Interview mit Mitgliedern des Klimaschutzbeirats der Bundesstadt Bonn

8. Mai 2023 | Ausgabe 3 / 2023, Interview, Nachhaltigkeit, Politik | 0 Kommentare

Der Klimaschutzbeirat Bonn

Klimaschutzbeirat


Der Klimaschutz war während der ersten Halbzeit des Bonner Rates das am meisten diskutierte und umstrittenste Politikfeld. Bei der Umsetzung der Klimafolgenanpassung stehen beispielsweise Maßnahmen der Verkehrs- und Mobilitätswende oder des Naturschutzes an vorderster Stelle. Doch deren Realisierung ist schwierig und wie wir in der Beueler und Bonner Rheinaue erfahren konnten, offenbart dies Konkurrenzen.
Die BUZ-Redaktion stellt hiermit die Arbeit des Klimaschutzbeirats als Ratgeber für Politik und Verwaltung auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bonn vor und erhielt mit den Antworten einen kleinen Auszug aus dessen Empfehlungen.

 

Der Klimaschutzbeirat der Stadt Bonn wurde 2013 gegründet und hat die Erstellung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes (IKSK) begleitet. Was wurde seither in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung von den Bonner Räten angenommen und schließlich umgesetzt?
Der Klimaschutzbeirat (KSB) ist kein Ratsgremium und arbeitet rein ehrenamtlich. Die jeweiligen Expert*innen und kundigen Bürger*innen steuern ihr Fachwissen bei und sprechen Empfehlungen aus – als Beitrag zur Beratung von Politik und Verwaltung und als Impulsgeber. Insbesondere in den letzten gut drei Jahren war dies der Fall. Der Klimaschutzbeirat hat dabei regelmäßig zu aktuellen Themen Stellungnahmen erarbeitet, die von den Parteien und dem Bonner Ausschuss für Umwelt, Klima und lokale Agenda (AUKLA) zur Kenntnis genommen worden und sicherlich auch in deren Entscheidungen eingeflossen sind. Eine detaillierte Übersicht, wie die Arbeit des KSB konkret über die Jahre umgesetzt worden ist, lässt sich zwar nicht erstellen. Der Druck aus der Bevölkerung und der Klimabewegung, aus einem Gremium wie dem Klimaschutzbeirat und der Wille der Stadtspitze wirken sicherlich zusammen – mit dem Ergebnis, dass sich Bonn auf den Weg zur klimaneutralen Stadt gemacht und nun gerade den umfassenden Klimaplan aufgestellt hat.

Wie erarbeitet der Klimaschutzbeirat seine Empfehlungen an die Bonner Räte?
Der Klimaschutzbeirat tagt viermal jährlich, in der Regel mit ein bis zwei inhaltlichen Schwerpunktthemen, zu denen vorab eine kleine Arbeitsgruppe Stellungnahmen erarbeitet. Diese werden anschließend im Beirat diskutiert und in der dann aktualisierten Fassung beschlossen.

Welche Empfehlungen haben Sie in der letzten Zeit zum Verkehrssektor und insbesondere zur Seilbahn ausgesprochen?
Der Verkehrssektor war in den letzten Jahren mehrfach ein Schwerpunktthema, wobei Stellungnahmen allerdings häufig durchaus kontrovers diskutiert werden. 2020 wurden Parkraumverknappung und -management, Radentscheid und Jobwärts-Programm sowie insbesondere der Tausendfüßler-Ausbau thematisiert, was dann möglicherweise auch Einfluss auf den kurz darauf folgenden Beschluss des Stadtrates hatte, nur einem eingeschränkten Ausbau der A565 zuzustimmen. Die Seilbahn wurde thematisiert, als im Februar 2022 ein Bürgerentscheid zu dem Projekt geplant war; der KSB hat damals der Stadtgesellschaft die Zustimmung hierzu empfohlen, weil die Seilbahn „eine wichtige und vergleichsweise kostengünstige Säule für ein verbessertes ÖPNV-Netz in Bonn darstellt“.

Welche Klimaschutzmaßnahmen befürworten Sie für die Energiewende? Stellt der Bonner Rat seinen Möglichkeiten entsprechend die richtigen zielführenden Weichen?
Welche Maßnahmen der KSB befürwortet und empfiehlt, ergibt sich am besten aus seinen Empfehlungen. Diese finden sich alle im Bonner Ratsinformationssystem ALLRIS unter www.bonn.de/klimaschutzbeirat, auch die zum aktuellen Klimaplan. Vieles davon findet sich in den aktuellen Plänen der Stadt wieder. Und es lohnt sich für alle Beteiligten sicher, in die Empfehlungen immer noch einmal einen Blick zu werfen, um zu prüfen, ob und was noch in Angriff genommen werden könnte und sollte.

Wie bewerten Sie den neuen Klimaplan 2035?
Das Ziel der Stadt Bonn, bis 2035 klimaneutral zu werden, wird vom KSB grundsätzlich sehr positiv und als sehr ambitioniertes, aber auch notwendiges Ziel bewertet, um der Klimakrise zu begegnen. Zum aktuellen sehr umfassenden Klimaplan hat der KSB am 10. Januar 2023 Stellung genommen: Der Klimaplan findet bei den Mitgliedern des KSB grundsätzlich eine breite Zustimmung. Viele der beschriebenen Maßnahmen hat er als sehr wichtig, in einigen Fällen wegweisend eingeordnet.
Weil bei einem so umfassenden Werk die notwendige Detailtiefe nicht erreicht werden kann bzw. Lücken bei der Analyse von Zielgruppen und Akteur*innen sowie bei den Maßnahmen entstehen, hat der KSB eine detailliertere inhaltliche Bewertung des Klimaplans erstellt, die natürlich in den kommenden Jahren zu aktualisieren und fortzuschreiben ist. Die Stellungnahme befasst sich mit den Themenkomplexen Governance, Gesellschaft, Wirtschaft, Gebäude und Energie sowie Mobilität und spricht zu allen Punkten weiterführende Empfehlungen aus.
Größte Probleme werden im Bereich Mobilität gesehen, da die Verkehrsplanung des Bundes zu einem so umfangreichen Aus- und Neubau von Autobahnen in Bonn mitsamt seines Umlandes erfolgt, dass damit die von der Stadt bis 2035 angestrebte Klimaneutralität nicht erreicht werden kann: „Weiter anwachsender motorisierter Verkehr ist in Bonn nicht mehr unterzubringen, weil Bonn den Rückbau des innerstädtischen, für den MIV zur Verfügung stehenden Straßennetzes braucht, um ÖPNV, Fuß- und Radverkehr ausbauen und Straßenräume für die Klimafolgenanpassung nachhaltiger gestalten zu können“. Die hier nur zum Teil zitierte umfangreichere Einschätzung und eine Liste konkreter Empfehlungen zum Klimaplan-Komplex „Mobilität“ hat der KSB mit Mehrheit beschlossen – es besteht meist, aber eben nicht immer Einigkeit unter allen Mitgliedern des KSB.

Parallel zur Erarbeitung des Klimaplans 2035 wurde ein Beteiligungsverfahren Bonn4Future durchgeführt. Bürgerinnen und Bürger haben konkrete Ideen zur Erreichung der Klimaziele beigesteuert. Sind aus Ihrer Sicht die Ergebnisse der Ideenwerkstätten ausreichend im Klimaplan verankert?
Die Ergebnisse des so beachtlichen Bonn4Future-Prozesses mit seiner Bürgerbeteiligung sind in den Klimaplan eingeflossen, und dies wird noch weiter fortgesetzt. Und eine Bürgerbeteiligung ist weiterhin eingeplant und erwünscht. Der KSB wird sich dazu weiter informieren und steht mit Bonn4Future über den Stand der Dinge im Kontakt. Wir werden überlegen und zu entscheiden haben, ob und wie wir uns als KSB bei der Umsetzung der Bonn4Future-Ergebnisse einbringen können.


Die Fragen der BUZ-Redaktion haben die folgenden KSB-Mitglieder beantwortet:
Stephan Herpertz, engagierter Bürger
Dietrich Kolk, Grüner Hahn, Beuel
Karl-Heinz Rochlitz, VCD
Susanne Walter, ParentsForFuture


Der Klimaschutzbeirat

2011 wurde der Masterplan Energiewende und Klimaschutz vom Bonner Stadtrat beschlossen. Damit wurde das Ziel festgesetzt den CO2-Ausstoß je Einwohner zum Referenzjahr 1990 drastisch zu senken.
Daraus resultierte die Gründung des
Klimaschutzbeirates (KSB) der Stadt Bonn, was Anfang 2013 in die Tat umgesetzt wurde. Im gleichen Jahr begleitete der KSB die Erstellung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes (IKSK). Seitdem diskutieren die Mitglieder des KSB auf dessen Grundlage verschiedenste Klimaschutzmaßnahmen und sprechen Empfehlungen an den Umweltausschuss aus.
Der Klimaschutzbeirat leistet als ehrenamtliches Expert*innengremium einen Beitrag zur Beratung von Politik und Verwaltung und versteht sich als Impulsgeber.

Die Mitglieder kommen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen.

Aktuell vertreten sind:

  • Verbraucherzentrale NRW
  • VDI Köln
  • Südwind e.V.
  • Uni Bonn
  • Germanwatch
  • IHK Bonn/Rhein-Sieg
  • HWK Köln
  • DEHOGA
  • Grüner Hahn
  • Kreishandwerkerschaft Bonn-Rhein-Sieg
  • Bonn im Wandel
  • Scientists for Future
  • VCD
  • Fridays for Future
  • Wissenschaftsladen Bonn
  • Parents for Future
  • SWB Energie und Wasser
  • sowie engagierte Bürger*innen.

In den KSB-Sitzungen kommen politische Gäste aus den Ratsfraktionen hinzu.
Der KSB selbst wünscht sich und begrüßt es sehr, dass die Ratsfraktionen möglichst regelmäßig präsent sind.
Diese Sitzungen sind grundsätzlich öffentlich. Nicht-Mitgliedern kann auf Beschluss des Beirats ein Rederecht eingeräumt werden.

Empfehlungen des KSB:

  • Kommentierung der Vorlage „Klimanotstand und Umsetzung Klimamaßnahmen“ (März 2020)
  • Stellungnahme des Klimaschutzbeirates zu den Maßnahmenvorschlägen „Ausbau-
  • initiative Solares Bonn, Förderprogramm Photovoltaik, Solarverpflichtung im Neubau, Klimaneutrale Stadtverwaltung 2035, Beratungs- und
  • Förderprogramm Begrünung“ der Verwaltung (August 2020)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr (September 2020)
  • Klimaschutzbeirat empfiehlt eine Aktualisierung der Planung zum Umbau der A 565 (November 2020)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Gebäude (Januar 2021)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Energie (März 2021)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu Klimafolgenanpassung (November 2021)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zur Seilbahn (Februar 2022)
  • Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu Ernährung und Landwirtschaft (Februar 2022)
  • Schiene, Straße, Schiff – Empfehlung des Klimaschutzbeirats zu
  • Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor 2.0 (Juli 2022)
  • Stellungnahme des Klimaschutzbeirates zum Bonner Klimaplan 2035 (Januar 2023)

Weitere Informationen zum Klimaschutzbeirat, seinen Aufgaben, seiner Geschäftsordnung, den aktuellen Mitgliedern sowie Protokolle und bisherige Empfehlungen finden Sie unter
www.bonn.de/klimaschutzbeirat

 

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