Meinung zu Wahlprogrammen: Neutrales Klima und einfache Tarife

11. September 2020 | Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Die Rollen von Klima und ÖPNV im Wahlkampf

Jede der fünf großen politischen Vertretungen – weil der Bürgerbund Bonn laut seinem Aktionsprogramm keine Partei, sondern ein Verein ist, muss ich mich dieses Konstrukts bedienen – spricht in den eigenen Wahlprogrammen von Klima und Verkehr. Das ist schon mal erfreulich. Anhand der beiden Prüfsteine Klimaneutralität und Tarifsystem stelle ich Ihnen hier die Absichten der Parteien und Vereine zusammen. Am Ende verbinde ich die einzelnen Forderungen und Maßnahmen dann noch mit meiner Meinung.

Tobias Landwehr

Wenn Sie sich bereits mit den Programmen der am 13. September in Bonn zur Wahl stehenden Parteien und Vereine beschäftigt haben, dann sind Ihnen sicherlich die Unterschiede aufgefallen; erstmal rein optisch. Grüne und FDP kommen mit durchgestylten, textlastigen, über 100-seitigen Abhandlungen daher. SPD und CDU haben sich da weniger Aufwand gemacht. Sie haben ihre Bulletpoints sortiert und mit einem farbigen Deckblatt versehen. Bis auf die zahlreichen Stockbilder gefällt mir das Aktionsprogramm vom BBB am besten. Text-Bild-Verhältnis passt, einfach strukturiert, anschaulich zusammengestellt. So viel zur Oberfläche.

Wäre ich eine Partei oder ein politischer Verein, würde ich meine wichtigsten Forderungen an den Anfang meines Programms stellen. Das wären meine Aufmacher. Damit würde ich mich und damit sollen Sie sich als meine Wählerinnen und Wähler am ehesten identifizieren. Schauen wir also mal, an welchen Stellen Klima und Verkehr in den Programmen vorkommen.

Der BBB sagt „JA zu Klima und Umwelt“ und „JA zum fließenden Verkehr“ an fünfter und sechster Stelle in seinem „Aktionsprogramm für Bonn“. Im „Programm zur Kommunalwahl 2020 der Bonner SPD“ sind im sechsten Kapitel „Bonn geht als Klimastadt voran – mit konsequenten Maßnahmen hin zur Klimaneutralität und einer bezahlbaren Verkehrswende!“ Die beiden Prüfsteine zusammengefasst. Die CDU spricht in ihren „kommunalpolitischen Forderungen und Maßnahmen“ – ohne Inhaltsverzeichnis und warum manchmal das Wort „und“ ab und zu das Zeichen für und „&“ verwendet wird, erschließt sich mir nicht – an zweiter Stelle von „Verkehr & Mobilität“ und an neunter Stelle von „Umwelt und Nachhaltigkeit“. Die Grünen steigen direkt mit den beiden Kapiteln in ihre hundertseitige Abhandlung ein: „Bonn Grund gestalten: Klima und Umwelt schützen“ ist das zwölfseitige erste Kapitel mit elf Unterüberschriften. Das zweite Kapitel „Bonn bewegen: Mobilitätswende umsetzen“ kommt immerhin noch auf zehn Seiten mit sechs Unterpunkten. Und damit nehmen diese beiden Themen mehr Platz in Anspruch, als das gesamte Wahlprogramm der CDU. Die FDP teilt ihr 100-seitiges Konvolut farbenfroh in drei Bereiche ein. Wir finden Verkehr an dritter Stelle des ersten Abschnitts „für ein funktionierendes Bonn“. Die Umwelt kommt als letztes im Kapitel „für ein l(i)lebenswertes Bonn“ dran.

Aber nun genug der Oberflächlichkeit. Lassen Sie uns in die Forderungen und Maßnahmen der einzelnen Programme eintauchen. Wir fangen an mit …

Klimaneutralität in den Wahlprogrammen

Bei der FDP ist Susanne Heinrichs meine Ansprechpartnerin für das Thema Umwelt. Sehr nette Idee. Falls ich Fragen habe, steht da auch gleich ihre Mail-Adresse. „Bonn wird klimaneutral“ ist gleich die erste Überschrift in diesem Abschnitt. Der erste Satz darunter ist „Wir Freien Demokraten bekennen uns zu dem Ziel, dass Bonn bis 2035 klimaneutral sein wird.“ Das wollen sie erreichen mit Maßnahmen wie die städtischen Kläranlagen bündeln, Schulen und Kitas energetisch sanieren, Thermografiebefliegungen für „Wärmebilder eines jeden Gebäudes“ durchführen, für Neubauten aus Holz einsetzen, Bewegungsmelder für die Beleuchtung im öffentlichen Raum installieren oder Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden ausbauen.

Die Grünen wollen Bonn bereits in 2030 klimaneutral machen. So steht es jedenfalls in der Einleitung des Kapitels. Im Text, eine Seite weiter, rudern sie dann schon zurück: „Wir GRÜNE wollen bis 2030 die Stadtverwaltung Bonn klimaneutral gestalten, die Stadt in ihrer Gesamtheit soll bis 2035 klimaneutral werden.“ Die Treibhausgasemissionen der städtischen Einrichtungen sollen bis 2025 halbiert und die der Stadt um ein Drittel reduziert werden. In ihrem Programm beschreiben die Grünen anfangs eher allgemeine politische Prozesse für das Erreichen dieser „ambitionierten“ Ziele. Das Wort Maßnahmen kann ich zu Beginn oft lesen, muss mir Konkretes allerdings dann umständlich heraussuchen: Solaranlagen auf Dächer installieren, Bonner Energie Agentur finanziell besser ausstatten, Freiflächen erhalten und neu schaffen, versiegelte Flächen entsiegeln, klimaresilienten Stadtumbau umsetzen, motorisierten Individualverkehr reduzieren, überregionale Klärschlammverbrennungsanlage bauen, Luftqualität umfassend und transparent messen. Zum Teil zahlen diese Maßnahmen nicht ausschließlich auf das Erreichen des Ziels Klimaneutralität ein, sondern sollen „auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten.“ Für die Grünen ist klar: „Klimaschutz und Klimaanpassung sind Querschnittsaufgaben, die alle Lebensbereiche betreffen und umfassen.“

Auch für den BBB ist sicher: „Das Klima wird sich weiter erwärmen und die Klimakrise wird auch an Bonn nicht spurlos vorbeigehen.“ Im Programm steht zwar nichts von Klimaneutralität und den damit verbundenen Zielen. Aber wie die Grünen, fordert der BBB den Erhalt und Ausbau von Kaltluftbildungs- und Regenversickerungsflächen sowie die kooperative Lösung der Klärschlammentsorgung mit den angrenzenden Kreisen und Städten.

Die SPD ist „fest entschlossen, bis 2035 in einem klimaneutralen Bonn zu leben.“ Sie wollen dazu Grün- und Freiflächen erhalten und weiterentwickeln, urbanes Gärtnern unterstützen, alternative Parkmöglichkeiten schaffen, Energiekonzepte für Neu- und Bestandsbauten optimieren, Emissionen kompensieren, Luftqualität kontrollieren, Repair Cafés ausbauen, Hochwasserschutz verbessern.

Ziel der CDU „ist es, dass die Bundesstadt Bonn bis 2035 klimaneutral ist […].“ Dieses Ziel wollen sie mit diesen Maßnahmen erreichen: Fördermöglichkeiten für energieeffizientes und klimaangepasstes Bauen ausbauen, Umweltbildung fördern und ausbauen, mit der SWB auf 100 Prozent regenerative Energien und emissionsfreie Busse umsteigen, die Bonner Energie Agentur weiter unterstützen, Müllverwertungsanlage weiterentwickeln, innerstädtische Grünflächen pflegen, erhalten und schützen, jährlich 1.000 neue Bäume pflanzen, Kläranlagen weiterentwickeln, städtische Gebäude energetisch sanieren, Bäche und Gewässer renaturieren, Straßenbeleuchtung auf LED umstellen.

Tarifsysteme in den Wahlprogrammen

Die Ziele der CDU unter dem Punkt „Verkehr & Mobilität“ sind mit Verkehrsemission senken, Verkehr reduzieren, E-Auto-Ladestationen ausbauen und Fahrradinfrastruktur ausbauen zwar lobenswert. Allerdings finde ich in den Maßnahmen leider nichts dazu, die Tarife des ÖPNV zu vereinfachen. Die CDU will den ÖPNV attraktiver machen. Damit meinen sie aber Klimaanlagen, WLAN und Sauberkeit. Eine Taktverdichtung stellt die CDU bis 2023 in Aussicht. Vorher seien die bestellten Bahnen nicht da.

Bei der SPD ist zu den Kosten beim ÖPNV schon mehr zu finden. Sie sprechen von einem „[… kostengünstigen] Angebot für Busse und Bahnen des Öffentlichen Nahverkehrs […].“ Auch sie wollen die Taktung erhöhen, die Netze ausbauen und den ÖPNV attraktiver machen. Darüber hinaus fordern sie: Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre fahren im Stadtgebiet kostenlos, Seniorinnen und Senioren fahren zu verkehrsarmen Zeiten und am Wochenende vergünstigt, ein vereinfachtes, transparentes und kostengünstiges Ticketsystem einführen, Preissenkungen einfordern, langfristig die Nutzung aller alternativen Mobilitätsmodelle über Steuern und Fördermittel finanzieren, Ticketautomaten müssen EC- und kreditkartenfähig sein.

Der BBB fordert, den ÖPNV überall dort zu fördern, „wo dies aus Umweltgründen und wirtschaftlich sinnvoll ist.“ Anders als die CDU und ähnlich zur SPD sprechen auch sie sich für keine weiteren Preiserhöhungen und eine vereinfachte Tarifstruktur aus. Als Beispiel führt der BBB das 365-Euro-Ticket an.

Für Verkehr ist bei der FDP Frank Thomas mein Ansprechpartner. Für einen starken ÖPNV setzen auch sie auf ein einfaches Tarifsystem: Kurzstreckentickets auf sieben Haltestellen erweitern, innovative Angebote schaffen wie ein kontaktloses elektronisches Ticketing System zur entfernungsabhängigen Preisabrechnung, Preisunterschiede bei Monatstickets verringern, Sozialtarif einführen, Jobticket attraktiver machen.

„Wer GRÜN wählt, stimmt dafür ein kostengünstiges ÖPNV-Jahresticket für alle zu schaffen.“ So steht es in der Einleitung des zweiten Kapitels des Kommunalwahlprogramms der Grünen. Sie wollen den ÖPNV „zu günstigen Preisen anbieten.“ Das bedeutet: Jobticket für alle im VRS für 30 Euro in Bonn und für 60 Euro im VRS einsetzen. Mehr finde ich zum Thema Tarifsystem leider nicht im Kapitel „Mobilitätswende umsetzen“. Zwei weitere Maßnahme konnte ich über die Suchfunktion an anderen Stellen finden: Ticketpreise für alle Schülerinnen und Schüler vereinheitlichen, Semesterticket soll erschwinglich bleiben.

Meine Meinung zusammengefasst

Oberflächlich: Die Programme von Grüne und FDP sind zwar hübsch anzusehen. Aber wenn ich versuche, Forderungen herauszufiltern, komme ich an meine Grenzen. Viel Erklärungsbeilage verwässert klare Aussagen; bei den Grünen noch mehr als bei der FDP. SPD, CDU und BBB sind mit ihren 18- bis 26-seitigen Programmen für einen schnellen Eindruck verständlicher unterwegs. Auch, wenn die CDU hier an ihrer an Lieblosigkeit grenzenden Nüchternheit nicht zu übertreffen ist.

Inhaltlich gibt es zu beiden Prüfsteinen Überschneidungen und Alleinstellungsmerkmale Klimaneutralität:

Bis auf den BBB bekennen sich alle politischen Vertretungen zum Ziel, dass Bonn 2035 klimaneutral ist. Die Regierungsparteien CDU, Grüne und FDP sind sich bei Maßnahmen wie energetische und effiziente Sanierung oder beim Erhalt von Grünflächen noch einig. Allerdings steht das auch in den Programmen von BBB und SPD. Anders ist es bei Müllverbrennungsanlage. Bis auf die CDU, die diese weiterentwickeln möchte, setzen alle anderen außer der SPD auf die Nutzung von Klärschlamm.

Bei den Grünen fehlt mir bei den konkreten Maßnahmen das Alleinstellungsmerkmal. Von Photovoltaik spricht auch die FDP, von der Energie Agentur auch die CDU, von Luftqualität auch die SPD. Ich hätte mir mehr Vision gewünscht. Ähnlich wie die CDU mit ihren 1.000 Bäumen pro Jahr. Aber das liegt sicherlich an meinem Anspruch an die Grünen.

Enttäuscht bin ich auch beim Tarifsystem von den Grünen. Im Gegensatz zur CDU sprechen sie zwar von günstigen Preisen. Gehen dann aber anders als FDP und SPD nicht weit genug ins Detail. Der BBB bleibt auch sehr oberflächlich.

Ich bekenne mich trotz meiner Enttäuschung als Grünenwähler und hoffe, Sie gehen am 13. September 2020 auch wählen!

Erschienen in der BUZ Ausgabe 5_20

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