Der Jahreswechsel verleitet immer wieder gerne zu Rückblicken auf das alte Jahr oder Vorschauen auf das neue Jahr. Auch ich blicke in Bezug zur Bonner Verkehrswende zurück und versuche ein wenig in die berühmte Kristallkugel des Jahres 2022 zu schauen.
Neue Ratsmehrheit in Bonn
Wir erinnern uns, im Herbst des Jahres 2020 wurden wir alle zur Wahlurne gerufen, damit wir einen neuen Stadtrat wählen. Und siehe da, es hat knapp gereicht, um die Mehrheitsverhältnisse im Bonner Rat so zu verändern, dass hier die Hoffnung auf eine Verkehrswende stärker wurde.
Ich berichte nicht nur von den schon erfolgten Taten, sondern auch von Reaktionen der Bonnerinnen.
Tempo 30 in Bonn
Bereits im Januar 2020, also noch unter der Jamaika-Koalition im Bonner Stadtrat, wurde auf Teilen der Reuterstraße die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 eingeführt. Das geschah meiner Meinung nach nicht aus ideologischen Gründen oder aus einer inneren Einsicht heraus, zumindest nicht bei Schwarz und Gelb. Es geschah auf Druck der Deutschen Umwelthilfe, die Klage auf Reinhaltung der Luft einreichte. In letzter Konsequenz hätte es für Bonn aufgrund eines richterlichen Urteils ein Dieselfahrverbot bedeuten können. Zur Abwendung eines folgenschweren Richterspruches präsentierte Bonn einen Luftreinhalteplan, indem unter anderem Streckenabschnitte der Reuterstraße auf Tempo 30 reduziert werden sollten.
Wie laut wurde nach der Veröffentlichung auf den Putz gehauen: „Das bringt doch nur noch mehr Stau“ oder „Dann staut sich der Verkehr bis nach Meckenheim“ waren die meist ausgerufenen Prophezeiungen.
Und heute, trotz der immer noch existierenden Kanalbaustelle: der Verkehr fließt langsam und flüssig durch die Reuterstraße, Stau gibt es schon mal im Berufsverkehr, der ist aber durch die Baustelle bedingt. Den Anwohner*innen und der Luft hat es in jedem Falle gut getan.
Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet
Tempo 30 innerhalb einer Stadt ist als sehr sinnvoll anzusehen. Es entsteht erheblich weniger Lärm und der Verkehr fließt, wie heutzutage in der Reuterstraße zu sehen ist, viel flüssiger.
Dass ein Mensch, der unter gleichen Umständen vor ein mit 30 Kmh fahrendes Auto läuft, nicht so schwer verletzt wird wie bei einem Auto mit 50 Kmh ist wohl logisch und bedarf nach meinem Dafürhalten keiner Diskussion. Auch zu einem Unfall wird es wegen der geringeren Geschwindigkeit unter Umständen gar nicht erst kommen. Auch wer in einem vernünftigen Fahrstil Tempo 30 fährt und dadurch zügiger vorankommt, wird weniger Emissionen verursachen.
Der BUND Bonn hat bereits vor zwei Jahren im Rahmen seiner über 30 Positionen zur nachhaltigen Entwicklung die Forderung nach generell Tempo 30 in der Stadt veröffentlicht.
Als im März 2021 die neue Ratsmehrheit Bonns, GRÜNE, SPD, LINKE und VOLT, die Teilnahme an der Städteinitiative Tempo 30 im Bonner Stadtgebiet ausrief, schlugen die Wellen noch höher als beim Thema Reuterstraße.
Ein absolutes Highlight ist die Petition eines 23-Jährigen und die Berichterstattung in einer Bonner Tageszeitung.
Diese berichtete über einen Menschen, der eine Online – Petition gegen grundsätzlich Tempo 30 im Bonner Stadtgebiet gestartet hatte, mit ziemlich dümmlichen Argumenten.
Weder der „junge Mann“ noch die Verfasserin des Berichtes haben sich mit dem Vorhaben beschäftigt. So ließen beide außer Acht, dass der Plan der Ratsmehrheit „Grundsätzlich Tempo 30 in Bonn“ lautet, mit der Möglichkeit, dass auf ausgesuchten Strecken schneller fahren möglich ist.
1948 von 2500 nötigen Unterzeichner*innen in Bonn sprechen nicht gerade die Sprache der Zustimmung.
Eine dreiste Provokation
Wie eine dreiste Provokation kam mir der Antrag der CDU Fraktion im Bonner Stadtrat vor, die aus der Opposition heraus in einer Ratssitzung am 8. Dezember die kostenlose Nutzung des ÖPNV an den Adventswochenenden beantragte. Gerade diese Partei, deren Ratsfrau noch die letzte Tariferhöhung bei der VRS mitverursacht hat, kann das wirklich nicht ernst gemeint haben. Wie die Grüne Fraktionsvorsitzende bemerkte, ist es das „Privileg“ der Opposition, Anträge zu stellen, ohne zu sagen, wie das finanziert werden solle.
Auf der anderen Seite stelle ich mir die Frage, warum dieses Thema nicht früher innerhalb der neuen Ratsmehrheit diskutiert wurde; es ist sicherlich eine massive Entlastung der Innenstadt, wenn gerade an den Adventswochenenden mehr Menschen mit Bus und Bahn die Innenstadt aufsuchen.
Die Kristallkugel für 2022
Dann schaue ich jetzt mal in die Zukunft und male mir aus, wie sie für Bonn aussehen könnte. Da kommt mir gleich der geplante und teilweise vereitelte Radschnellweg durch die Rheinaue in den Sinn. Ihr erinnert euch, das Schlagen einer vier Meter breiten Schneise durch den Bonner und Beueler Rheinauenpark unter dem Opfer von 44 dann nicht mehr im Wege stehenden Bäumen. Nicht nur genug, dass die Bäume fallen müssen, auch das Versiegeln dieser nicht unerheblichen Fläche ist einige Monate nach der „Jahrhundertflut“ wenig angebracht. Der Rheinauenpark ist ein Erholungspark, und darin hat ein Radschnellweg meiner Ansicht nach keine Berechtigung. Die Petition „Rheinaue Bonn: Alle Bäume und Radwege bleiben, für Entspannung statt Stress“ hat übrigens schon 3462 Stimmen aus Bonn, bei 2500 benötigten Stimmen, und 4335 insgesamt erhalten.
Wenn das Zerstören von Grünflächen und das Fällen von Bäumen Bestandteil der Verkehrswende ist, dann hat Grün, Rot, Rot und Volt wenig begriffen. Verkehrswende bedeutet für mich, dem motorisierten Individualverkehr Fläche zugunsten der Fußgänger*innen, Radfahrenden und von Bussen und Bahnen zu entziehen. So wäre für mich das Wegnehmen einer Fahrspur in der Petra‑ Kelly- und Ludwig-Erhard-Allee eine vernünftige Lösung für einen Radschnellweg. Ich werde auf dessen Nutzung verzichten, denn mein Ziel beim Radfahren ist der Weg, und der geht nun mal am Rhein vorbei. Ich kann dann noch besser „Träumen“ und „die Landschaft“ genießen. Doch wer täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt, ist mit einem solchen Radschnellweg gut bedient und benutzt ihn auch.
Gott sei dank ist das Projekt linksrheinisch ja schon von der Bezirksregierung gestoppt worden.
Und bleiben wir weiter am Rhein, so kommt mir das Rheinufer unterhalb der Bonner Innenstadt in den Sinn, welches autofrei werden soll. Stattdessen soll dort (Außen)-Gastronomie installiert werden. Ich weiß es in anderen Städten zu würdigen, in einem von Autos nicht berührten Teil des Rheinufers zu sitzen und meinen Kaffee oder ein leckeres Weizenbier ungestört zu genießen oder gar einem leckeren Menü zu frönen. Diese Maßnahme begrüße ich aufs Stärkste und wünsche mir eine schnelle Realisierung. Aber hier hat die Verwaltung ja schon ihr Veto eingelegt, denn das Ufer wird als Umleitung der Adenauerallee während der Sanierung des Koblenzer Tores benötigt. Da könnten auch noch andere Alternativen überdacht werden, wenn es gewollt wäre.
In der Kristallkugel sehe ich auch einen Busbahnhof und den gekappten City Ring. Ich wünsche mir, dass die Planung des Busbahnhofes unter Beteiligung der Bonner*innen stattfindet, denn die stehen jeden Tag dort und warten auf Bus und Bahn. Und sie müssen auf abenteuerliche Weise und über lange Wege den Umsteigevorgang erleiden.
Der gekappte City Ring ist ein weiterer Schritt zu einer autofreien Innenstadt. Parkhäuser sind reichlich vorhanden, um sperrige und schwere Gegenstände in den Geschäften der City abzuholen. Bus und Bahn werden dann auch schneller, da sie nicht durch Staus aufgehalten werden. Den Bahnhof erreichen wir vom Parkhaus Rabinstraße bequem über die neue Fußgängerbrücke, direkt auf Bahnsteig 1.
Ein ganz wichtiges Projekt bezüglich der Verkehrswende wurde noch gar nicht erwähnt, die Seilbahn. Andere Städte haben es uns gezeigt, es ist ein umweltfreundliches Massenverkehrsmittel und von Ramersdorf zum Klinikum als sehr sinnvoll einzustufen. Dass dabei die Natur soweit wie möglich geschont werden muss, ist nicht wegzudiskutieren.
Meine Bilanz
Auch wenn es zähflüssig vorangeht mit der Verkehrswende, es sind Erfolge zu sehen, und die Mehrheit der Bevölkerung scheint dahinter zu stehen. Auch wenn manche „Aktionen“ als fragwürdig einzustufen sind. So die Enthaltung der OB bei der Abstimmung über künftige Tarife des VRS, deren Folge eine weitere Fahrpreiserhöhung beim ÖPNV bedeutet.
Das Einrichten von Umweltspuren ist ja auf einigen Strecken schon beschlossene Sache, so dass der teure ÖPNV dann nicht mehr im Stau steht und auch Handwerker*innen schneller zur Kundschaft kommen. Vielleicht steigen dann mehr Autofahrer*innen auf den ÖPNV um.
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