Behörden.

 

Das Interview führten wir mit Michael Reckordt  Fotorechte: PowerShift e. V.


PowerShift
im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Berlin


Wir zeigen Wege aus der Klimakrise. Unser Ziel ist eine ökologisch und sozial gerechtere Welt. Mit umfassenden Recherchen durchleuchten wir politische Prozesse, benennen die Probleme eines ungerechten globalen Wirtschaftssystems und entwickeln Handlungsalternativen. Durch Lobbyarbeit bewegen wir Entscheidungsträger*innen in der Politik dazu, die nötigen politischen Rahmenbedingungen für Veränderung zu setzen. Wir führen Aktionen und Kampagnen durch und schmieden starke Netzwerke – mit anderen Organisationen, sozialen Bewegungen und Bürger*innen. Gemeinsam mischen wir uns ein!“
So beschreibt sich Powershift auf Ihrer eigenen Website.

2012 zog die NRO mit einem eigenen Büro in das Haus der Demokratie in Berlin und kann seither verschiedene Meilensteine verzeichnen.
2013 wird der Arbeitskreis Rohstoffe bei PowerShift angesiedelt
2015 wird„Stop Mad Mining“ ein Erfolg. Europäische Bergbauunternehmen müssen sich von nun an beim Abbau von Gold, Tantal, Zinn und Wolfram an die Menschenrechte halten
2016 wird TTIP gestoppt wofür PowerShift einen bedeutenden Anteil geleistet hat
2017 beschließt Berlin den Kohleausstieg
2019 setzt sich powerShift als Mitglied von über 150 europäischen NROs gegen Konzernklagerechte ein
2020 verweist die Wallonische Regionalregierung in Ihrer Entscheidung auf
PowerShifts Studie zum EU-Mercosur Abkommen für die Europäischen Grünen
2021 engagiert sich PowerShift in der Initiative Lieferkettengesetz und generiert mit der Kampagne zum Bauxitabbau in Guinea Öffentlichkeit
2022 zeigt PowerShifts Kampagne zum Austritt aus dem Energiecharta Vertrag Wirkung. Weiter organisiert AK Rohstoffe den ersten zivilgesellschaftlichen Rohstoffgipfel

Neben einer Reihe an freien Mitarbeitern, teilt sich das Team von PowerShift in drei Schwerpunkte mit eigenen Expert*innen auf. Diese lauten „Handels- und Investitionspolitik“, „Klima- und Ressourcengerechtigkeit“ und „Rohstoffpolitik“.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

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