Romantische Idee oder Erfolgsrezept?
Die Fachkonferenz Endlagersuche, die im Oktober 2020 mit einer Auftaktveranstaltung begonnen hatte, startete im Februar dieses Jahres in einen ersten von drei inhaltlichen Beratungsterminen. Selbstorganisiert, digital, mit bis zu annähernd 1000 Teilnehmer*innen gleichzeitig. Nur eine romantische Idee, fragte ein Teilnehmer. Im Folgenden schildern wir Eindrücke aus der Startphase dieses spannenden Experiments.
Dabei gestaltete sich der Konferenzeinstieg erst einmal ausgesprochen zäh. Die bei der Auftaktveranstaltung gewählte Vorbereitungsgruppe aus je drei Vertreterinnen von Kommunen, gesellschaftlichen Gruppen, wissenschaftlich Arbeitenden und Bürgerinnen stellte ihre organisatorischen Vorbereitungen zur Abstimmung: Geschäftsordnung, Tagungsprogramm und eine Arbeitsgruppenstruktur. Allgemeines Aufatmen, nachdem diese Formalia am Freitagabend abgeräumt waren und sechs Fachvorträge einen inhaltlichen Einstieg boten.
Ich höre mir den Vortrag von Michael Sailer an, dem ehemaligen langjährigen Geschäftsführer des Freiburger Öko-Instituts und jetzt, im Ruhestand, Berater der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), der Basisanforderungen an einen möglichen Endlagerstandort kompakt erläutert. Erneut wird klar, dass der untertägige Raumbedarf nicht durch das Volumen der Castoren, sondern durch deren Wärmeentwicklung und damit dem erforderlichen Abstand zwischen den Einzelbehältern bestimmt wird. Oder auch, dass der Flächenbedarf für schwach- und mittelradioaktiv strahlende Abfälle mitbedacht werden muss, unter anderem für mögliche Unterbringungsfälle aus dem vollgelaufenen Bergwerk Asse.
Die Arbeitsgruppen des Folgetages behandeln schwerpunktmäßig die drei Wirtsgesteine Salz, Kristall und Ton, aber auch Themen wie Datengrundlage für die ausgewiesenen Teilgebiete, Ergebnissicherung der Diskussionen und das weitere Beteiligungsverfahren. Die meisten AGs starteten mit einem Eingangsstatement der BGE als Verfasserin des Zwischenberichts. Aus einem vor Weihnachten gestarteten „Call for Paper“ hatte die Vorbereitungsgruppe Referenten gefiltert, die die Sichtweise der BGE kontrastieren oder kritisch ergänzen.
Sehr spannend verliefen die Diskussionen zum Thema Salz als aufnehmendes Endlagergestein. Nachdem zuvor der über Jahrzehnte erkundete Salzstock Gorleben im Zwischenbericht Teilgebiete wegen mangelnder Stabilität des Deckgebirges vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden war, brachten Teilnehmende aus dem Umfeld der BGR (Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe) den Standort erneut ins Gespräch. Die BGE mit Berichtslinie zum Umweltministerium, die BGR dagegen am Wirtschaftsministerium angehängt – die Fachkonferenz auch ein Podium für interministeriellen Zwist?
Insgesamt sind die Berichte aus den AGs im darauf folgenden Plenum wenig konkret. Mal hört man beim Sprecher vorwiegend die eigene Meinung heraus, auch junge frische Stimmen aus den Gebietskörperschaften tragen vor. Es wird deutlich, dass die meisten Probleme nur angerissen werden konnten und schon aufgrund der begrenzten Zeit nicht jeder Beitrag zu Wort kam. Immerhin war auch das gegenseitige Interesse soweit geweckt, dass mehrere der Gruppen sich zwischen den Konferenzterminen weiter austauschen wollen.
Durch alle Berichte zog sich als roter Faden die als mangelhaft und nicht entscheidungsgeeignet befundene Datenbasis. In vielen Fällen stützt sich die Beurteilung der Teilgebiete bisher nur auf Referenzdaten. Solche Referenzdaten spiegeln nicht die tatsächlichen geologischen Gegebenheiten vor Ort, sondern die Eigenschaften vergleichbarer Formationen zum Beispiel aus der Fachliteratur wider. Um auf der Basis fundierterer Daten mitwirken zu können, stimmte die Mehrheit der Teilnehmenden für eine Verschiebung der nächsten zwei Beratungstermine auf Juni und den letzten auf August.
Auch der BUND meldete sich diesmal mit einem eigenen Antrag zu Wort, der mehrheitlich unterstützt wurde. Leitmotiv war zu verhindern, dass die BGE nach „Abarbeiten“ der gesetzlich festgelegten Beteiligungspflichten während einer vergleichsweise frühen Phase der Standortsuche (circa 50 Prozent des Bundesgebiets sind noch im Rennen) gemütlich in einen weniger transparenten Modus zurückfallen kann. Der BUND-Antrag zielt auf eine Verstetigung der Beteiligung während der weiteren Eingrenzung der Standortregionen, eine „gläsern“ arbeitende BGE und deren verbindliche Befassung mit den Ergebnissen aus dem Beteiligungsverfahren. Dies zu konkretisieren und politisch auf den Weg zu bringen, könnte ein erster Schritt auf dem Weg zu einem abschließenden Bericht der Fachkonferenz im Herbst dieses Jahres sein.
0 Kommentare