Zwei Jahre nachhaltige Ratskoalition
Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, dass die Bonner*innen einen neuen Stadtrat gewählt haben. Mit der Koalition aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, den LINKEN und VOLT begann der Einstieg in die Verkehrswende. Schauen wir uns an, was in den ersten zwei Jahren von der neuen Ratskoalition in Sachen Verkehrswende auf die Beine gestellt wurde.
Die Notwendigkeit der Verkehrswende
In Anbetracht der Klimakrise hat der Bonner Stadtrat am 4. Juli 2019 den Klimanotstand für Bonn ausgerufen. Passiert ist dann infolge der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Jamaika Koalition als Ratsmehrheit sehr wenig. Weiterhin hat der Stadtrat in einer Sitzung am 7. November 2019 beschlossen, dass Bonn bis 2035 klimaneutral werden soll. Zuerst hieß es 2030, aber der damalige Oberbürgermeister hat sich mit der Jahreszahl 2035 durchgesetzt.
Da der Anteil des Verkehrs an den Gesamt-Treibhausgas-Emissionen bezogen auf das Bonner Stadtgebiet im Jahr 2018 bei 26,8 % lag, ist die Verkehrswende ein zentraler Baustein für die Erreichung der Klimaneutralität in Bonn. Sie ist eine Chance, die Lebensqualität in Bonn durch eine nachhaltige, sichere und sozial gerechte Mobilität zu verbessern.
Schon heute stößt die Verkehrsinfrastruktur der Stadt Bonn an ihre Grenzen, und die Stadt Bonn ist eine der am schnellsten wachsenden Städte in Nordrhein-Westfalen. Das bedeutet, zukünftig werden mehr Menschen in Bonn leben und arbeiten als heute. Verkehrsprobleme werden zunehmen, wenn keine konsequenten Maßnahmen ergriffen werden.
Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes (Zufußgehen, Radfahren und der öffentliche Verkehr) sind besonders raum- und energieeffizient und verursachen geringe Emissionen. Der Stadtrat hat beschlossen, dass der Anteil des Umweltverbundes im ‚Modal Split‘ (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger oder Verkehrsmittel) bis 2030 auf 75 Prozent erhöht werden soll. Quelle: Pressabteilung der Stadt Bonn
Im Jahr 2017 lag der Anteil des Umweltverbunds am Modal Split erst bei 60% Quelle: Mobilität in Deutschland; Infas, 2017
Verkehrsberuhigende Maßnahmen
Eines der heißesten Eisen in der Bonner Verkehrspolitik ist die Kappung des City Ringes. Mehrfach wurde sie durchgeführt und wieder aufgehoben, je nach Stimmenmehrheit in der jeweiligen Ratssitzung. Der Tod der Innenstadt und eine Pleitewelle in der innerstädtischen Geschäftswelt stand als Horrorvorstellung im Orbit. Die vorerst endgültige Kappung des City Ringes geschah im März des Jahres 2022, endgültig zumindest während der zur Zeit herrschenden Ratskonstellation.
Das autofreie Rheinufer ist ein weiteres von mir sehr begrüßtes Projekt. Wo bisher noch Autos das parallel zur Adenauerallee führende Rheinufer befuhren, sollen sich in Zukunft Fußgänger*innen und Fahrradfahrende gemütlich bewegen können. Sie sollen sich dabei in Bälde an zahlreichen Gastronomiebetrieben stärken können.
Radwege und Umweltspuren
Durch neue Verkehrsführungen soll dem Umweltverbund mehr Straßenraum zur Verfügung gestellt werden. Je nach örtlicher Situation können Umweltspuren die Bedingungen für Radverkehr und Busverkehr verbessern, auch indem sie unabhängiger von Staus durch den motorisierten Individualverkehr geht.
Durch die Kappung des City Ringes hat sich die Situation der Radfahrenden vor dem Hauptbahnhof verbessert. Auf den Straßen Sandkaule und Belderberg sind bereits Umweltspuren eingerichtet worden. Für Umweltspuren auf der Endenicher Straße laufen zurzeit noch die Planungen.
Eine „Protected Bike Lane“ entstand in der Sandkaule. Radfahrende sind ebenfalls auf dem ehemaligen City-Ring vom Busbahnhof bis zum Rheinufer auf eigener Trasse unterwegs.
Der rechtsrheinische Radweg durch die Rheinaue wurde nicht ohne Bauchschmerzen in der Bevölkerung verbreitert. Leider kamen dadurch 23gesunde Bäume zu Fall. Und schon jetzt zeigen sich bei diesem 700.000 Euro teuren Projekt die ersten Unebenheiten.
Die Radfahrstreifen (teilweise als Protected Bike Lane) und Umweltspuren zwischen Kreisverkehr Alter Friedhof und Bertha-von-Suttner-Platz sind so gut wie fertig. Die Umsetzung erfolgte im Zuge einer ohnehin geplanten Fahrbahndeckensanierung.
Auf dem Hermann-Wandersleb-Ring wurde zwischen den Kreuzungen „Auf dem Hügel“ und „Rochusstraße/Provinzialstraße“ für den Radverkehr mehr Verkehrsraum erstellt. Hinzu kommt die Einrichtung einer Fahrradstraße auf dem östlichen Abschnitt der Endenicher Straße, zusätzliche Radfahrstreifen und Übergänge auf dem Hermann-Wandersleb-Ring sowie zusätzliche Aufstellflächen für den Radverkehr an betroffenen Knotenpunkten. Der Verkehrsversuch für die Umweltspuren auf dem Hermann-Wandersleb-Ring soll im Septenber 2022 beginnen. Quelle: Eigene Erfahrung und Pressabteilung der Stadt Bonn.
Tempo 30 in Wohngebieten
In Bonn sind seit 1985 sukzessive Tempo-30-Zonen in Wohngebieten eingerichtet worden. Bis zirka 1997 sind so insgesamt 133 Zonen entstanden. Ebenso wurden seitdem bereits viele Abschnitte auf vorfahrtsberechtigten Straßen mit Tempo 30 ausgeschildert.
Im Jahr 2021 hat sich die Stadt Bonn beim Bundesverkehrsministerium erfolglos als Modellkommune Tempo 30 beworben. Die Spielräume der StVO sind leider begrenzt, so dass die Städte nur auf Basis akuter Gefahrenlage bzw. bei Vorliegen anderer Voraussetzungen (Lärm/Schadstoffe) und stellenweise mittels aufwendiger Verkehrsversuche Tempo 30 anordnen können.
Das Bundesverkehrsministerium hat die Stadt Bonn bei seiner Absage als Modellstadt Tempo 30 auf die Möglichkeit der Erprobungen hingewiesen. Diese möchte die Stadt nun nutzen.
Die Verwaltung untersucht zur Zeit die Eignung von vierzehn Straßenabschnitten in allen Stadtteilen zur Erprobung von Tempo 30.
Vorab müssen hier eine Menge Daten erfasst werden, um einen Ist-Zustand zu ermitteln, der das Erreichen der Erprobungsziele „Erhöhung der Verkehrssicherheit“ oder „Lärmschutz“ nachvollziehbar macht und eine solche Einrichtung rechtfertigt. Dazu gehören insbesondere Lärmberechnungen, Verkehrsbelastungen, Querungshäufigkeiten sowie Geschwindigkeitsverstöße. In die Gesamtbewertung des Erprobungserfolges wird auch die subjektive Verkehrssicherheit einfließen, beispielsweise durch Befragung der Anwohner*innen, Schüler- oder Elternvertretungen, sagt die Pressabteilung der Stadt Bonn.
Tempo 30 aus Lärmschutzgründen
Ein Planungsbüro fand im Auftrag der Stadt geeignete Streckenabschnitte. Basis war eine Zusammenstellung von Streckenabschnitten, die aufgrund akustischer Kriterien für eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit aus Lärmschutzgründen in Frage kommen. Dabei wurden vor allem Strecken ausgewählt, an denen die Belastungen die Werte von 70 dB(A) am Tag bzw. 60 dB(A) in der Nacht überschritten. Auch eine hohe Anzahl von betroffenen Wohneinheiten wurde berücksichtigt, damit möglichst viele Menschen von einer Temporeduzierung profitieren.
Jürgen meint dazu
Alle die hier beschriebenen Maßnahmen sind ein guter Anfang zur dringend notwendigen Verkehrswende! Auch wenn es bei den Maßnahmen zu manchmal eher einseitig hochgespielten Pannen kam, sind sie im Endeffekt als gut zu bewerten. Pannen sind ja auch die Chance, etwas zu lernen. Trotzdem sieht es für mich aus wie ein Flickenteppich; hier mal eine Protected Bike Lane, da mal eine Umweltspur.
Wir müssen auch bedenken, dass viele Menschen aus dem Umland zu uns in die Stadt Bonn kommen, wo Bahn und Bus noch nicht so verkehren wie zu wünschen wäre. So ist zum Beispiel der Ort Dom-Esch bei Euskirchen an Sonntagen ab Euskirchen nur mit dem Sammeltaxi zu erreichen, zu einem extra Tarif. Wenn es dann nur mit dem Auto geht, wo sollen diese Menschen parken?
Ich habe mich einmal intensiv mit der Stadt Utrecht in den Niederlanden beschäftigt, die von der Einwohnerzahl mit Bonn zu vergleichen ist. Direkt in Autobahnnähe finden wir mehrere großzügig gestaltete Park & Ride Plätze mit Abstellmöglichkeiten für jeweils 500 bis 1000 Autos. Es gibt sogar ein Parkhaus mit 1385 Plätzen. Für 6 Euro am Tag könnt ihr dort parken und mit maximal 5 Personen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, um die Innenstadt zu erreichen. Solche Einrichtungen sollten als erstes auch in Bonn vorhanden sein, bevor unsere Stadt „dicht“ gemacht wird. Schaue ich mir unsere Park & Ride Plätze an, läuft es mir kalt den Rücken runter. In Oberkassel haben wir Platz für 255 PKW, Beuel Bahnhof 32 PKW und Bonn Villich packt 100 PKW! Nur zur Erinnerung; das ist nicht mal die Kapazität eines Parkplatzes in Utrecht!
Eine gut durchdachte Verkehrswende wird viel positive Resonanz in der Bevölkerung hervorrufen. Dieses macht sich in drei Jahren auf dem Wahlzettel bemerkbar. Eine Beteiligung der Bonner Bevölkerung an den geplanten Maßnahmen halte ich für unabdingbar.
Und noch etwas zu der Geschäfts- und Vermieter*innenwelt der Innenstadt. Einen Einfallsreichtum, was die Gestaltung des Warenangebotes und der Ladenausstattung betrifft, sehe ich nur in der Friedrichstraße. Ansonsten finde ich fast nur Billigläden und Ketten in der Innenstadt installiert. Auch hier kann Utrecht als gutes Beispiel dienen, hier gibt es einen Käseladen, einen Eisenwaren-Laden, indem es sogar Schrauben noch einzeln gibt. Die Mieten in der Bonner Innenstadt bremsen allerdings manch positiven Ansatz aus.
Das Allerletzte
Es ist zu bemerken, dass es sich bei den „Konstrukteur*innen“ aller dieser Maßnahmen um die Koalition aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, den LINKEN und VOLT handelt, und nicht, wie mir immer wieder zu Ohren kommt, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN alleine! Auch die weiter genannten Parteien sind in erheblichem Maße an den Ideen zur Verkehrswende beteiligt! So kommt nach meinem Wissen beispielsweise das „Autofreie Rheinufer“ auf einen Antrag „DER LINKEN“ zustande!
Dieses Verkehrskonzept vom 5. August 2019 für Bonn entstammt aus der Feder der LINKEN https://www.dielinke-bonn.de/politik/aktuelles/detail/news/besser-mobil-in-bonn-unser-verkehrskonzept-fuer-ein-besseres-bonn/
Auch VOLT hat gute Ideen zur Verkehrswende: https://www.voltdeutschland.org/bonn/programm2020
Die SPD hat am 27. August 2021 dieses Konzept veröffentlicht: https://www.spd-bonn-im-rat.de/2021/08/27/verkehrswende-fuer-bonn-besser-vernetzt-sicher-ans-ziel/
Von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN fand ich diese Übersicht: https://gruene-bonn.de/fraktion/category/politikfeld/verkehr/page/2/
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