Fällt der Begriff Artenvielfalt, denken viele Menschen zuallererst an das Aussterben von Pflanzen und Tieren. Heute drehen wir den Spieß einmal herum und reden über Arten, die ursprünglich nicht unbedingt in unserer Region beheimatet sind, sich hier wohlfühlen und ausbreiten. Sie haben bei uns eine neue Heimat gefunden. Dabei führe ich Euch unter anderem in die Bonner Rheinaue, in die Gärten von Mehlem und an die Ahrmündung. Es könnte aber fast überall in Deutschland sein.
Die Bevölkerung des Rheinauensees
Gehen wir zuerst in die Bonner Rheinaue, durch die ich Euch in der Ausgabe Juli/August 2020 schon einmal geführt habe. Ihr erinnert Euch, die ehemalige landwirtschaftliche Fläche, auf der ich in der Lehrzeit Kohlrabi für den Hausgebrauch „geerntet“ habe. Die bis zum Jahre 1979 dann zur Bundesgartenschau „kultiviert“ wurde. Auf diesem Gelände entstand ein riesiger, 15 Hektar großer künstlicher See mit einer Länge von 1,3 Kilometern und einer Breite von im Durchschnitt 155 Metern sowie einem Fassungsvermögen von rund
150 000 Kubikmeter Wasser.
Seine Entstehungsphase nutzten wir auf der für uns besonderen, sehr individuellen Art und Weise. Nachdem er sich mit Regenwasser gefüllt hatte, sind wir bei Tageslicht mit unseren Kanus darauf herumgefahren und haben die sogenannte Eskimorolle geübt. Zur nächtlichen Dunkelheit gingen wir an gleicher Stelle textilfrei baden.
Nach Eröffnung des Rheinauenparks siedelten sich in den Seen die seltsamsten Tierarten an. Einige Exemplare der Gattung Mensch meinten, ihre exotischen Wasserschildkröten in diesem See aussetzen zu müssen. Das haben nur die stärksten Exemplare überlebt, die sich fleißig vermehrt haben. Heute ist fast jeder aus dem Wasser schauende Stein mit sonnenbadenden Wasserschildkröten belegt.
Die heimischen Enten erfreuten sich des ruhigen Wassers, mussten sie doch nicht immer auf die Strömung achten, die im nahen Rhein für dauernde Beschäftigung sorgten und Achtsamkeit erforderten. Aber nicht lange wurde ihnen dieses Glück beschieden, denn auch die ursprünglich aus Afrika stammende Nilgans, in Großbritannien als Ziervogel eingeführt, machte sich ebenfalls seit 1990 in der Rheinaue breit. Heute gibt es wenige Stellen in diesem Park, die nicht von diesen Gefangenschaftsflüchtlingen besetzt sind. Dieser Begriff ist die Bezeichnung für eine „gebietsfremde Tierart“, die von Menschen außerhalb ihres eigentlichen Lebensraumes als Zierobjekt gehalten wird, dann geflüchtet ist oder wie die Wasserschildkröten ausgesetzt wurden.
Ich denke, es war im Jahre 2010, als die erste Nutria aus dem Rheinauensee stieg. Dieses Tier wusste ich nie richtig einzuschätzen, ist es nun Ratte oder Biber? Auch die unterschiedlichen Namen Biberratte oder Sumpfbiber gaben keine Klarheit. Dieses Tier kommt ursprünglich aus Südamerika und war ein beliebter Pelzlieferant. Auch in europäischen Pelzfarmen wurde dieses Tier gehalten. Da bleibt es nicht aus, dass es schon mal flüchtete oder von Tierschützern befreit wurde. So breitete sich auch die Nutria in Deutschland aus und fand den Weg in den Bonner Rheinauensee. Scheu kennt dieses Tier nicht, es frisst inzwischen den Besucher*innen aus der Hand. Die sowieso schon kräftigen Tiere zeigen in der Rheinaue dank der ordentlich durch Menschenhand zugeführten Nahrung eine „imposante“ Figur.
In der Brutzeit seht ihr im Bereich diesen Sees beeindruckende Revierkampfszenen, denn Brutplatz ist inzwischen ziemlich rar geworden. Hier fallen besonders die Schwäne auf, die ebenfalls Freude am See haben, ihr Revier verteidigen, selbst gegen die kleinste Ente. Dann wird es laut in der Rheinaue, denn deren Flügelschlag knallt über den ganzen Rheinauensee.
Doch dann kam es, wie es kommen musste. Sogenannte Tierfreund*innen entsorgten ihr altes Brot, getarnt als „Entenfutter“ im Rheinauensee und seiner Umgebung. Die konnten aber gar nicht alles vertilgen, so sorgte das im See versunkene Brot, das verfaulende Laub und der Kot der Tiere im See für eine Überdüngung, der See kippte im heißen Sommer 2018 um. Dazu gesellt sich noch, dass der See keinen Zu- oder Abfluss hat und manches Hochwasser auch noch „Material“ in den See beförderte. So jedenfalls stellt es sich für mich dar, das Internet weiß aber noch eine Vielfalt an Gründen zu nennen. Ein massives Fisch- und Vogelsterben setzte ein.
Die unterschiedlichsten Gutachten zur „Sanierung“ des Sees wurden erstellt, ein Vorschlag ist ein Boot, welches das verfaulende Laub vom Grund hochbaggert und dann an Land bringt, weiß der WDR in seiner
Lokalzeit-Bonn am 8. März 2021 zu berichten. Nach dem letzten Stand vom 18. März 2021 werden Mikroorganismen eingebracht, die Schadstoffe abbauen sollen, bevor der See im Winter ausgebaggert werden soll.
Unser Garten in Mehlem
Jetzt begeben wir uns in den Ortsteil Mehlem, wo unser Garten unter die Lupe genommen wird. Da es ein Gemeinschaftsgarten der Hausbewohner*innen ist, finden wir die unterschiedlichsten Gartenarten vor. Da gibt es die Kräuterfrau mit vielen Heilkräutern im Anbau und dem weltberühmten Komposthaufen. Die Blumenwiese, ein wertvolles Biotop, welches in seiner Artenvielfalt zahlreichen Kleintieren und Insekten wie Schmetterlingen, Fliegen, Wildbienen und Hummeln einen Lebensraum schafft. Das Auge erfreuen unter anderem Osterglocken, Tulpen, Oleander und viele mehr. Zur Würze in der Küche findet sich Thymian, im 11. Jahrhundert von Mönchen aus Italien eingeführt und schon lange hier heimisch. Unser Thymian wuchs vor Jahren noch in der Provence und fühlt sich in unserem Garten sehr wohl. Der „Tau des Meeres“, im Volksmund Rosmarin genannt, wächst hier ebenfalls in beeindruckender Fülle.
Ein Tipp übrigens für die Küche; den Rosmarin niemals waschen, sondern nur auf die Hand schlagen, beim Waschen verliert er einiges an Aroma. Auch der Lavendel, der Majoran, alles irgendwann in der Provence ausgegraben, hat bei uns eine neue Heimat gefunden. Aber auch in unserem Garten findet ein Verdrängungskampf statt, denn der Giersch, in der Küche und im Heilkräuterbereich verwendet, ist eine der unbeliebtesten Pflanzen im Garten. Er wuchert wie Bärlauch völlig unkontrolliert und ist nicht zu bändigen. Seine Wurzeln fressen sich überall durch und wer nicht aufpasst, findet in kürzester Zeit nur noch Giersch in seinem Garten. Die missachtete Empfehlung, ihn nur im Topf anzubauen, wird uns noch lange zu schaffen machen. Doch Rohköstler*innen und Freund*innen der Wildkräuter lieben den Giersch als schmackhaften Nährstofflieferanten in Salaten. Giersch ist ebenfalls eine traditionelle Heilpflanze, die unter anderem bei rheumatischen Erkrankungen angewendet wird.
Halsbandsittiche sind auch in unserem Garten in Mehlem zu hören und zu sehen, genau in dieser Reihenfolge. Das ist auch kein Wunder, denn es gibt in Mehlem noch für Bonn außergewöhnlich viele alte Baumbestände. Erstaunlicherweise sind sie an unseren Futterstellen nicht zu sichten, offensichtlich bevorzugen sie anderes Futter. Gut für unsere einheimischen Vögel.
Die Stare
Was in unserem Garten noch zu sehen ist, sind Stare, die sich sehr einfallsreich bemühen, etwas von der in unserem kleinen Futterhäuschen befindlichen Nahrung zu erhaschen. Auch diese Vögel sind sehr gesellig und tauchen meistens zu mehreren auf. Der flüchtige Betrachter wird denken, dass es sehr zänkische Vögel sind, denn sie kabbeln sich bei jeder Gelegenheit. Schauen wir genauer hin, scheint es eine Art der Beschäftigung zu sein. Auffällig ist das Talent, fast alle Vogelstimmen imitieren zu können. So schaue ich öfters in den Himmel, um den vermeintlichen Bussard zu ermitteln, bis mir klar wird, dass mich ein Star aufs Glatteis geführt hat. Warum schreibe ich über den Star? Er ist eigentlich ein Zugvogel und war in früheren Wintern selten in unseren Breiten zu sehen. Die wärmeren Winter haben diese intelligenten Tiere davon überzeugt, sich den weiten Weg in den Süden zu sparen und lieber hierzubleiben. Mindestens einen menschlichen Feind haben die Stare, und das sind die Winzer*innen. Fällt eine solche Ansammlung von Staren, wie auf dem Bild zu sehen ist über einen Weinberg her, können die Winzer*innen sich die Weinlese in diesem Weinberg sparen. Deshalb hören wir zur Herbstzeit im Ahrtal Schüsse aus den Weinbergen, die den Staren Angst machen sollen. Diese Vögel sind schlau und merken recht schnell, dass ihnen diese Schüsse nichts anhaben. Deshalb werden immer öfter Netze gespannt, eine aufwendige Angelegenheit!
Das indische Springkraut
Bleiben wir an der Ahr, könnten aber auch an den Rhein oder die Sieg gehen, vermutlich sogar an jedes fließende Gewässer in dieser Republik. Hier finden wir eine Pflanze, die es den einheimischen Pflanzen richtig schwer macht. Es handelt sich um das „Indische Springkraut“. Die aus Ostindien und dem westlichen Himalaja stammende Hummelorchidee wurde als Gartenpflanze in Deutschland kultiviert. Da die Bienen das Springkraut zur Erzeugung ihres Honigs lieben, brachten Imker*innen das Kraut vermehrt aus. Diese Tatsache und Gartenabfälle in der Nähe von Fließgewässern haben dann die Ansiedlung ermöglicht. Die ehemals artenreiche bunte Ufervegetation wird durch diese Pflanze verdrängt, da sie dem Konkurrenzdruck dieses Neulings nicht mehr gewachsen ist.
Fazit
In vielen Fällen sieht es so aus, als würden sich die einheimischen Arten und die Neulinge in der Natur gemeinsam arrangieren. Gewissheit wird nur ein genaues Beobachten der jeweiligen Situation bringen. Wenn notwendig, muss der Mensch, der diese Situationen verursacht hat, regulierend eingreifen. So mit Sicherheit beim Springkraut, welches sich sonst konkurrenzlos ausbreiten kann. Konsequentes Mähen ist eine einfache Lösung, wird jedoch selten beobachtet. Am Rheinauensee sehe ich eine große Gefahr, hier muss eine einseitige Ausbreitung der stärksten Wasservögel verhindert werden, auch wenn diese Maßnahme unbeliebt sein wird. Ein erster Schritt wäre die sogenannte „Gelegeentnahme“, auf Deutsch das Entfernen der Eier aus den Gelegen.
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