Demokratie, Erwerbsmigration und Umweltbewegungen
Dr. Andreas Spaeth
Zurück aus Ex-Jugoslawien im November 2024, diesmal aus Slowenien und Kroatien fragte mich das BUZ-Team nach meinen Einschätzungen zur dortigen Demokratie und Umweltbewegung. In Bosnien, Serbien und Kosovo habe ich zwischen 2003 und 2013 gearbeitet und war immer begeistert von hochkompetenten Kolleginnen und den vielen guten politischen Gesprächen. Der jugoslawische Vielvölkerstaat förderte multiethnisches Zusammenleben und Frauen in Führungspositionen. In postkommunistischen Zeiten sind nach mehreren Bürgerkriegen und der ethnisch begründeten Aufteilung in Kleinstaaten häufig autoritäre Regierungen an der Macht gewesen. Das bedeutete für meine KollegInnen, die z.B. in den 80ern als Serbin in Bosnien oder als Montenegrinerin in Belgrad aufgewachsen waren, einen großen Umbruch in ihrem Leben. Ihr Geschichtsverständnis war, dass die USA unter Reagan die Zerstörung des sozialistischen Modellstaates Jugoslawiens durch einen Wirtschaftskrieg mit verursacht haben. Nach mehr als 30 Jahren „ Demokratie statt Sozialismus “ ist Ex- Jugoslawien und der ganze Westbalkan von autoritären und für Populismus anfälligen Kleinstaaten geprägt. Slowenien ist derzeitig die Ausnahme. Die frühere gemeinsame Wirtschaft und die Infrastruktur sind entkoppelt oder zerstört. Die Staaten sind unterwandert von Geldwäsche, Korruption und Menschenhandel. Der durchaus starke Widerstand gegen die autoritären Regime und deren umweltzerstörerische Projekte wird immer wieder durch die Staatsmacht und nationalistische Schlägerbanden gebrochen.
Die Wirkungen der Erwerbsmigration in den Westbalkanländern
Die Erwerbsmigration aufgrund der wenigen Perspektiven für Jugendliche hinterlässt fast verlassene Regionen und eine perspektivlose überalterte Restgesellschaft, die sich kaum für Demokratiebewegungen begeistern lässt. Südserbien und Kosovo sind seit Jahrzehnten Gebiete mit besonders starker Abwanderung nach Westeuropa gewesen. Der Wegfall von wichtigen Industriearbeitsplätzen insb. in der Automobil- und Textilindustrie nach dem Zerfall Jugoslawiens bedingte eine hohe Arbeitslosigkeit. Die von mir besuchten Dörfer und Kleinstädte bestehen nun überwiegend aus Rentnern sowie aus alleinerziehenden Müttern, deren Männer in Erwerbsmigration arbeiten. Restriktionen in den Zielländern für Erwerbsmigration und wachsende Ressentiments z.B. in Österreich und Schweiz haben bisher wenig Auswirkungen auf den Wunsch und die Notwendigkeit im Ausland zu arbeiten gehabt. Die auf Ex- Jugoslawien insb. auf Muslime, Roma und Sinti ausgerichtete deutsche Asylrechtsänderung 1993 („sichere Herkunftsländer“ im Balkan) reduzierte die Chancen auf dauerhaften Aufenthalt und Familiennachzug in die BRD. Die „ Westbalkanregelung“ von 2016 für Bosnien, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo und Nordmazedonien erlaubt kontingentierte Erwerbsmigration in Berufe insb. in Gesundheit und Pflege, die die lokalen Gesundheitssysteme stark beeinträchtigen. Zudem ist die Ausbildung z.B. von Ärzten und KrankenpflegerInnen für die Staaten teuer, den Nutzen haben aber andere Länder. Auch die schlechte Relation Erwerbsbevölkerung zu Rentnern, der hohe Bevölkerungsschwund und Arbeitskräftemangel durch Migration belasten die Wirtschaftssysteme dieser Länder. In einer Stadt im nördlichen Kroatien konnte ich im November 2024 beobachten, dass Nepalesinnen bereits in Berufen wie der Gastronomie diese Lücken füllen und hochwillkommen waren.
Umweltbewegungen gegen naturzerstörende Projekte
Staudämme und Bergbauprojekte werden oft von ausländischen (westlichen wie chinesischen) Konzernen in Südosteuropa finanziert, gebaut und betrieben. Inzwischen gibt es in fast allen Ländern aber insb. in Bosnien und Herzegowina sowie Serbien Widerstand dagegen. Das Lithiumprojekt mit hohem Wasser- und Flächenverbrauch, Vertreibungen sowie toxischem Abraum im Jadartal in West -Serbien wurde bereits einmal aus politischen Gründen verworfen ist nun aber wieder vor seiner Umsetzung. Unverständlich bleibt die EU- und deutsche Unterstützung dafür, da der britische Konzern der das Projekt durchführt, durch eine Vielzahl von weltweiten Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Der serbische Autokrat Vucic kämpft gerade gegen Studentenproteste und das bietet eine neue Chance der Verhinderung dieses Projektes. Mediales Interesse in der BRD fanden auch die Staudammprojekte am Oberlauf des noch immer wilden Fluss Neretva in Bosnien. Auch die Save-Sümpfe in Ostkroatien mit ihrer sehr diversen und einmaligen Tier- und Vogelwelt sollen wasserbaulich durch Schiffbarmachung und Kraftwerke zerstört werden.
Wasserrechte in der Verfassung Sloweniens
Einen interessanten Fall für eine erfolgreiche zivilgesellschaftliche Initiative ist die Aufnahme von Wasserechten in die slowenische Verfassung, mit der die Privatisierung der Wasserwirtschaft verhindert wird. Ausgangspunkt war die Privatisierung und Übernahme zweier Brauereien durch einen niederländischen Braukonzern, der damit auch die Wasserversorgung der Hauptstadt und einer weiteren Stadt übernahm. Per Volksentscheid wurde Wasser in die Verfassung aufgenommen. Der zwischenzeitlich regierende autoritäre Präsident Jansa wollte die Zurücknahme durchsetzen. Dieser Versuch scheiterte und nach seiner Abwahl ist in Slowenien Wasser in den Verfassungsrang als öffentliches Gut fest verankert, und damit Wasser als Spekulationsobjekt verhindert. Ich danke Julia Liebermann für ihren interessanten Vortrag hierzu in Darmstadt im Dezember 2024.
Zum Weiter-Lesen und -Sehen:
https://taz.de/Pressefreiheit-in-Serbien/!6056998/
https://www.ardmediathek.de/video/br-story/der-wildfluss-neretva-ein-naturparadies-in-gefahr
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/lithium-vorkommen-in-serbien-was-wird-uns-bleiben
https://v2.balkanrivers.net/de/schwerpunktgebiete/die-save
https://www.schader-stiftung.de/fileadmin/user_upload/Praesentation_Julia_Liebermann.pdf
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