Bildung fördert Umweltbewußtsein


Dr. Manfred Fuhrich


„Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir!“ – so sagt man. Echt jetzt? Ich habe das anders in Erinnerung. Gut, nun das ist schon lange her. Man kann nur hoffen, dass der Schulunterricht und die Lehrplaninhalte jetzt anders sind als früher. Was habe ich alles Unnützes gelernt: die mengenmäßige Ausfuhr von Kokosnüssen aus Brasilien, der Gebrauch des Rechenschiebers, die Todesumstände von Wallenstein, die Reiseroute von Hannibal über die Alpen.
Wer das weiß, ist der „gebildet“?
Wenn ich über die Alpen nach Italien fahre, dann denke ich an Hannibal und erfreue mich, wie bequem es mit der Bahn heutzutage ist. Trotz alledem. Hannibal hatte bestimmt mehr Verspätung. Was nicht in den Geschichtsbüchern stand, ist das Schicksal seiner geschundenen Leute. Überhaupt erfuhr man im Geschichtsunterricht vorrangig von den Heldentaten großer Führer, die exakten Jahreszahlen von Schlachten und Krönungen. Bodenschätze wurden „ausgebeutet“ und begründeten unseren Lebensstil. Schulbildung für das Leben?

Bildung ist mehr als nur Wissen

Foto: Manfred Fuihrich

Was lernen die Schüler*innen heute, was davon ist in einigen Jahren unwichtig? Heute sind die Schüler*innen mit einer Flut von Informationen konfrontiert. Bildung ist nicht nur eine qualitative Herausforderung, sondern zunehmend auch eine Quantitative – trotz oder wegen der neuen Technologien. Die Wissensbasis vergrößert sich exponentiell. Wie soll das dauerhaft Eingang in die jungen Köpfe finden? Muss es denn überhaupt, wenn doch globales Wissen vielerorts virtuell gespeichert und jederzeit abrufbar ist? Bildet die scheinbare Wahrheit, die ChatGPT uns vorformuliert anbietet, tatsächlich die Wirklichkeit ab? Wie man es nutzt, das wäre der eigentliche Bildungsauftrag – aber dies nicht allein.
Wir müssen auch lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen, „Fake-news“ zu erkennen und uns aus zuverlässigen Quellen eine eigene Meinung zu bilden. Erinnert sei an den Werbespruch einer großen Boulevardzeitung“ BILD dir deine Meinung“. Ausgerechnet die Bildzeitung! Es geht noch schlimmer, wenn in den sozialen Medien jeder wirre Verschwörungstheorien und seinen persönlichen Shitstorm rauslassen kann. Was ist überhaupt Bildung? Doch wohl mehr als die Sammlung allumfassender Informationen.

Knigge für die Umwelt

Und was beinhaltet Bildung hinsichtlich der Herausforderungen des Klimawandels? In früheren Zeiten gehörte zu einer guten Bildung selbstverständlich auch gutes Benehmen. Knigge war der Maßstab zwischenmenschlicher Begegnung und war so selbstverständlich wie heute das Erlernen von Verkehrsregeln in der Fahrschule.
Aus zahlreichen Publikationen können wir einen „Knigge für die Umwelt“ erfahren. Doch auch das scheint schnell im Alltag vergessen zu werden. Älteren Menschen im Bus einen Sitzplatz anzubieten, scheint noch zumutbar, und auch die Tür für nachfolgende Personen freundlich aufzuhalten. Doch welche Türen schlagen wir immer wieder zu, wenn es um Freundlichkeit und Respekt gegenüber der Umwelt geht. Welchen Platz räumen wir der Umwelt in unserem Lebensstil ein. Nachhaltige Entwicklung ist nicht nur eine ungewohnte Anstrengung für Wirtschaftsunternehmen und für die große Politik, sondern auch für unser alltägliches Verhalten.

Fortschritte durch Aufklärung

Der Umgang mit Informationen und Positionen ist für uns alle eine besondere Herausforderung. Häufig wird nicht erkennbar, was auf Daten basiert oder Ausdruck persönlicher Meinungen ist. Abgesehen von der unfassbaren Selbstzufriedenheit notorischer Leugner des Klimawandels, erreichen uns auch widersprüchliche Ergebnisse wissenschaftlicher Studien. Auf solche seriösen Studien müssen wir uns eigentlich verlassen können. Eigentlich. Doch weiterführende Recherchen lassen erkennen, dass auch hinter manchen Forschungsergebnissen handfeste Interessen einzelner, aber einflussreicher Wirtschaftsverbände und Konzerne wirken. Atomkraft wird als klimafreundlich postuliert! Alarmiert müssen wir sein, wenn ein Milliardär seinen monetären Reichtum nutzt, um Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs nimmt; nun auch in Deutschland, auch zu Lasten der Umwelt.

Rückschritte zu befürchten

Hinsichtlich einer klimafreundlichen Politik ist zu befürchten, dass Fortschritte im Kampf um den Klimawandel verloren gehen. Umso unverständlicher die Nachricht, dass ein Viertel der Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung gekürzt werden sollen. Sachliche Aufklärung hilft gegen ideologische Verführung.

Dringlichkeit von Sofortmaßnahmen

Die Dringlichkeit von Sofortmaßnahmen wird zunehmend relativiert mit dem Argument „es muss erstmal erwirtschaftet werden, was wir ausgeben können“. Dieses Argument ist beliebt bei Wirtschaftsliberalen, hat sich in der Kritik gegenüber den „Sozialausgaben“ als „K.O.-Argument“ behauptet. Immer mehr wird es auch als Argument gegen mehr Maßnahmen hinsichtlich des Klimawandels eingesetzt. Wider besseres Wissen. Schon längst geht es nicht um technischen Klimaschutz, vielmehr um Zukunftssicherung, also um die Sicherung unserer Zukunft und die unserer Kinder.

Bildung gegen ein „Weiter-so“

Zu hoffen ist, dass immer mehr Menschen zu der Erkenntnis gelangen, dass ein „Weiter-so“ für uns Menschen gefährlich ist. Die „Grenzen des Wachstums“ sind bereits vor über 50 Jahren erkannt worden. Die Hoffnung liegt in unserer Jugend, sie werden in der Zukunft leben müssen. Der inzwischen betagte Spruch „Wir haben die Zukunft nur von unseren Kindern geborgt“ ist weiterhin überzeugend. Investitionen in die Zukunft, insbesondere in Infrastruktur, Schule und Forschung müssen oberste Priorität haben. Bildung im umfassenden Sinne ist der Schlüssel zu mehr Fortschritten für ein menschenverträgliches Klima, für eine nachhaltige Entwicklung. Alles andere ist dumm. Der polnische Philosoph Stanislaw J. Lec hat mal formuliert: „Dummheit überschreitet keine Grenzen – überall ist ihr Territorium.“ Gegen Dummheit hilft nur Bildung. Wir müssen das Territorium zurückgewinnen.

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