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1. November 2017 | Nachhaltigkeit, Gesellschaft | 0 Kommentare

Nachhaltige Stadtentwicklung – Was Bonn von Kopenhagen lernen kann

Bonn und Kopenhagen haben eine Gemeinsamkeit: beide Städte sind oder waren Veranstalter einer UN-Klimakonferenz, doch anders als Bonn nimmt Kopenhagen in Sachen nachhaltiger und effizienter Stadtentwicklung eine Vorreiterrolle ein.

Malte Krämer

Kopenhagen hat es sich zum Ziel gesetzt bis 2025 die erste klimaneutrale Metropole der Welt zu sein. Ein ehrgeiziges Vorhaben, dessen Erfolg noch nicht garantiert ist; aber ein Segen für alle Städte, die nachziehen wollen, da es mit Kopenhagen nun ein nachahmenswertes Vorbild gibt. Daher ist es lohnend den Blick nach Kopenhagen zu richten und die Frage zu stellen, was sich Bonn und andere deutsche Städte abschauen können.

Nachhaltige Stadtentwicklung seit Ende des 2. Weltkriegs

Kopenhagen hat eine lange Geschichte im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung, die direkt nach dem 2. Weltkrieg ihren Anfang und mit dem ausgetragenen UN-Klimagipfel im Jahre 2009 ihren vorzeitigen Höhepunkt fand. Daher steckt das Kopenhagener Nachhaltigkeitskonzept nicht mehr in den Kinderschuhen wie das vieler deutscher Städte.

Attraktive Stadtplanung umfasst ein breites Spektrum an Aufgabenfeldern wie Wohnungsbau, Mobilität, Grünplanung, Nutzungsstrategien und vieles mehr. Dabei ist ebenfalls auf einen gewissen Grad an Effizienz zu achten um die Wirtschaftlichkeit von Projekten zu bewahren. Durch effiziente Gestaltung und Nutzungsstrategien lassen sich bestehende Systeme verbessern.

Dies beginnt bei Kleinprojekten wie das in Kopenhagen ins Leben gerufene Urban Bees Project, welches auf ungenutzten Flachdächern öffentlicher Gebäude Bienenkästen installiert, um für die urbane Flora und Fauna zu sorgen, und führt bis hin zu komplett anders gestalteten Mobilitätsstrukturen wie beispielsweise der Anordnung von Fahrrad-, Gehweg- und Parkstreifen.

Diese sind in Kopenhagen grundsätzlich anders angeordnet als in den meisten deutschen Städten: Der Radweg liegt durchgehend zwischen Gehweg und Parkstreifen. Dies sorgt für mehr Sicherheit der Fahrradfahrer und ist damit ein kleines aber wichtiges Puzzleteil, um die Bürger zu überzeugen auf das Fahrrad umzusatteln, was Kopenhagen sehr erfolgreich geschafft hat: 45% der Kopenhagener bewältigen ihren Weg zur Arbeit oder der Schule mittlerweile mit dem Fahrrad, während sich Bonn als Ziel für 2020 lediglich 25% vorgenommen hat!

Cleveres ÖPNV-Netz

Dies liegt auch an dem gut durchdachten Netz öffentlichen Nahverkehrs und den davor angebrachten Fahrradständern. Während in Bonn rund um dem Hauptbahnhof jede mögliche Stelle mit Fahrrädern zugestellt ist, werden in Kopenhagen – genau wie in Amsterdam, einer weiteren bekannten Fahrradstadt – Doppelstockparker verwendet. Diese ermöglichen eine weitere Parkreihe überhalb der normalen Parkreihe.

Zudem sind die örtlichen S-Bahnen gut darauf ausgerichtet Fahrräder mitzutransportieren. Diese kleinen Änderungen haben den Fahrradboom in Kopenhagen allerdings nicht allein ausgelöst. Dahinter stehen auch ausgiebige Investitionen in die Infrastruktur, die stark auf den Radverkehr ausgerichtet ist.

Räumliche Trennung für mehr Sicherheit

So wurden an stark befahrenen Routen zahlreiche Fahrradbrücken errichtet, die den Radverkehr sowohl vom Auto- als auch Fußgängerverkehr trennen. Aufgrund der zahlreichen Kanäle im Kopenhagener Stadtgebiet hatte die Umstellung dort selbstverständlich eine höhere Dringlichkeit.

Daneben gibt es jedoch auch Beispiele von Brücken, wie der berühmten Cykelslangen, die teilweise über Fußgängerzonen führen. Durch die Trennung des Radverkehrs von den restlichen Verkehrsteilnehmenden sollen sowohl Fußgänger als auch Fahrradfahrer geschützt werden.

Der ÖPNV als Hauptverkehrsmittel

Neben dem Rad spielt wie bereits erwähnt der öffentliche Nahverkehr eine entscheidende Rolle. Er ist durch ein gut überlegtes Netz, welches Querwegungen ermöglicht, zum Hauptverkehrsmittel geworden. Ein häufiges Problem von innerstädtischen Bahnverbindungen ist die zerschneidende Wirkung der Gleise. Dadurch werden Nachbarschaften zerschnitten und die wenigen Bahnübergänge sind Hotspots von Staus.

Selbstverständlich ist es möglich die Gleise unterirdisch zu verlegen, jedoch scheitert dieses Vorhaben oft an den Kosten. Bei dem Bau des neuen Stadtviertels Ørestad hat Kopenhagen eine alternative Lösung angewendet: Um auch die Bewohner Ørestads an das öffentliche Nahverkehrsystem anzubinden, wurden die Gleise der S-Bahn auf Brücken errichtet. Dadurch wird der restliche Verkehr nicht beeinträchtigt und die zerschneidende Wirkung der Gleise minimiert.

Um problematische Ecken, die oft unter Brücken entstehen, zu verhindern, wurde die Fläche unter den Brücken als Kanal gestaltet. Heute liegt direkt neben den Gleisen ein beliebtes Wohnviertel und die Kanäle sind Treffpunkt von Bewohnern und Beschäftigten aus Ørestad.

Neue Ideen für verwaiste Fabrikhallen

Ein weiterer Aspekt einer effizienten Stadtentwicklung ist der Umgang mit Verwaisungen. Oftmals sind davon Industrie- oder Gewerbegebiete betroffen. Die Entwicklung einer Nutzungsstrategie kann einen teuren Abriss und Neubau verhindern.

Dazu gibt es in Kopenhagen einige hervorragende Beispiele: So zeigen die Øksnehallen und die umliegenden Gebäude wie Umnutzung funktionieren kann. Die ersten Bauten des ca. 5000 Quadratmeter großen Geländes entstanden bereits 1901 und fanden bis in die 1960er Jahre als Viehauktionshallen oder Schlachtereien Verwendung. Im Laufe der Jahre wuchs Kopenhagen um das Gelände herum und ein schwieriges Viertel mit Kriminalität, Verfall und Prostitution entstand.

Heutzutage bilden die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude das kulturelle Zentrum des Stadtteils Kødbyen. Die Øksnehallen dienen als Messegelände für Mode, Design oder Kunst und die umliegenden Gebäude werden hauptsächlich von Künstlern, Cafés oder Restaurants angemietet. Der historische Charakter des Geländes blieb erhalten.

Die Umnutzung der Bauwerke zeigt, dass eine große innenstadtnahe Fläche mit strukturell problematischen Voraussetzungen effektiv nutzbar ist und kleinen Unternehmen und Künstlern Platz bietet. Die Øksnehallen erfreuen sich nun großer Beliebtheit sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen.

Weitere Beispiele von Umnutzung bieten zahlreiche Kasernen- und Verteidigungsgelände innerhalb und außerhalb von Kopenhagen. Diese Gelände wurden teilweise erhalten und dort innerstädtische Parks angelegt. Dadurch entstanden großzügige Grünflächen in Gebieten, die zuvor für die Bevölkerung nicht zugänglich waren. Man hat die Chance des freiwerdenden Raums genutzt, Grünflächen geschaffen und eine dichte Bebauung verhindert.

Die Möglichkeiten in einer gewachsenen Stadt im Nachhinein großzügige Parks anzulegen, sind sehr beschränkt; umso wichtiger ist es, diese zu erkennen und konsequent umzusetzen.

Mehr als einen Zweck

Auch Doppelnutzungen zählen zu einer effektiven Form von Stadtplanung. Gelten in Deutschland Friedhöfe als Ort der Andacht und Stille, werden in Kopenhagen einige neben ihrer Nutzung als letzte Ruhestätte ebenfalls als Parkanlage verwendet. Unter der historischen Kulisse der Gräber werden die Parks als Spazierpfad, Picknickstelle oder Joggingstrecke genutzt. Sogar Radfahrern ist es teilweise erlaubt, über Friedhöfe zu fahren. Um ein kulturelles Angebot zu bieten, wurden alte Kapellen zu Kulturhäusern umfunktioniert. Die Kopenhager nehmen dieses Modell der Doppelnutzung an und es erfreut sich hoher Beliebtheit. Hierdurch kann der in Städten sowieso knappe Grünraum die Naherholungsfläche erweitern.

Letztlich fragt sich, warum Bonn nicht den Schwung einer UN-Klimakonferenz nutzt und so wie Kopenhagen endlich einen nachhaltigen Weg der Stadtentwicklung einschlägt. Es gibt mittlerweile hunderte Klein- und Großprojekte in Kopenhagen von denen man lernen kann. Bonn könnte die Klimakonferenz 2017 als Startschuss nehmen und Vorreiter deutscher Nachhaltigkeit werden – vielleicht mit einem Auge auf Kopenhagen, vielleicht aber auch auf seine ganz eigene Art.

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