Eine neue Visitenkarte für die Stadt Bonn

28. Dezember 2022 | Jürgen Huber, Nachhaltigkeit, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Projekt Bahnhofsvorplatz – Raus aus der Endlosschleife?


Susanna Allmis-Hiergeist


Seit Jahrzehnten wird zwischen Bürgern, Parteien und Verwaltung über eine Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und ein integriertes Paket aus verkehrstechnischen und städtebaulichen Maßnahmen diskutiert. Gemeinsame Ziele gibt es genug: eine funktionierende Drehscheibe für Fahrgäste von Bahnen und Bussen, eine aufgelockerte und freundliche Bebauung und einen Bahnhofsvorplatz, der die Lust auf einen Besuch der nahe gelegenen Innenstadt weckt. Diese verschiedenen Anliegen gleichzeitig zu bedienen scheint jedoch keine leichte Aufgabe zu sein. Wir stellen in den nachfolgenden Beiträgen den aktuellen Sachstand vor.

Haupteingang Bonn HBF © Jürgen Huber

Fangen wir mit den Erfolgsmeldungen an. Anfang Juli konnte Stadtbaurat Wingenfeld ankündigen, dass der neue Architektenentwurf für die heutige Südüberbauung (künftig Maximiliancenter) nun besser den Vorgaben des städtebaulichen Wettbewerbs entspreche und damit genehmigungsfähig sei. Eine Hürde von vielen, aber keine unwichtige.
Zur Erinnerung: Schon der Abriss des nach dem Krieg verbliebenen historischen Gebäudebestands im Zuge des Stadtbahnbaus wurde kontrovers diskutiert; noch breiter war die Ablehnung für die bis in das Jahr 2004 konzipierte durchgängige Bebauung von der Thomas- Mann-Straße bis zum heutigen zentralen Busbahnhof (ZOB), der nach diesem Plan nur noch in Linienaufstellung möglich gewesen wäre. Das Vorhaben wurde bald darauf durch ein Bürgerbegehren gestoppt; in einer anschließenden Bürgerwerkstatt haben die Beteiligten aus mehr als 400 Einzelbeiträgen Ziele für ein neues Gesamtkonzept und einen städtebaulichen Wettbewerb formuliert. Erhalt des ZOB und Verkehrsberuhigung, Abriss bzw. Rückbau der ungeliebten Südüberbauung, größerer Abstand der Gebäudefronten zum denkmalgeschützten Bahnhof und ein attraktiver Bahnhofsvorplatz waren Schwerpunkte der gemeinsam erarbeiteten Rahmenbedingungen.

Mit dem Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs bekamen diese Forderungen ein lebendiges Gesicht: eine leicht trapezförmige Öffnung der unteren Poststraße soll in Richtung Münsterplatz ein ansprechendes, durch vielfältige, auch kulturelle Aktionen bespielbares Entrée bilden, südlich und nördlich der Poststraße eine aufgelockerte gemischt genutzte Bebauung entstehen – ein wichtiger Meilenstein hin zu einer urbaneren Empfangssituation der Besucher der Bonner Innenstadt ist erreicht.

Unterbrochener City Ring  Bild: Jürgen Huber

Bevor jedoch das neue bauliche Ensemble um den Bahnhof konkretisiert werden kann, musste ein tragfähiges Verkehrskonzept entwickelt werden. Heute zwängen sich durch das Nadelöhr vor dem Bahnhof Busse, Straßenbahnen, Fahrradfahrer und der private Autoverkehr. Im neuen Entwurf soll der öffentliche Verkehr mit zwei Spuren Vorrang haben, es soll einen eigenen Zweirichtungs-Radweg geben, und eine vierte Spur bliebe den Autofahrern vorbehalten. Der deutlich konsequentere Ansatz im „Rundum gut“-Konzept der Bonner Initiativen ADFC, BUB, BUND und VCD, bei dem der City-Ring am Bahnhof ganz für den motorisierten Individualverkehr unterbrochen worden wäre, wird demnach zur Zeit nicht weiterverfolgt.
Dafür sind in der Umgebung des Bahnhofs eine Reihe verkehrsdrosselnder Maßnahmen – so genannte Streckenwiderstände – wie die Sperrung der Stockenstraße und der Maximilianstraße bis zum Kaiserplatz vorgesehen. Hierdurch soll insbesondere der Transitverkehr von Süd nach Nord auf alternative Routen gelenkt werden. Auch die Veränderung der Ampelphasen zugunsten der Fußgänger kann den gewünschten Effekt unterstützen. In Simulationen wurde durch dieses Maßnahmenbündel eine Verringerung des Individualverkehrs von 60% in den Vormittagsstunden und von 40% am Nachmittag errechnet.

Der Busbahnhof 2022; gefährlich und wenig ansprechend! Bild: Jürgen Huber

Wie aber wird sich der Zentrale Busbahnhof (ZOB) künftig in das neue Konzept einfügen? In der zur Zeit von der Ratsmehrheit favorisierten Alternative würde der ZOB zu einer verkleinerten Version, südlich an das neue Maximiliancenter angrenzend, umgestaltet. Eine abgesetzte Station vor dem Hauptbahnhof soll die rechtsrheinischen 500er- Linien, sowie SB 55 und die 640 bedienen, in der Annahme, dass die Passagiere aus dieser Richtung schwerpunktmäßig die City besuchen oder in Zug oder U-Bahn umsteigen wollen. Die Haltepunkte der Straßenbahnen werden dagegen etwas näher an den ZOB heranrücken. Für den Abhol- und Bringverkehr zum Bahnhof wird in einem neuen Parkhaus neben Gleis 1 ein „Kiss- and Ride“- Areal für Kurzparker eingerichtet, in dem auch Stellplätze für die Taxifahrer reserviert sind, die im neuen Konzept nicht mehr vor dem Eingang des Bahnhofs werden halten können. Kann man also resümierend sagen, dass sich das Projekt Bahnhofsvorplatz tatsächlich aus seiner Endlosschleife aus Planung und Protest herauslöst?

Einige wichtige Weichenstellungen haben die kommunal Verantwortlichen vorgenommen, aber es gibt unbefriedigende bzw. ungelöste Punkte:
• Wieso soll beispielsweise für den neuen Busbahnhof auch noch eine weitere Alternative unter Beibehaltung der Südüberbauung von der Verwaltung durchgeplant werden? Traut der Rat dem gepriesenen Investor am Ende doch nicht zu, das Projekt auf den Weg zu bringen?
• Wie lässt sich eigentlich der Lieferverkehr für das neue Maximiliancenter organisieren? Ihn in den Betriebszeiten des ÖPNV auch noch über den ohnehin räumlich verkleinerten ZOB abzuwickeln, würde auch nach Ansicht des SWB kaum machbar sein.
• Mit Vorsicht zu beurteilen: Das Konzept zur Verkehrsberuhigung geht in seiner jetzigen Form nur dann auf, wenn sich die PKW-Fahrenden im Durchgangsverkehr tatsächlich als lernfähig erweisen, den
Bahnhofsbereich meiden und die Ersatzwege halbwegs störungsfrei laufen, was bei der auch heute schon relativ hohen Belastung des Bonner Straßennetzes nicht immer gewährleistet sein dürfte. Alles deutet mehr auf eine Art Probebetrieb hin, der sich an den Ergebnissen der Praxis gemessen noch wird weiterentwickeln muss.
• Ein ganz wichtiger Punkt ist der barrierefreie Zugang Quantiusstraße/DB-Bahnsteige/ ZOB/Innenstadt (heute als Rampe realisiert) weiterhin im Konzept abgebildet? Zu erkennen ist das jedenfalls nicht.
• Und last-but-not-least: Im Gespräch mit dem Stadtplanungsamt wurde das jetzige Konzept für uns bedeutend plastischer, viele Fragen zum weiteren Vorgehen wurden geklärt, nur das Thema Zeitplan für die bauliche Realisierung ließ sich aufgrund der komplexen gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Projektbausteine und Mitspieler nicht weiter konkretisieren. Das spricht nicht gerade für eine schnelle Änderung der heutigen Situation.

Immerhin soll sich Oberbürgermeister Jürgen Nimpsch vor seiner Wahl für eine vollständige Unterbrechung des City-Rings vor dem Hauptbahnhof für den Autoverkehr ausgesprochen haben. Dies könnte tatsächlich noch einmal frischen Wind in das Projekt Bahnhofsvorplatz bringen.


Jürgen Huber


Im Jahre 2022

Zwölf Jahre nach diesem recht hoffnungsvollen Bericht hat sich einiges vor dem Bonner Hauptbahnhof geändert. Eine massive Bebauung gegenüber des Hauptbahnhofes lässt den Bonn-Besuchenden erst einmal buchstäblich gegen die Wand laufen. Natürlich nur, wenn er nicht vorher mit einem Taxi kollidiert ist, denn die gibt es immer noch vor dem Hauptbahnhof..
Ein Bahnhofsvorplatz ist nicht vorhanden, alles wurde bebaut.
Als positive Nachricht gilt, dass der City Ring vor dem Hauptbahnhof unterbrochen ist. Poller zwingen hartnäckig die Beschilderung ignorierende Autofahrende dazu, umzukehren. Jedoch kann der ortskundige Autofahrende durch die Südunterführung den Hauptbahnhof erreichen. Die dann in gelb gehaltene Markierung wird dabei fast immer ignoriert.
Das neue Parkhaus am Hauptbahnhof ist gut für Autofahrende zu erreichen. Vom Parkhaus geht es barrierefrei und unbehelligt vom Autoverkehr zu den Bahnsteigen.

Kiss & Ride Parkplätze sind mir nicht bekannt! Aber wenn jemand zum Bahnhof gebracht wird, könnte zum Ausladen des Gepäckes die Karenzzeit ausreichen, dieses kostenlos zu tun. Und wer seine Liebste etwas intensiver verabschieden möchte, dem sollten es die zwei Euro Parkgebühren Wert sein.

Dafür sind 180 „Bike & Ride“ Plätze im Parkhaus am Hauptbahnhof vorhanden. Hier stehen Räder trocken und sicher.

Der Busbahnhof hat nichts von seiner Unschönheit verloren. Die Gefahren für Busfahrende sind noch angestiegen, da jetzt viel mehr Gelenkbusse im Einsatz sind. Die Planungen scheinen im Gange zu sein, die Information der Öffentlichkeit lässt auf sich warten.

 

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