Fahren mit batterie-elektrischen Antrieben, Strom aus Sonnen- und Windenergie – die technologische Wende wird die Nachfrage nach Rohstoffen wie Lithium vervielfachen. Doch deren ergiebige Lagerstätten befinden sich in vielen Fällen nicht in den europäischen Ländern. Die EU-Kommission wird vielfältig aktiv.
Susanna Allmis-Hiergeist
Rohstoffe werden in der EU-Terminologie als kritisch eingestuft, wenn sie unverzichtbar für die industrielle Produktion sind und gleichzeitig ein hohes Risiko bezüglich Versorgungsengpässen besteht. Die heute schon hohe Nachfrage nach sogenannten „Critical Raw Materials (CRMs)“ erhält durch die forcierte ökologische Transformation einen deutlichen Schub. Der Bedarf an Metallen, die für Windturbinen und elektrisch betriebene Fahrzeuge wichtig sind, wird nach Prognosen in 2030 fünf bis sechs Mal so hoch sein wie aktuell. Lithium für Autobatterien und sonstige Stromspeicher wird sogar in zwölfmal so hohem Umfang benötigt.
Fokus: Strategische Rohstoffe
Der CRM-Katalog wird daher innerhalb der EU alle drei Jahre überprüft. Nach den im März 2023 veröffentlichten EU-Zahlen sind mittlerweile 34 Rohstoffe gelistet; 2011 waren es noch 14. Technologischer Wandel, aber auch geopolitische wie klimabedingte Instabilitäten führten zu diesem Anstieg.
In 2023 wurde aus den CRMs eine Untermenge an strategischen Rohstoffen (SRM) separat ausgewiesen, die engmaschig überwacht werden sollen. Es sind Grundbestandteile strategisch wichtiger Produktionszweige wie Klimatechnologien und Digitalisierung, aber auch Rüstungs- und Raumfahrttechnik. Hier wurden 13 Stoffe wie Kobalt, Kupfer, Seltene Erden, Lithium, Magnesium, Mangan und Nickel identifiziert.
Von den 34 kritischen Rohstoffen werden momentan zwölf auch in der EU gefördert, allerdings vorwiegend in geringen Mengen. Lediglich bei Nickel ist Finnland als Lieferant nennenswert mit von der Partie, neuerdings wurden dort auch Lithium-Lagerstätten ausgewiesen. Auch in Spanien wird Lithium gefördert, dessen Produktion nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) noch steigerbar wäre. Selbst Deutschland verfügt über Lithiumvorkommen im Oberrheingraben. Sie könnten im Rahmen von Tiefengeothermie als „Beifang“ gefördert werden. Ein erdbebensicheres und umweltverträgliches Konzept wäre die Voraussetzung.
Da die EU nicht über ausreichende Bodenschätze im Bereich CRM verfügt bzw. der Abbau mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden wäre, ist sie stark von Importen abhängig, häufig aus Ländern mit „Quasi-Monopolstellungen“. Beispielsweise bezieht sie etwa 98 Prozent der Seltenen Erden und 93 Prozent ihres Magnesiums aus China, 71 Prozent des Platins aus Südafrika und Lithium stammt zu 78 Prozent aus Chile.
Welche Risiken sich aus solchen Abhängigkeiten für die Lieferketten ergeben, haben die Covid-19-Pandemie und Russlands Invasion in der Ukraine eindrücklich gezeigt.
Der Kommissionsvorschlag
Um ihre industrielle Entwicklung robuster aufzustellen, hat die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt (European Critical Raw Materials Act, CRMA), der eine sichere und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewährleisten soll. Der Kommissionsvorschlag umfasst die Erleichterung nationaler Erkundungsprogramme, die Diversifizierung von Einfuhren sowie Verbesserungen in den Bereichen Verarbeitung, Recycling und Lagerhaltung. Hierzu werden Zielvorgaben für die EU insgesamt formuliert, die sich an den Schritten der Lieferkette orientieren. Die Listen der kritischen und strategischen Rohstoffe sind verbindlicher Bestandteil der gesetzlichen Grundlagen.
Im Detail schlägt die Kommission vor:
Mindestens 10 Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs sollen aus internen Quellen stammen.
40 Prozent des Verbrauchs müsse der Staatenverbund selbst verarbeiten bzw. aufbereiten.
15 Prozent sollen aus Recycling gewonnen werden.
Nicht mehr als 65 Prozent eines strategischen Rohstoffes dürfe die EU aus einem einzigen Drittstaat beziehen.
Dies gilt für jeden Prozessschritt der Lieferkette.
Um dies zu erreichen, müssten Mitgliedsstaaten nationale Programme für die Erkundung geologischer Ressourcen entwickeln. Die Genehmigung von Abbauvorhaben soll von zehn Jahren auf 24 Monate verkürzt, Aufbereitungs- und Recyclinggenehmigungen innerhalb von zwölf Monaten erteilt werden. Eine europäische Rohstoffakademie würde die notwendigen Fachkräfte für diesen erfolgskritischen Bereich ausbilden. Ein besonderer Ausschuss mit Mitgliedern aus den Mitgliedsstaaten und der Kommission soll das Regelwerk lauffähig machen und mit strategischen Partnern koordinieren.
Infrastrukturmittel gegen Rohstoffe?
Parallel zum CRMA hat die Kommission sogenannte Mitteilungen vorgelegt. Sie enthalten Maßnahmen, um die in der Verordnung formulierten Ziele im globalen Umfeld durch internationale Partnerschaften und Handelsabkommen zu sichern. Die Welthandelsorganisation soll gestärkt werden, von einem „CRM-Club“ ist die Rede. Dabei sollen Partnerschaften so ausgebaut werden, dass sie eine erschwingliche und diversifizierte Versorgung der EU mit Rohstoffen ermöglichen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung der Lieferländer durch Wertschöpfung vor Ort befördern. Solche für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaften sollen vor allem im Rahmen der Global-Gateway-Strategie der EU etabliert werden.
Die Global-Gateway-Strategie wurde 2021 formuliert. Demnach soll die EU zwischen 2021 und 2027 300 Milliarden Euro für nachhaltige Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern im Verbund mobilisieren. Die Projekte konzentrieren sich auf Bereiche wie Infrastruktur, Gesundheit, Umwelt und Bildung. Durch die Verknüpfung mit Maßnahmen zur Umsetzung des Raw Materials Act bekommt das Vorhaben eine problematische Eingrenzung: Investitionen werden vorrangig in Länder mit Bodenschätzen oder anderen Aktivposten wie Sonneneinstrahlung zur Erzeugung von Strom und Wasserstoff fließen. Länder ohne entsprechende Ressourcen würden die Global-Gateway-Mittel für ihre Entwicklung dringlicher benötigen.
Liste der Kritischen/Strategischen Rohstoffe
Antimon: Türkei, 63%
Arsen: Belgien, 59%
Baryt: China, 45%
Bauxit: Guinea, 63%
Beryllium: USA, 67%
Bismut: China, 65%
Bor metallurgische Qualität: Türkei, 99 %
Kobalt: Kongo, 63%
Kokskohle: Australien, 25%
Kupfer: Polen, 27%
Feldspat: Türkei, 51%
Flussspat: Mexiko, 33%
Gallium: China, 71%
Germanium: China, 45%
Hafnium: Frankreich, 76%
Helium: Katar, 35%
Schwere seltene Erden, davon Dy, Gd, Tb für Magnete: China, 100%
Leichte seltene Erden, davon Nd, Pr, Sm, Ce für Magnete: China, 85%
Lithium – Batteriequalität: Chile, 79%
MagnesiummetallMangan –Batteriequalität: China, 97%
Mangan: Südafrika, 41%
Natürliches Grafit – Batteriequalität: China, 40%
Nickel-Batteriequalität: Finnland, 38%
Niob: Brasilien, 92%
Phosphorit: Marokko 27%
Phosphor: Kasachstan, 71%
Platingruppe: Südafrika, 71%
Scandium: China, 67%
Siliciummetall: Norwegen, 35%
Strontium: Spanien, 31%
Tantal: Kongo, 35%
Titanmetall: Kasachstan, 36%
Wolfram: China, 32%
Vanadium: China, 62%
Quellen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52023PC0160
Gefährdet Standortsicherung die Rohstoffförderung?
Die Standortsicherung gemäß §21 Standortauswahlgesetz (StandAG) betrifft alle Vorhaben zur Nutzung des geologischen Untergrundes, in denen Bohrungen mit einer Tiefe von mehr als 100 Meter abgeteuft werden und die in den sogenannten von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) „identifizierten Gebieten“ liegen. Vorhaben in diesen Gebieten sind nicht grundsätzlich untersagt, sondern es muss zu ihrer Genehmigung ein Ausnahmetatbestand vorliegen und es muss ein Einvernehmen der Genehmigungsbehörde mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hergestellt werden. Die insgesamt fünf Ausnahmetatbestände sind in §21 StandAG genauer beschrieben. Auch für die Erkundung und Förderung von Rohstoffen wäre also immer dann ein solches Einvernehmensverfahren nach §21 StandAG notwendig, wenn das Vorhaben in einem identifizierten Gebiet tiefer als 100 Meter geht.
Von verschiedener Seite wurde der Wunsch geäußert, die Verfahren in ihrem behördlichen Aufwand zu vereinfachen bzw. zu reduzieren, indem z. B. die Mindesttiefe größer als 100 Meter definiert wird oder die Gebiete, in denen die Standortsicherung gilt, flächenmäßig verringert werden. Andernfalls würde bis zum geplanten Vorschlag der Standortregionen im 3. Quartal 2027 durch die BGE plus der benötigten Zeit bis zur Festlegung der Standortregionen das Verfahren zur Standortsicherung für viele Vorhaben und für eine große Fläche Deutschlands in dieser Form weiter gelten müssen.
Alle Infos und Unterlagen zur Veranstaltung am 30. März wie auch den Video-Stream finden Sie hier auf der Website des NBG:https://www.nationales-begleitgremium.de.
Quelle: Dr. Heiko Zumsprekel, Geschäftsstelle Nationales Begleitgremium Endlagersuche
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