Jürgen Huber
Es ist Halbzeit in der Bonner Ratskoalition. Im September 2020 gingen die Bonner*innen zur Wahlurne um einen neuen Stadtrat zu wählen. Die Mehrheitsverhältnisse haben sich deutlich verändert. Wir schauen auf das Ergebnis der Halbzeit in Richtung Verkehrswende.
Der Anfang war „holprig“
Die bequeme Mehrheit im Bonner Stadtrat schien durch eine Koalition von B´90/DIE GRÜNEN mit „SPD“ und „DIE LINKE“ gesichert. Doch es entstand Unruhe bei B´90/DIE GRÜNEN. Zwei GRÜNE Urgesteine, beide Fraktionsvorsitzende in der letzten Ratsperiode, wurden dermaßen verärgert, dass sie aus der neuen Fraktion austraten. „Eine Konsequenz aus einer ganzen Reihe von Ereignissen und Entscheidungen innerhalb der Fraktion“, sagte mir Brigitta Poppe-Reiners, die mit Hardy Lohmeyer zusammen als Gruppe Rhein.Grün ihr Mandat im Rat behielten. Es war nicht nur der Streit um das Bezirksbürgermeisteramt. Auch die Haltung von B´90/DIE GRÜNEN zur Melbbadbebauung fanden sie falsch. Hier sprachen sich B´90/DIE GRÜNEN für eine Bebauung des Melbbadgeländes aus.
Diese beiden machen eine gute Arbeit im Rat und haben ihre „GRÜNE“ Gesinnung nicht zur Seite gelegt. Obwohl es schwierig ist, da bei zwei „Abgeordneten“ kein Fraktionsstatus besteht, unter anderem dürfen keine Anträge gestellt werden. Um die Mehrheit im Rat zu behalten, wurde die Koalition um Volt erweitert.
Die Bürger*innenbeteiligung
In einer Veranstaltung zur Wahl sagte die jetzige Oberbürgermeisterin: „Der Austausch mit der Bevölkerung muss besser werden. Die Haltung zur Bürgerbeteiligung soll sich ändern. Es gibt viele gute Ideen aus Initiativen und Verbänden, die müssten für die Stadtentwicklung genutzt werden“.
Ein immer konstruktiv beratendes Forum in Richtung Verkehrswende wurde aus den Beratungen ausgeschlossen. Die Mitwirkung ist momentan sehr „lobbyistisch“ geprägt. Auch Bürger*innenbriefe an die Oberbürgermeisterin werden, wie mir viele Bürger*innen berichten, nicht beantwortet.
Initiativen aus den Parteien heraus
Um die Erfolge aufgrund der Initiative einzelner Parteien aufzulisten, habe ich tief in meiner Erinnerungskiste gekramt und war im „Ratsinformationssystem ALLRIS“ (Allgemeines Rats Informationssystem) unterwegs. Ich hoffe alles richtig gedeutet zu haben.
B´90/DIE GRÜNEN
Einrichtungen von Umwelt- und Radspuren entlang des ehemaligen City-Rings sowie auf der Viktoriabrücke und dem Hermann-Wandersleb-Ring.
Vorantreiben der Planung der Bonner Seilbahn und ihre Aufnahme in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes NRW.
Zahlreiche „grüne Pfeile“ an Kreuzungen für Radfahrende.
Kurzfristige Aufwertung am ZOB durch Erweiterung des Fußgängerbereiches sowie Einleitung seiner Neuplanung und Modernisierung.
Ausweitung von Straßen- und Stadtbahnnetz, Routenfestlegung Westbahn und Linie Buschdorf erfolgt.
SPD
Für Schüler*innen an weiterführenden Schulen, einschließlich Berufs- und Weiterbildungskollegs, wurde das Schülerticket für 19€/Monat eingeführt. Das Ticket soll zukünftig auch für Grundschüler*innen gelten.
Die Leistungen des Bonn-Ausweis wurden erweitert und Berechtigte erhalten den Ausweis nun automatisch.
Um einen bezahlbaren ÖPNV zu bewahren, stimmte die SPD gegen eine Tariferhöhung im VRS.
Mehr Verkehrssicherheit vor Schulen wurde durch das Aufstellen von Geschwindigkeitsanzeigetafeln, die Verlängerung der Grünphasen für Fußgänger*innen, der Umsetzung und Überwachung eines absoluten Halteverbots vor Schulen und Kitas erreicht.
Die LINKE
Das Sozialticket mit Bonn-Ausweis für 19 Euro wurde eingeführt.
Das 24h-Ticket für bis zu 5 Personen im Bonner Stadtgebiet wird ab 2024 von 15,20 EUR auf 9,50 EUR reduziert und als Klima-Tagesticket angeboten.
Das zeitliche Staffeln der Anwohnerparkgebühren und die Ermäßigung mit Bonn-Ausweis auf 75% wurde beschlossen.
Bei dem rechtsrheinischen Radweg wurde die Zahl der ersatzzupflanzenden Bäume erheblich auf 100 und damit mehr als das dreifache der Zahl der weggefallenen Bäume aufgestockt.
Das Rheinufer ohne Autoverkehr, beantragt in der vorherigen Ratsperiode, wird realisiert.
Volt
Mit „Parken im Quartier“ beantragte die Volt-Fraktion Bonn, leerstehende Parkflächen entgeltlich für Kurzzeitparkende zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen unter anderem Parkplätze von Supermärkten, städtische Parkhäuser und Tiefgaragen genutzt werden, um die Anzahl der im öffentlichen Raum abgestellten PKW und Wohnmobile zu reduzieren. Ziel ist es, mehr Platz für Fuß- und Radverkehr sowie die Begrünung der Stadt zu schaffen. Das Projekt ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigen und lebenswerten Stadt und wurde im Februar 2023 beschlossen.
Was sehen wir daraus?
Die Koalition ist in Sachen Verkehrswende auf einem guten Weg und ergänzt sich durch gegenseitige Ideen. Umweltspuren (für Bus&Rad) entstehen wo immer es möglich ist. Die endgültige Sperrung des „City Rings“, das „Autofreie Rheinufer“, „Protected Bike Lanes“, Taktverdichtungen durch neue Bahnen und Busse sind herausragende Erfolge. Was ist mit dem Klimaplan? Seite 3 weiß mehr.
Manchmal jedoch wäre etwas mehr Geduld und Umsicht angebracht.Viele Projekte machen den Eindruck, als sollten sie schnell „durchgepeitscht“ werden, um Tatsachen zu schaffen. Wer neue Ideen umsetzten will, sollte sie nicht durchsetzen wollen, sondern den bürgerschaftlichen Diskurs pflegen. Das war ein Wahlversprechen.
Ganz Aktuell
Inzwischen gibt es positive Nachrichten. Die SPD hat auf ihrem Unterbezirksparteitag wichtige Forderungen zu einer vernünftigen Verkehrswende gestellt, die über das „Abmarkieren von Fahrradwegen“ hinausgehen.
- Das Bonner Busnetz ist grundlegend zu überarbeiten.
- Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 61 bis nach Buschdorf zügig umzusetzen.
- Park-and-Ride-Parkplätze am Ortsrand einzurichten, die Autofahrenden das Abstellen ihrer Fahrzeuge am Ortsrand ermöglichen.
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