„Bauen mit Holz“ – woran denkt man da? Überwiegend wohl an Gartenlauben oder an billige amerikanische Wohnhäuser, die es anscheinend mit jedem Sturm zu Tausenden davonfegt. Aber Holz kann viel mehr. Allen Vorurteilen zum Trotz ist der natürliche Rohstoff zu einer großen Hoffnung geworden, wenn es um nachhaltiges Bauen geht.
In Deutschland wird ein Einfamilienhaus heute in den meisten Fällen mit Porenbetonsteinen oder Hochlochtonsteinen hochgemauert und mit Geschossdecken aus Stahlbeton versehen. Im Geschosswohnungsbau und bei Büroimmobilien, die den Großteil der Neubauten in unseren Städten ausmachen, sind die vollständige Errichtung in Beton mit vereinzelten Mauerwerkswänden und Trockenbaukonstruktionen im Inneren der Standard. Großbauten wie das gerade entstehende Hochhaus nahe der Bonner Reuterbrücke („Neuer Kanzlerplatz“) werden oft als Stahlbetonskelettbau errichtet, ein „Gerippe“, dem dann Fassadenelemente vorgehängt werden.
Schon ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt, dass es auch anders geht. Der Anteil der Bauvorhaben, deren Tragkonstruktionen überwiegend in Holz errichtet werden, liegt dort bei etwa 50 Prozent – in Deutschland besteht nur ungefähr jedes fünfte neue Haus aus Holz. Dabei kann Holz im Bausektor eine umweltschonende Alternative sein. Es ist ein nachwachsender Rohstoff, ist in den Mittel- und Hochgebirgslagen beinahe flächendeckend verfügbar und im Hinblick auf den Umbau sowie die Weiternutzung nach dem Rückbau eines Gebäudes deutlich flexibler als Stahlbeton. Vor allem aber hilft der Holzbau dabei, die CO2-Emmissionen, die bei der Herstellung von Stahl und Zement, dem globalen Transport dieser Stoffe sowie dem Bauen mit ihnen entstehen, zu vermindern.
Die Macht der Gewohnheit
Die Forschung hat diese Zusammenhänge erst in den letzten Jahren verstärkt herausgestellt. In die hiesige Baupraxis sind diese Einsichten allerdings noch nicht endgültig durchgesickert. Woher rührt diese scheinbare Resistenz gegen wissenschaftliche Erkenntnisse? Liegt es an den fehlenden Besteuerungen anderer Baustoffe auf deren Umweltwirkung, die Holz konkurrenzfähiger machen könnten? Ist Holz einfach zu teuer? Vielleicht macht sich hier aber auch schlicht die Macht der Gewohnheit bemerkbar. Bezeichnend ist zumindest, dass der Verfasser bei der Suche nach einer Antwort festgestellt hat, dass Massivholzbauteile in einer professionellen kostenpflichtigen Baupreisdatenbank, die den jeweils aktuellen Stand der Technik darzustellen verspricht, gar nicht enthalten sind.
Selbst ohne genaue Statistiken zur Hand zu haben, kann man erkennen, dass Holz als Baustoff dennoch vermehrt nachgefragt wird. Das liegt allerdings nicht am Bau von Dachstühlen, die seit jeher ein Einsatzgebiet des Baustoffes Holz sind. Sattel- und Pultdächer sind etwa seit dem Jahr 2000 auf dem Rückzug, sowohl beim Einfamilienhaus auf der „grünen Wiese“ als auch beim Investorenprojekt in der Innenstadt. Die Aussichten auf Rendite aus den besonders hochpreisig zu vermarktenden Penthäusern und auf lichtdurchflutete Schlafzimmer unter dem Flachdach des Einfamilienhauses scheinen einfach zu verlockend zu sein.
Unbemerkt – sogar von fachkundigen Augen – hat der Holzbau hinter den Fassaden Einzug gehalten und ist salonfähig geworden. Schon lange sind Rahmenkonstruktionen, die mit beliebigen Dämmmaterialien gefüllt werden, vor allem im seriellen Fertighaussektor der Standard. Diese Gebäude etablierten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Massenprodukte und wurden durch eine Marktoffensive der von findigen Zimmerleuten entwickelten Branche in den 1980er Jahren vom Image des Billigbauens befreit. Im Gegensatz zu den bis dato üblichen Wänden aus Mauerwerk fehlte diesen Gebäuden allerdings spürbar die Materialmasse, um Schwankungen der Witterung abzupuffern.
Innovative Bau- und Fertigungsverfahren
Viele weitere Möglichkeiten für die Verwendung von Holz sind seitdem dazugekommen. Gebäude bestehen im Wesentlichen aus Wand, Decken- bzw. Dachelementen, für die unterschiedliche Materialien genutzt werden können. Vielfach kommen Hybridlösungen zum Einsatz, wenn zum Beispiel um einen Stahlbetonkern mit Treppenhaus und Aufzug eine Holzskelettkonstruktion ausgeführt wird. Sogar bei den einzelnen Bauelementen gibt es Hybride. So werden Geschossdecken vermehrt als sogenannte Verbundkonstruktionen mit seriell vorgefertigten Holzteilen und einem damit nach Montage am Bestimmungsort vergossenen Anteil an Stahlbeton errichtet. Hierdurch wird zumindest im Kern wieder thermische Masse in die Gebäude gebracht.
Eine bisher eher kostenintensive Alternative zur Stahlbetongeschossdecke bildet die sogenannte Brettstapeldecke, eine Schichtung von Balken zu einer Massivdecke. Wie bei traditionellen Blockhütten kann auch der Wandaufbau so geplant werden. Man spricht dann von Vollholzelementen, die mittels traditioneller Verbindungstechniken der Zimmerleute ohne Klebekomponenten auskommen und dementsprechend schadstoffarm sind. Dank dem inzwischen möglichen hohen Grad an industrieller Vorfertigung und der Optimierung der Herstellungstechniken durch computergesteuerte Fräsen und Robotik lassen sich selbst individuelle Entwürfe in diesen Konstruktionsweisen zunehmend kosteneffizient umsetzen.
Diese steigende Handhabbarkeit moderner Holzbauweisen und das wachsende Bewusstsein um die Notwendigkeit eines ökologischen Bauens lassen Holz zu einem Hoffnungsträger werden. Gerade bei öffentlichen Gebäuden, wie im Bildungsbereich, wird die Verwendung von Holz den Entwerfenden vielfach vorgegeben. Auch bei Quartiersentwicklungen – heutzutage stellenweise durch kommunale Stadtentwicklungsgesellschaften gesteuert, wie es zukünftig auch in Bonn geschehen soll – gibt es manchmal Mindestanforderungen, welcher Anteil an Gebäuden in Holz errichtet werden soll. So geschieht das zum Beispiel in München, das sich vorgenommen hat, im Holzbau international führend zu werden. Auf dem Areal der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne ist dort vor wenigen Monaten Deutschlands größte Wohnsiedlung aus Holz fertiggestellt worden. Gestalterisch gibt es hier allerdings noch Luft nach oben.
Lokale Kreisläufe sind gefragt
Wenn bisher von Massivbau die Rede ist, dann sind damit Beton und Mauerwerk gemeint. Zukünftig sollte hier mehr Offenheit in der Materialwahl bestehen. Die oben erläuterten bauphysikalischen Vorteile, welche das massive Bauen mit sich bringt, können auch in Holz oder gar Lehm erbracht werden. Gegenüber dem meist mehrschaligen Aufbau der Gebäudehülle beim herkömmlichen
Massivbau mit einer tragenden Schicht und dann häufig darauf verklebten Dämm- und Witterungsschutzschichten, kann ein homogener Fassadenaufbau aus Holz bei ähnlichen Gesamtwandstärken alle Anforderungen, die an eine Gebäudehülle heutzutage gestellt werden, bedienen. Er dämmt gegen Wärmeverlust, schirmt gegen sommerliche Hitze ab, stellt einen Temperatur- und Feuchtigkeitspuffer dar und bietet so aus sich heraus ein als angenehm empfundenes Raumklima. Lediglich eine dünne Witterungsschutzschicht durch eine Holzschalung oder Ähnliches wird bei mehrgeschossigen Gebäuden nach wie vor benötigt.
Wenn es mit dem Holzbau vorangehen soll, dann müssen sich allerdings auch die Produktionsstrukturen der Fertigteilbranche verändern. Die Unternehmen haben sich oft in den Mittelgebirgen etabliert. Das Resultat sind weite Transportwege bis zu den Einbauorten auf den Baustellen der Großstädte. Lässt sich dem vielleicht durch kleinteiligere und dezentralere Produktionsformen entgegenwirken, beispielsweise mit mobilen Fertigungsanlagen, damit Rohstoffquellen nah am Ort der Endbestimmung angezapft werden können? Man kann sich in diesem Zusammenhang durchaus fragen, was eigentlich mit dem Holz aus dem Kottenforst geschieht. Bietet der Holzmassivbau mit seinen geringeren statischen Anforderungen an das einzelne Stück Schnittholz, den einzelnen Balken, die einzelne Latte, sogar eine Möglichkeit, die Hölzer, welche wegen Schädlingsbefall heute zu Schleuderpreisen exportiert werden, lokal im Bausektor zu verwenden? Fragen, die es mit Blick auf die Klimaziele der Stadt Bonn zum Beispiel mit der Durchführung von kleineren Versuchsbauten in den nächsten Jahren zu klären gilt.
Wer heute bauen möchte und dabei nicht die normalen Wege gehen will, sollte sich kritisch mit der Palette an möglichen Konstruktionstechniken auseinandersetzen. Die Frage, die es sich selbst, den Planenden und dem Handwerk dabei immer wieder zu stellen lohnt, ist: Geht da nicht auch was in Holz?
Erschienen in der BUZ 2_21
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