Fleisch essen? Eine Aufklärung

1. Januar 2018 | Ökologie, Ralf Wolff, Rezension | 0 Kommentare

Buchrezension

Ulrike Weiler: „Fleisch essen? Eine Aufklärung.“ Westend, Frankfurt/Main 2016.

Als Physiologin des Instituts für Nutztierwissenschaften der Universität Stuttgart – Hohenheim hat die Agrarwissenschaftlerin Ulrike Weiler 2016 mit ihrem Buch „Fleisch essen? Eine Aufklärung“ eine wissenschaftlich fundierte Standortbestimmung der Fleischerzeugung vorgenommen und kritisiert hierbei die Nachhaltigkeitsdebatte bei Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz.

Sie erklärt, sehr gut nachvollziehbar, warum Fleisch ein sinnvoller Bestandteil der Ernährung ist. Wir erfahren von der neuen Bewegung der Flexitarier, die seltener Fleisch essen, sich aber des Tierschutzes bewusst sind. ‚Antinutritive Stoffe‘ behindern die Bioverfügbarkeit essentieller Mikronährstoffe aus vegetarischer Kost. Vitamim B12 kann nur über tierische Produkte aufgenommen werden. Dies und mehr lernen wir aus ihrem Buch.
Inhaltlich stellt sie sich auf die Seite der Landwirte und Metzger, denen sie in deren Anspruch „trotz heftiger öffentlicher Anfeindungen“ gut mit ihren Tieren umzugehen und in Abstimmung mit der Umwelt gute Qualität zu erzeugen, beipflichten möchte. In ihrem ‚Projekt‘ geht es ihr nicht nur um die Aufklärung über den gesundheitlich sinnvollen Bestandteil ‚Fleisch in der Ernährung‘, sondern auch um Aufklärung über die Zielkonflikte, denen die Erzeuger und Verkäufer von Fleisch im Umwelt-,Tier- und Verbraucherschutz ausgeliefert seien.

Ein Beispiel ist der artgerechte Umgang mit Eberferkeln. Aus ihrer Sicht – sie hat dazu geforscht – ist die seit Jahrhunderten angewandte Kastration gute landwirtschaftliche Praxis, um neben dem Geschlechtsgeruch den Ebern ihr aggressives Sexualverhalten zu nehmen. Unter anderem würden die Eber viel mehr Leid durch Bisse ihrer Artgenossen erfahren als durch die Kastration selbst. Viele Umwelt- und Tierschützer hätten keine Kenntnis davon und forderten undifferenziert das Kastrationsverbot.
Leider vermeidet sie eine Abgrenzung zur Massentierhaltung – ein kommerzialisierter Markt, der billiges Muskelfleisch anbietet.

“Absurde Inkompetenz”

Frau Weiler geht selbst, als sie das Kapitel im Fleischatlas 2014 ‚Hormone – Der Kampf um das Nein‘ überprüft, nicht auf die zum Teil durch Hormonbehandlung mindere Fleischqualität ein. Den Atlas bezeichnet sie zudem als Machwerk „absurder Inkompetenz“ (S. 113 ff.), da er das Wachstumshormon Ractopamin mit Östrogenen verwechselt werde oder Cholesterol als Hormon benannt sei. In Europa ist dieses Ractopamin vorsorglich verboten. Es hemmt die Fettbildung, fördert das Muskelwachstum und den Proteinaufbau. Die Tiere haben eine größerere Stressanfälligkeit. Dies wirkt sich auf die Qualität des Fleischs aus.

Mit ihrem Buch möchte Weiler Verbrauchern die Qualität und den Genuss von gutem Fleisch nahe bringen. Ist Fett nach einer Marmorstruktur im Muskelgewebe verteilt, spricht sie von gutem Fleisch, im Vergleich zur Massenware ein Spitzenerzeugnis. Rezeptvorschläge des Sternekochs Markus Eberhardinger zeigen, was alles mit gutem Fleisch machbar ist. Sicherlich findet Otto Normalverbraucher in ihrem letzten Kapitel (wie man gutes Fleisch findet) gute Tipps, wie er Restangebote kurz vor Feierabend erkennt. Denn derzeit denken die Meisten, das magere Fleisch wäre das bessere. Eine Bestellung auf
Gourmet-Webseiten wird man sich kaum leisten können.

Nach Ansicht des Rezensenten sollte eine weitere Auflage nicht zielgenau physiologische Inkorrektheiten herausstellen, sondern den gemeinsamen Nenner suchen und finden. Die Beauftragten des Einzelhandels sollten auch zu Wort kommen.

Ralf Wolff

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