Die Klimakrise kommt uns nah. Sie führt mittlerweile vielerorts zu eigenverantwortlichem Handeln, um das rechte Maß für Klimaschutzmaßnahmen zu finden, Technologieoffenheit ist dabei nicht mehr das Maß aller Dinge. Ein Diskurs über Verzicht zugunsten unserer Lebensgrundlagen ist nicht mehr tabu. Diese Ausgabe stellt vor, welche Schritte derzeit begangen werden.


Ralf Wolff


Der Weg ist das Ziel. Auf welche Art und Weise wir zum Ziel Klima- und Umweltschutz kommen, darüber scheiden sich die Geister.

Klarheit über die oft unterschiedlichen Vorstellungen können Streitgespräche schaffen. Auf Seite 4 lesen Sie das Streitgespräch zwischen dem Marktspezialisten M. Arkt und der Umweltexpertin K. Lima – sie sind sich uneinig; Da stehen die Anreize des Markts gegen die Position durch staatliche Vorgaben mehr Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen.

Klimschutzengagement

Trotz politischer Stagnation und Gegenwind erlebt die Klimabewegung in Deutschland und international Erfolge, getrieben durch Digitalisierung, Social Media und Bürgeraktionen. Die Präsenz dieses überlebenswichtigen Themas bleibt stark, selbst in scheinbar müden Phasen resümiert unsere Bundesfreiwilligendienstleistende auf der Seite 5.
Ihr Artikel schließt sich direkt an den ihrer Kollegin auf der gleichen Seite über das Wirken und Bewirken von Klimagerechtigkeitsbewegungen wie den Fridays for Future und der Letzten Generation an. Deren Klimaproteste seit einigen Jahren mit gewisser Regelmäßigkeit stattfinden. Doch wie viel bewirken sie überhaupt noch? Kann eine Protestaktion wirklich klimapolitischen Einfluss haben? Unsere Bundesfreiwilligendienstleistende, selbst langjährige Klimaaktivistin, blickt zurück und zieht ein Fazit was in Bonn und unserer Region bisher erreicht wurde.
Auf Seite 7 schlägt der Artikel ‘Grüne Universität für die Weisheit des Waldes’ im brasilianischen Amazonien den Bogen in den internationalen Klimaschutz, den die hiesige Klimagerechtigkeitsbewegung gerne mit dem Appell, den Fleischkonsum zu reduzieren, verbindet. Wir stellen Ihnen das Klimaschutzengagement des Indigenen Benki Piyako, unterstützt durch das Institut Yorenka Tasorentsi, vor. Aufgelassenes übernutztes Weideland führt Piyako dem Kollektiv zurück und schöpft dabei aus dem Wissensschatz der Ashaninkas. Ohne den Regenwald überlebt die Menschheit nicht. Das agroforstliche Engagement weit entfernt im globalen Süden trägt dazu bei, dass Klimapläne/Maßnahmen im globalen
Norden überhaupt greifen können.

Klimaplan Bonn: Zieljahr 2035

Um dem 1.5-Grad-Ziel eine Chance zu geben, hat der Rat der Stadt Bonn einen Zielbeschluss zum Klimaplan 2035 gefasst. In einem Arbeitsprogramm wurden Maßnahmen der Stadtverwal tung definiert, für deren Umsetzung 50 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2023/24 eingestellt wurden. Die Förderung von Photovoltaikanlagen auf privaten und öffentlichen Gebäuden, der Umstieg auf klimafreundliche Mobilität und die schnelle Erarbeitung einer kommunalen Wärmeplanung sind wesentliche Bausteine des Klimaplans. Doch auch gegen bereits eingetretene Klimaveränderungen will Bonn sich wappnen. In einem weiteren Zielbeschluss des Rates zur Klimaanpassung geht es um Hitze, Trockenheit, Starkregen, aber auch um den Schutz von Risikogruppen wie alten und kranken Menschen. Oberbürgermeisterin Katja Dörner erläutert uns im Interview auf Seite 2 die städtischen Vorhaben für die Umsetzung des Klimaplans 2035 im Detail.

Kommunale Wärme- /Stromplanung

Eine wichtige Rolle bei der Realisierung der kommunalen Wärmeplanung spielen die Stadtwerke Bonn (SWB). Sie werden die ausgewiesenen Erweiterungen der Nah- und Fernwärmenetze konkretisieren und bauen. Dabei sollen die Wärmenetze gemäß Wärmeplanungsgesetz bis 2030 zu mindestens 30 Prozent und bis 2040 zu mindestens 80 Prozent aus regenerativen Energien gespeist werden. Insbesondere wird dafür im Rhein eine Flusswasser-Großwärmepumpenlage in Plittersdorf vorausssichtlich 2026 in Betrieb genommen werden. Im Bonner Süden und Westen sowie auf der rechten Rheinseite sollen separate Nahwärmenetze die Bonner*innen dabei unterstützen, die Vorgaben des Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Gebäudenenergiegesetzes zu erfüllen. Nach welchem neue Heizkessel mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden müssen (s. Kasten Seite 3). In unserem Interview mit den Stadtwerken Bonn auf Seite 3 erfahren Sie zudem weiteres über die Pläne der SWB zur regenerativen Stromerzeugung auf unserem Stadtgebiet im Einspeisungebiet Bonn-Netz.
Unser Kolumnist Jürgen berät Sie auf Seite 6, wie Sie mit dem eigenen Solarkraftwerk auf dem Balkon oder auf Ihrem Dach den Ausstieg aus der Braunkohlenutzung beschleunigen können. Die Stadt Bonn möchte den Aufbau einer ehrenamtlichen Solarberatung unterstützen und greift damit eine Initiative von Parents for Future auf, erfuhr unsere Redakteurin aus einer Informationsveranstaltung zur geplanten Solarberater*innen-Schulung (s. Seite 4). Dieses niederschwellige Beratungsangebot würden sicher auf reges Interesse stoßen. Ebenfalls blickt unser Kolumnist hoffnungsvoll auf den Haselingsberg zwischen Pech und dem Bad Godesberger Stadtteil Heiderhof als Standtort für eine Windkraftanlage. Zwei bis drei Windräder könnten dort Strom für circa 13.000 Haushalte erzeugen.
Diese Fläche ist im Regionalplanentwurf für Windkraftstandorte enthalten. Ihr Potential wird gerade von der Regionalplanung der Bezirksregierung Köln geprüft. Um hier kein Konfliktpotential in der Region Bonn/Rhein-Sieg zu schaffen, sollte die Stadt Bonn die regionalplanerischen Vorgaben abwarten, so der Landschaftsarchitekt AKNW Achim Baumgarter für den BUND auf Seite 12.

Klimaschutz – no Future?

Die Natur wird sich dem Klimawandel anpassen – mit oder ohne uns. Wir sind die einzigen Lebewesen, die es vermögen, sich selbst abzuschaffen. So verspielen wir die Chancen auf Teilhabe, sorgt sich unser Autor in seinem Zwischenruf (Seite 6). In Anbetracht der durch die Erdüberlastung ausgelösten Naturdynamik zulasten unserer Lebensgrundlagen ist es notwendig den drohenden Kipppunkten/Szenarien engagiert entgegen zu wirken.
Konkrete Klima- und Umweltschutzprojekte sind in der Stadtgesellschaft peu à peu konkret erlebbar. Das Titelfoto zeigt eine Situation intensiven Austauschs von Workshop-Teilnehmern über Übersetzung des Schwammstadtkonzepts auf die Schutzbelange in ihrem Wohnumfeld. Seit 2019 erhalten die Vilich Müldorfer und die Stadtgesellschaft Impulse für einen aktiven Klimaschutz auf Klimatagen an der Mühlenbachhalle. Am 17. März wird der mittlerweile siebte Klimatag stattfinden. Alle Interessierten aus Vilich-Müldorf und Umgebung sind herzlich willkommen.

Nein zum Ausbau der Brennelementefabrik in Lingen
– keine Geschäfte mit Rosatom! –


Herbert Hoting (AntiAtomBonn e. V. )


Trotz Abschaltung aller AKWs in Deutschland: Die Produktion von Brennelementen in Lingen/Emsland durch die Firma ANF geht unvermindert weiter. Im März 2022 beantragte ANF zudem eine Produktionserweiterung, um auch Brennelemente russischer Bauart herstellen zu können. Zukünftig sollen damit AKW in Osteuropa versorgt werden. Dazu wurde bereits im Vorfeld eine Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom geschlossen, womit der Kreml direkten Zugriff auf die hiesige nukleare Infrastruktur bekäme.
Das Pikante: in den Antragsunterlagen, die dem niedersächsischen Umweltministerium als Genehmigungsbehörde vorliegen, wird Rosatom nicht erwähnt, auch nicht, dass Mitarbeiter von Rosatom direkt bei der Produktion vor Ort mitarbeiten werden. Die dringend erforderliche Ausweitung der EU-Sanktionen auf den Nuklearsektor wird dadurch ausgehebelt. Zudem: Der AKW-Zubau wird gerade damit in Osteuropa massiv gefördert, die Zahl der Atomtransporte deutlich erhöht und die Unfallgefahr gesteigert. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung hält das Ministerium trotzdem für nicht erforderlich.
Die Anti-AKW-Initiative ausgestrahlt e.V. hat in einer Sammeleinwendung alle Argumente gegen den Produktionsausbau und den Rosatom-Deal zusammengetragen und ruft dazu auf, sie massenhaft zu unterschreiben, herunterzuladen unter: www.ausgestrahlt.de/Lingen
Leider läuft die Frist am 3. März 2024 ab. Kurzentschlossene schicken ihre unterschriebene Einwendung deshalb bitte direkt an: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Archivstraße 2, 30169 Hannover. Bezug: Ref42-40311/06/12/23/40-0003-006

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