Nostalgie und Aktuell – Städtelärmranking 2011 und der Bonner Lärmaktionsplan 2023

21. Oktober 2023 | Nachhaltigkeit, Nostalgie, Susanna Allmis-Hiergeist, Umwelt | 0 Kommentare

Spitze beim Straßenlärm

Die Bürger*innen „Beteiligung zur Lärmaktionsplanung der 4. Runde“ steht an. Die Bonner*innen sind aufgerufen, bis zum 08.11.2023 können Sie folgende Vorschläge machen:
– Auf einer Karte Stellen markieren, an denen Sie die Umsetzung einer Maßnahme zum Lärmschutz vorschlagen
– Ihre Vorschläge zur Lärmreduzierung in Bonn machen
-Maßnahmen darstellen, die die Stadt Bonn ergreifen könnte, um das Bewusstsein für Lärmschutz zu erhöhen und das Verhalten im Alltag zu   ändern?
Das können Sie Online als auch persönlich tun, hier der Link. https://bonn-macht-mit.de/beteiligungen/beteiligung-zum-larmaktionsplan-der-4-runde
Aufgrund dieser Meldung ist jemand ins staubige Archiv heruntergestiegen und hat einen Artikel aus der BUZ 6/2011 herausgesucht, der sich damals sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Hier noch einmal zum Nachlesen:

Artikel aus der BUZ 6/2011

Nicht um jede Spitzenposition sollte man sich wirklich reißen. Das gilt zumindest für den 4. Platz, den die Stadt Bonn im Städ­telärmranking 2011 des Fraunhofer Instituts für Bauphysik belegt. Dabei ist dieses Ergebnis nicht wirklich überraschend. Die von der EU vorgeschriebenen Lärmkartierungen weisen die Problemzonen in Bonn deutlich aus. Ein darauf aufsetzender kom­munaler Lärmaktionsplan (LAP) soll helfen, die wichtigsten Brennpunkte der Stadt zu entschärfen.


Susanna Allmis-Hiergeist


Beispiel Eisenbahnverkehr  Foto: Susanna Allmis-Hiergest

Den einen treibt das Geräusch einer Mücke in den Wahnsinn, andere sitzen im Rockkon­zert neben der Bassbox und fühlen sich pudel­wohl. Keine Frage: die Lärmsensibilität hat eine individuelle Komponente. Aber ebenso klar ist: ab einem bestimmten Geräuschpegel macht Lärm krank.
60% der Bevölkerung bundesweit fühlen sich durch Lärm belästigt, Verkehrslärm ist die am häufigsten genannte Ursache. Eine dauerhafte Lärmbelästigung führt zu Stressreaktionen wie erhöhtem Puls und Blutdruck und steigert somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies gilt insbesondere für Lärm in den Nacht­stunden, denn das Ohr als „Nachtwächter“ kann man anders als die übrigen Sinnesorgane nicht abschalten.

 

 

Die Bonner Lärmkartierung

Beispiel Schwerlastverkehr. Foto: Jürgen Huber

Dass Bonn mit seinen die Stadt einschnü­renden Autobahnen, der B 9 und den beidseits des Rheins verlaufenden Eisenbahntrassen ein Lärmproblem hat, wird spätestens mit der von der EU initiierten strategischen Lärmkartierung für die 27 deutschen Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern auch amtlich doku­mentiert. Auf geographischen Karten weisen verschieden-farbige Markierungen entlang der Straßen und Gleise auf die Höhe der Lärminten­sität im jeweiligen Bereich hin. Was dabei kon­trovers diskutiert wird: Die Lärmpegel werden für die Verkehrsarten getrennt erfasst und nicht überlagert, die Pegelwerte sind berechnet und nicht tatsächlich gemessen und zudem gibt es keine EU-verbindlichen Auslösewerte, bei de­nen eine Lärmaktionsplanung durchgeführt wer­den muss.

 

Alarmierende Ergebnisse

Beispiel Fluglärm Foto: Jürgen Huber

Im Lärmakti­onsplan für die Stadt Bonn wurden auf der Basis obiger Grenzwerte die Lärmbrenn­punkte und die Zahl der darin betroffenen Personen ermittelt. Die Ergebnisse sind alarmierend. Rund 5% der Bonner Bür­ger sind in den Nachtstunden einem Stra­ßenlärmpegel ausgesetzt, der den obigen Grenzwert überschreitet, hinzu kommen knapp 3%, die vom Zugverkehr, teilwei­se sogar deutlich oberhalb dieses Pegel­wertes, beschallt werden. Senkt man die Straßenlärmschwelle auf un­gemütliche 55 dB(A), sind 25% der Be­völkerung, beim Bahnlärm rund 20% be­troffen. Von Fluglärm betroffen ist übrigens in Bonn theoretisch so gut wie niemand, einfach schon deshalb, weil in den vom Land NRW erstellten Lärmkarten für den Flughafen Köln/ Bonn kein erheblicher Lärm für das Stadtgebiet Bonn ausgewiesen ist. Das hört sich im Garten sitzend manchmal anders an, die alten Propellermaschinen aus Hangelar sind keine reine Wonne.

Das Fraunhofergutachten und der Platz 4

Diese Bahnen verfügen ebenfalls über einen beachtlichen Lärmpegel Bild: Jürgen Huber

Parallel zum Lärmaktionsplan ist das jüngst veröffentlichte Städtelärmranking des Fraun­hofer-Institutes für Bauphysik entstanden. Es verwendet die gleichen Basisdaten, summiert jedoch die Lärmpegel bereits ab 55 dB(A), überlagert sie und errechnet daraus nicht den betroffenen Bevölkerungsanteil, sondern die anteilig verlärmte Stadtfläche. Danach sind rund 58% des Bonner Stadtgebietes mit min­destens 55dB(A) beschallt, nur übertroffen von Nürnberg mit 61%, Frankfurt mit 66% und von dem Spitzenreiter Hannover mit 69%. Auf den ersten Blick mag die Flächenbetrachtung nicht ganz zu überzeugen, aber in jedem Fall kann sie hilfreich sein, für das Thema zu sensibilisieren, das Naherholungspotential auszuloten und die urbanen Entwicklungsmöglichkeiten unserer Stadt zu beleuchten.

 

Lärmbrennpunkte und Maßnahmen

Auch Schiffe lärmen © Foto Jürgen Huber

Zurück zum Bonner Lärmaktionsplan. Nach der einleitenden Statistik über betroffene Bür­ger ist eine seiner wichtigen Aufgaben, die Lärmbrennpunkte im kommunalen Bereich konkret zu benennen: für die Autobahnen sind die Anwohner der A565 in Höhe der Anschluss­stellen Poppelsdorf und weiter von Bonn-Beu­el Nord bis zum Autobahndreieck Bonn-Beuel besonders hart betroffen. Viele Abschnitte der B9 und die Reuterstrasse sind ebenfalls geplagt, und die im städtischen Kernbereich fast durch­gängig bebauten Eisenbahntrassen stellen mit ihren Spitzenlärmpegeln sogar die nächtlich am stärksten verlärmten Areale dar. Ein Maß­nahmenplan zur Eindämmung der Belästigung ist also dringend erforderlich.
Die Stadt Bonn setzt hier vorrangig auf ak­tive Vorkehrungen wie Verkehrslenkung, Ge­schwindigkeitsreduzierung und Umsteuerung auf den ÖPNV.

 

Erst wenn diese Mittel ausge­reizt sind, sollen passive Maßnahmen wie z.B. Schallschutzfenster oder lärmmindernde As­phaltoberflächen zum Zuge kommen.Das Pro­blem: ein großer Teil der störenden Lärmquellen kann gar nicht in Eigenregie der Stadt angegan­gen werden, denn die Autobahnen verantwortet der Landesbetrieb Straßenbau, das Schienennetz die Deutsche Bahn AG. Hier kann und muss sich die Kommune jedoch als Koordinatorin und Vermittlerin zwischen dem jeweiligen Ver­kehrsträger und den Interessen der Bürger dieser Stadt engagieren.

Den Worten folgen Taten?

In Bonn wird der Lärmaktionsplan sowie die verpflichtend vorgegebene Bürgerbeteiligung von einem Planungsbüro aus Aachen begleitet. Über 700 Stellungnahmen in Sachen Lärm sind bei der Stadt eingegangen, die nun in tabella­rischen Übersichten dem LAP beigefügt sind. In einer Diskussion zum Thema im Umwelt­ausschuss wurde darauf gedrungen, dass die beratenden Gutachter die Brennpunkte stärker unter die Lupe nehmen und für diese konkrete Aktionen vorschlagen. Im Dezember soll dann mit diesen Ergänzungen eine Beschlussfassung im Rat herbei geführt werden. Der Haken: zum Zeitpunkt der Ratsentscheidung gibt es noch keine Kostenübersichten, und die spätere Um­setzung der Maßnahmen aus dem LAP soll laut Vorlage nur „im Rahmen der finanziellen Mög­lichkeiten“ erfolgen.
Eigentlich ist diese Einschränkung eine Bin­senweisheit, denkt man. Doch halt, immerhin hat die Stadt selbst bei schwieriger Haushalts­lage noch gewisse finanzielle Spielräume, wie die vielen Baustellen im Stadtgebiet nicht im­mer nur vergnüglich vor Augen führen. In wel­che Kanäle und Projekte die verfügbaren Mittel prioritär gesteuert werden, darüber sollten die Bonner Bürger im Rahmen der Haushaltsbera­tungen und bei der weiteren Detaillierung des Lärmaktionsplanes verstärkt mitreden.

 

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