Freiräume sind Lebensräume
Klaus Bouchon ist Landschaftsplaner und war von 1978 bis 2016 als Sachgebietsleiter im Stadtplanungsamt der Stadt Bonn für die Landschaftsplanung und den Flächennutzungsplan zuständig. Er ist Gründungsmitglied des Ökozentrums und war viele Jahre ehrenamtlich tätig.
Was sind die Grenzen in der städtebaulichen Praxis?
Die Region Köln-Bonn ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und geographischen Attraktivität nach wie vor eine Zuzugsregion. Das löst einen starken Druck konkurrierender Nutzungen auf die Freiräume und eine hohe Nachfrage nach Bauflächen für Büros und Wohnungen aus. Dem sind aber gerade in Bonn enge Grenzen gesetzt, zum einen durch die Lage am Ende des Mittelrheintales mit den bewaldeten Hängen und Waldflächen auf der Hauptterrasse und den umfangreichen Landschafts- und Naturschutzgebieten, die für eine Bebauung nicht zur Verfügung stehen. Daher sind im aktuellen Flächennutzungsplan der Stadt Bonn nur noch wenige Bauflächen für Wohnen oder Gewerbe vorgesehen. Andererseits sollten die Pendlerströme nicht durch eine erhöhte Bautätigkeit im Umland verstärkt werden. Welche Möglichkeiten bleiben in dieser Situation? Zum einen die Nutzung von nicht oder untergenutzten Flächen wie Baulücken, die Nachverdichtung im Bestand sowie das Bauen in die Höhe. Aber gerade die beiden letztgenannten Ansätze tragen auch zur Veränderung der Lebensqualität und der klimatischen Verhältnisse bei.
Auf welche Resonanz und Wertschätzung stößt das Integrierte Freiraumsystem (IFS) in den anderen Ämtern der Stadt Bonn und im Stadtrat?
Da das IFS (Erläuterung unten*) eine gutachterliche Stellungnahme ist, stimmen die Aussagen nicht in allen Fällen mit der Einschätzung einzelner Fachämter zur zukünftigen Nutzung konkreter Flächen überein. In Einzelfällen widersprechen sie auch älteren Beschlüssen der politischen Gremien. Das betrifft insbesondere die Flächen, bei denen gemäß IFS auf eine bauliche Nutzung verzichtet werden sollte. Diese Konfliktfelder sind im weiteren Planungsprozess abzuwägen und letztendlich in den politischen Gremien zu entscheiden. Daher werden die Aussagen und Empfehlungen des IFS in den Vorlagen, die die Bauleitplanung betreffen, integriert, so dass sie in den Entscheidungsprozess einfließen. Somit ist sowohl für die Verwaltung wie auch für die Politik ein wertvoller Beitrag zu mehr Rechtssicherheit der Entscheidungen erstellt worden. Die Wertschätzung des IFS ist sicherlich je nach politischer Konstellation unterschiedlich zu beurteilen. Die große Bedeutung dieser Planungsgrundlage lässt sich aber daran bemessen, dass nach 15 Jahren eine aufwändige Fortschreibung (2012) in Auftrag gegeben wurde und alle fünf Jahre ein Monitoring durchgeführt werden soll. Nach dem Monitoring 2017 steht somit in diesem Jahr wieder eine aktuelle Überprüfung an.
Welche bisherigen Erfolge verbinden Sie mit diesem Instrument?
Ein Erfolg ist sicherlich, dass die Aussagen des IFS als wesentliche Abwägungsgrundlage in die Entscheidungen zu raumwirksamen Planungen des Rates und der Fachausschüsse einfließen. Auch die Fortschreibung 2012 und das fortlaufende Monitoring sind wertvolle Beiträge zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der Freiräume in der Stadt. So ist im Rahmen der Fortschreibung festgestellt worden, dass bei ca. 50 % der Flächen, bei denen nach Einschätzung der Gutachter auf eine Bebauung verzichtet werden sollte, dieser Empfehlung entsprochen wurde. Außerdem sind im Zeitraum von 1997-2012 nur 0,1 % der Freiflächen des Kernbereiches verloren gegangen. Somit ist das Ziel der Erhaltung des Status Quo in diesem Zeitraum weitgehend erreicht worden. Wesentliche Flächen des Kernbereichs des IFS wurden zwischenzeitlich im Regionalplan Region Bonn / Rhein-Sieg (2009) als Regionaler Grünzug dargestellt: „Regionale Grünzüge stellen keine Flächenreserve für eine zukünftige Siedlungsentwicklung dar. Vielmehr sind sie obligate Komponenten einer langfristig orientierten Konzeption integrierter Siedlungs-, Verkehrs und Freiraumentwicklung, (…)“. (Zitat RP S. 61)
Welche weiteren Maßnahmen sind förderlich für Schutz und Entwicklung der Freiflächen im Stadtgebiet?
Ein gutes Beispiel für den nachhaltigen Schutz von Freiflächen auf informeller Ebene ist das Grüne C, ein interkommunales Projekt, das im Rahmen der Regionale 2010 entstanden ist, dadurch wurde der Freiraum vom Meßdorfer Feld über die Rheinaue Nord und die Siegaue bis zum Pleisbachtal zu einer attraktiven Verbindung entwickelt. Die Erhaltung der Kulturlandschaft, der Natur- und Artenschutz sowie die Erholung und nicht zuletzt die Freihaltung von baulicher Nutzung waren dabei gleichberechtigte Ziele. Durch die gestalterische Aufwertung und die Schaffung einer durchgängigen weitgehend autofreien Verbindung für Fußgänger und Radfahrer mit Stationen, an denen Informationen über die Besonderheiten des Ortes und des Landschaftsraumes vermittelt werden, konnte ein Naherholungsangebot geschaffen werden, das zur Identifikation der Menschen mit ihrer „Heimat“ beiträgt. Diese Verankerung unterstützt die Bemühungen dauerhaften Sicherung von Freiräumen. In Bonn laufen schon seit vielen Jahren vielfältige Bemühungen die Artenvielfalt im Stadtgebiet zu erhalten bzw. zu erhöhen. So umfasst das städtische Wiesenprogramm bereits 63 ha, auf denen die biologische Vielfalt gefördert wird. Der Bonner Stadtwald (600 ha) ist seit 1999 nach den strengen FSC-Kriterien zertifiziert. An geeigneten Stellen wurden artenreiche Staudenbeete angelegt, so z. B. unterhalb der Beethovenhalle und an der Endenicher Allee.
- Integriertes Freiraum-System (IFS)
Das Integrierte Freiraumsystem (IFS) als informelle Abwägungsgrundlage für die Bauleitplanung erfüllt die Aufgabe eines Steuerungs- und Planungsinstruments mit dem Ziel der Sicherung und nachhaltigen Entwicklung der Freiflächen im Stadtgebiet von Bonn. Das IFS umfasst drei
inhaltliche Schwerpunkte: Erholungsfunktion, Klima sowie Biotopstruktur und Vernetzung. Ein
Ziel war die Zusammenführung der sektoralen Fachplanungen, die sich auf die Freiräume im
Stadtgebiet beziehen, in einer Planungsgrundlage, welche eine umfassende Bewertung der Flächen
bei künftigen politischen Entscheidungen ermöglicht. Dadurch soll die nachhaltige Entwicklung
von Freiflächen im Stadtgebiet gesichert werden
Beitragsfoto: Siedlungsbau in den 1950er Jahren Foto: Jürgen Huber
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