Reisen per Work-Exchange

24. Juli 2024 | Ausgabe 4 / 2024 Reisen, Gesellschaft, Melanie Alessandra Moog, Umwelt | 5 Kommentare

Raus aus der Alltagsrealität

Reisen bringt nicht nur Abwechslung und Erholung, sondern verbindet Menschen, kostet kein oder nur wenig Geld, bildet, inspiriert und ermöglicht es, einen ansehnlichen „ökologischen Fußabdruck“ zu hinterlassen – so zumindest eine Idealvorstellung.
Dass diese Art zu Reisen keinesfalls eine ferne Utopie ist, möchte ich Ihnen anhand des Work-Exchange-Modells näherbringen.


Melanie Alessandra Moog


Urlaub mit freiwilligem Einsatz

Ein Aufenthalt auf dem Bio-Hof, Ferien im Ökodorf, eine Reise zu spannenden Projekten und ein Besuch in einer alternativen Gemeinschaft, zu Gast bei Familien und anderen nachhaltig lebenden Personen – es gibt vielfältige Möglichkeiten, den Horizont zu erweitern. Das Beste daran ist, dass wir Zeit im Grünen, Lernen, Vernetzung und Entspannung kombinieren können. Und: Wir ziehen direkt mit Tatkraft los, statt lange zu sparen.
Meist nutzen Alleinreisende dieses Angebot, doch auch mit Partner oder mit dem Nachwuchs können bei dieser Art zu Reisen mit etwas Glück alle das richtige Ziel finden. Kinder dürfen oft kostenfrei mitkommen. Ich selbst verbrachte sowohl allein als auch alleinerziehend mit meiner Tochter verschiedene Aufenthalte in Deutschland, Spanien und weltweit.
Ob im deutschen Ökodorf, bei der Mandelernte auf der Kanaren-Finka oder im peruanischen Öko-Projekt ermöglichte uns der Work-Exchange neben unvergesslichen (Lern-)Erfahrungen auch einen Beitrag für Mensch und Erde.

Hühner im Freilandgehege Archivfoto

Meine kleine Tochter liebte die Hoftiere im Ökodorf: Nach kürzester Zeit legte sie die Scheu beim Füttern der übermütigen Ziegen ab und eines der Hühner ließ sich von ihr hochnehmen. Das Ernten für die Küche und das Basteln in der Gemeinschaftswerkstatt zusammen mit kreativen Köpfen gefielen ihr besonders gut.
Interkultureller Austausch und Fremdsprachentraining werden beim Work-Exchange in der Begegnung mit internationalen Freiwilligen und mit Einheimischen besonders gefördert. Wer auf eine lange Anfahrt verzichten möchte, um Umwelt und Geldbeutel zu schonen, findet im eigenen Bundesland ungeahnte Möglichkeiten. Die körperliche Arbeit beim Gießen, Ackern und Werkeln, das Wohnen im nachhaltigen Setting mit Komposttoilette und Bio-Anbau sowie das Erleben zwischenmenschlicher Verbundenheit können ein willkommener Ausgleich zur modernen Alltagsrealität sein. Neben der ökologischen Freiwilligenarbeit lässt sich genügend Zeit für Rückzug, Muße und Ausflüge einplanen, sodass sich ein Urlaubsgefühl einstellt.

Ein Reiseziel mit Stil finden

Ein Work-Exchange-Aufenthalt kann wenige Tage oder Wochen dauern, oder auch einige Monate. Mehrere Stunden Arbeit während der Werktage gegen Kost und Logis bilden das Fundament für diesen Austausch und ermöglichen neue Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit, genauso wie Raum für Entspannung und Freizeit. Ein bis zwei Tage am Wochenende sind meistens komplett für Freizeit vorgesehen.
An Arbeitstagen werden meist zirka vier Stunden Hilfe im Bio-Garten, bei der Ernte, der Tierversorgung, in der Küche oder beim Heimwerken erwünscht. Kenntnisse werden oft nicht oder kaum vorausgesetzt, stattdessen werden Fähigkeiten vor Ort unter Anleitung erworben.
Für die Planung eines Work-Exchange bieten sich verschiedene kostengünstige Vernetzungsplattformen an, wie zum Beispiel WWOOF (World Wide Opportunities on Organic Farms) und GEN (Global Ecovillage Network). Aufenthalte sind weltweit, aber auch in der Heimat möglich. Die Rahmenbedingungen werden im Vorfeld transparent gemacht: Art und Umfang der freiwilligen Hilfe, Angaben zur Unterbringung, zum (gemeinsamen) Essen und dem Miteinander sowie zu Freizeitmöglichkeiten. Geschlafen wird entweder im Zelt, im Schlafsaal, im Gästezimmer, in Jurte oder Bauwagen oder separatem Gästehaus – auch hier gibt es ein großes Spektrum an Möglichkeiten, je nach Reiseziel. So ist vorab klar, dass das Angebot zum eigenen Stil, den Bedürfnissen und der Persönlichkeit bestmöglich passt.

Die persönliche „Wandelreise“ planen

Welche Anlaufstellen es für nachhaltige Aufenthalte in Deutschland gibt, kann Ihnen folgendes Beispiel näherbringen:
Unter dem Namen „Wandelreise“ plante das Deutsche Ökodorf Netzwerk, ein Ableger des GEN, im Jahr 2022 eine Radtour – einmal quer durch Deutschland. Die Fahrradreisenden wollten nachhaltige Projekte, wie Bio-Höfe und alternative Gemeinschaften besuchen. Dank der Förderung durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz konnte die große „Wandelreise“ Wirklichkeit werden.
Auf Beschluss des Deutschen Bundestages erfolgte die Mittelbereitstellung. Ab August 2022 reisten somit insgesamt 70 Menschen zwischen zwei und 71 Jahren sechs Wochen lang, von der Zugspitze bis an die Ostsee, und besuchten inspirierende Lebensprojekte auf ihrer Strecke.
Auf der 1200 km langen Reise diente ausschließlich das Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Stationen bildeten zahlreiche Aktionsveranstaltungen auf dem Weg, mit Commonsverbünden, Postwachstumsinitiativen und Bürgerparlamenten. Workshops, Kultur- und Mitmachaktionen lockten auch die lokale Bevölkerung an.
Themen wie Gemeinschaftsbildung, Artenvielfalt, Ernährungssouveränität, alternative Arbeitsformen, regenerative Landwirtschaft und Friedensarbeit bildeten die Schwerpunkte der Veranstaltungen. Die Radtour und Aktionen der „Wandelreise“ wurden dokumentiert und der entstandene Film kann auf der Website des GEN unter https://gen-deutschland.de/projekt/wandelreise/ kostenfrei angeschaut sowie gegen eine freiwillige Spende heruntergeladen und öffentlich aufgeführt werden.
Dies dient auch als Inspiration für die Planung einer persönlichen „Wandelreise“ zu einem oder mehreren registrierten Öko-Projekten, womöglich sogar mit dem Drahtesel.

Fotos: Clemens Arvay (†)

Mehr Recherchen zum Reisen, zur Freiwilligenarbeit und zu Öko-Projekten in Deutschland und weltweit finden Sie auf meinem YouTube-Kanal
@alessandramoog und in meinem Buch „In Zukunft selbstversorgt – Wegweiser in ein autarkes Leben“, das im Mai 2023 zusammen mit dem österreichischen Biologen und Sachbuchautoren Clemens Arvay (†) beim Bastei Lübbe Verlag Köln erschienen ist.

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5 Kommentare

  1. Danke, dein Artikel hat mich sehr inspiriert. Liebe Grüße, Nicole

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  2. Einfach großartig Alessandra! Das ist genau das, wonach ich suche…Danke für das alles!

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  3. ..und das Wichtigste ist: ich habe einen Weg gefunden, wie ich mir noch um mich selbst kreiseln kann. Egoismus pur. Na Bravo.

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    • Um Selbstbezogenheit geht es bei freiwilliger ökologischer Arbeit definitiv nicht, Herr Jacobs, im Gegenteil. Vielleicht möchten Sie Ihr Vorurteil einmal durch eigenes Anpacken beseitigen? Körperliche Arbeit für den guten Zweck unterscheidet sich vom Debattieren an der Tastatur. Für ungewohnte Aufgaben eingeteilt zu werden, im Freien zu schwitzen sowie mit weniger Komfort und Privatssphäre zu übernachten, gemeinsam zu essen, zu putzen, anderer Leute Teller zu spülen – das schafft Demut vor dem einfachen Leben und einen Gemeinschaftssinn, der im Alltag, auch im Internet, oft leider nicht mehr auffindbar ist. Dieser Erfahrungswert ist auch durch Intellektualität nicht zu ersetzen. MfG, Moog

    • Hallo Torsten Jacobs,
      normalerweise veröffentlichen wir alle Kommentare die uns zugesandt werden, denn wir möchten keine Zensur ausüben. Zum wiederholten Mal fallen sie durch wenig konstruktive, grenzwertig formulierte Kommentare auf. Bitte überdenken Sie in Zukunft den Stil ihrer Kommentare. Ansonsten müssen wir erstmalig unsere Regel brechen.

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