Keine Zeit für Bioplastik

1. November 2019 | Ökologie, Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Neue Lösung, neue Probleme

Ein kurzer Einblick in die bedenkliche Herstellung und die Entsorgungsprobleme eines besonderen Kunststoffs, der eigentlich nachhaltig sein sollte.

Ingo Heseler

In Eisdielen gibt es im Sommer das Eis häufig nicht mehr im Pappbecher, sondern im Bioplastikbecher mit Bioplastiklöffel. Auch die mobilen Wasserwagen der Stadtwerke Bonn (SWB) geben ihr kostenloses Wasser teils in Bioplastikbechern an durstige Passanten aus. Und in Bars werden zum Cocktail gerne ein oder eher sogar zwei Bioplastikstrohhalme gereicht. „Unser Beitrag für die Umwelt!“ So oder ähnlich lauten dazu oft die werbewirksamen Beistellsätze.

Ein Begriff, mehrere Bedeutungen

Der Begriff Bioplastik (auch Biokunststoff) ist die Kurzform sowohl für biobasiertes als auch für biologisch abbaubares Plastik. „Biobasiert“ besagt, dass der Kunststoff nicht aus Mineralöl gewonnen wurde, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen. „Biologisch abbaubar“ bedeutet, dass er im Vergleich zu herkömmlichem Kunststoff innerhalb kürzerer Zeit verrotten kann. Bioplastik kann also für zwei unterschiedliche Aspekte stehen, die beide zwar Hand in Hand gehen können, aber nicht müssen. Eine eindeutige Definition steckt nicht hinter dem Begriff.

Demnach deutet die Vorsilbe Bio nicht auf einen umweltschonenden Anbau der Ursprungsstoffe oder unbedenkliche Entsorgungsmöglichkeiten hin. Doch es gibt noch ein weiteres Phänomen: Bioplastik spricht mit seinem Namen das Umweltgewissen vieler Verbraucher*innen an. Es wähnt sie in der Annahme, es sei die Erfindung, mit der sich die Menschheit endlich aus ihrem Plastik-Schlamassel hinauskompostieren könne. Aber gerade weil es als unkompliziert umweltfreundlich verstanden wird, bedient es am Naturschutz vorbei viel mehr unsere Wegwerfkultur.

Plastik aus Nahrungsmittel-Rohstoffen

Rohstoffe für biobasierten Kunststoff sind vorwiegend Mais, Reis oder Zuckerrohr. Milchsäurebakterien fermentieren die darin enthaltenen Bestandteile Zucker und Stärke, und es entsteht Polymilchsäure (PLA). Mit ihr als Ausgangsstoff können Gegenstände verschiedener Farben, Formen, Härte und Haltbarkeit gebildet werden, also Verpackungen, Behälter, Besteck und mehr.

Der Rohstoffanbau kann problematisch sein. Importierter Mais aus Amerika ist überwiegend genmanipuliert. Aber auch Zuckerrohr und Reis werden nur in seltenen Fällen biozertifiziert angebaut und auch kaum in Deutschland. Der Anbau belastet Boden und Natur. Abgesehen davon ist es bedenklich, wenn Nahrungsmittel ihren Zweck nicht erfüllen und anderweitig verwendet werden.

Bioplastik verschärft prekäre Landnutzung

Sollte die Produktion von Bioplastik ansteigen, so hätte dies einen erheblichen Effekt auf die ohnehin schon angespannte Landnutzung. Dieser Zusammenhang wurde 2018 an der Universität Bonn erforscht. Für weiteres Ackerland würden weltweit wahrscheinlich noch mehr (Regen-)Wälder gerodet. Auf den gerodeten Flächen könnte jedoch deutlich weniger CO2 gebunden werden als nach dem Verlust der Wälder ausgeglichen werden müsste. Mais, Reis und Zuckerrohr bieten bei Weitem nicht die notwendige Biomasse.

Es ginge auch anders

Bioplastik könnte ebenso aus pflanzlichen Abfällen gewonnen werden. Das wäre gut für die Klimabilanz. Allerdings werden derartige Methoden bislang kaum umgesetzt.

Laut EU-Regelung muss biologisch abbaubares Plastik innerhalb von zwölf Wochen zu 90 Prozent verrotten. Es zerfällt bei über 60 °C und feuchter Umgebung überwiegend zu Wasser und CO2. In deutschen Kompostierungsanlagen werde aber nur Kompostierzeiten von vier bis acht Wochen eingehalten, berichtete die WirtschaftsWoche im Mai. Eine größere Zeitspanne sei unwirtschaftlich, so die Anlagenbetreibenden. Damit wird Bioplastik zum Störfaktor: Durch den unvollständigen Abbau bleiben Reste im Kompost zurück, welche nicht mehr weiter verrotten können und auf den Äckern landen.

Bioplastik wird aufwändig aussortiert und verbrannt

Deshalb werden bereits zu Beginn sämtliche Kunststoffsorten unter erheblichem Aufwand aus dem Biomüll entfernt und anschließend der Verbrennung zugeführt, der so genannten thermischen Verwertung. Das Umweltbundesamt rät, biobasiertes Plastik über die Gelbe Tonne zu entsorgen. Doch auch dann warten nur seine Aussortierung und die thermische Verwertung.

Es würde ansonsten den gewollten Kunststoffkreislauf unterlaufen, da es die chemische Qualität recycelter Produkte vermindert. Nur ein sortenreines Recycling kann einen Nutzen schaffen. Aber mit einem Anteil von nur rund einem Prozent in den Wertstoffsortieranlagen rentiert sich eine Wiederverwertung von biobasiertem Plastik wirtschaftlich vorerst nicht. Immerhin, die SWB führen ihre Wasserwagen- Einwegbecher nach eigenen Angaben dem sortenreinen PLA-Recycling zu.

Politisch will Deutschland erreichen, Plastik und Plastikverpackungen zu vermeiden. Der nachlässige Umgang mit Biokunststoffen konterkariert dies bisher. Und ihr ökologischer Schaden ist in der Gesamtbetrachtung derzeit vergleichbar mit dem klassischer Kunststoffe.

Dieser Artikel erschien in der BUZ-Ausgabe November/Dezember 2019.

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