Halsbandsittiche – eine invasive Art in Bonn
Cynthia Roggenkamp
In Bonn gehören die kleinen grünen Papageien, genauso wie in Köln und Düsseldorf, mittlerweile schon zum Stadtbild dazu. Die Rede ist von Halsbandsittichen, einer Papageienart, die auch „Kleiner Alexandersittich“ genannt wird. Diesen Beinamen hat er durch Alexander den Großen, der vor mehr als 2300 Jahren den Halsbandsittich von Asien nach Griechenland brachte. Heute hat sich der Halsbandsittich weit über sein Ursprungsgebiet verbreitet und lebt als Neozoon auch in unseren Breiten.
Insgesamt gibt es vier Unterarten der Halsbandsittiche, die offiziell anerkannt sind: der afrikanische, der Neumanns, der Indische und der Abessinische Halsbandsittich. Darüber hinaus existieren verschiedene Formen, die im Laufe der Zeit aus einer Mischung dieser Unterarten entstanden sind.
Verbreitung
Ursprünglich waren die Halsbandsittiche lediglich in Afrika und Asien beheimatet. Die Verbreitung der afrikanischen Unterart erstreckt sich vom Senegal und Guinea, durch den Sahel bis in den Südsudan hinein. Dort schließt sich das Verbreitungsgebiet der zweiten afrikanischen Unterart an, welches durch Äthiopien bis nach Dschibuti und Somalia führt. In Asien leben zwei weitere Unterarten der Halsbandsittiche in einem Gebiet, welches Indien, Pakistan, Bangladesch, Myanmar und Sri Lanka umfasst. Jedoch haben sich die Halsbandsittiche über ihre ursprüngliche Heimat hinaus verbreitet und leben mittlerweile als Neozoen (Neobiota) auch in Europa, Nordamerika, Südafrika und Japan. Bereits 1967 wurden die ersten frei lebenden Halsbandsittiche in Köln nachgewiesen, die vermutlich aus privater Haltung entflohen oder sogar freigelassen wurden. Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) wird heute ein Bestand von etwa 8.500 wild lebenden Halsbandsittichen in Deutschland geschätzt. Hier haben sich besonders viele in der relativ warmen Rheinebene angesiedelt, darunter in Städten wie Bonn, Köln, Düsseldorf, Wiesbaden und Heidelberg. Doch längst erobern sie auch das benachbarte ländliche Umland der großen Städte. Bevorzugte Brutstätten sind Höhlen alter Baumbestände, vor allem in Parks, Gärten und auf Friedhöfen. Aber auch in bereits vorhandenen Höhlen von z.B. Spechten brüten sie. Seit einiger Zeit wird jedoch auch beobachtet, dass sich der Halsbandsittich in der Außenfassade von wärmegedämmten Gebäuden eingenistet hat.
Neobiota
Doch was versteht man eigentlich unter Neobiota? Dies sind Arten, die sich sowohl mit als auch ohne menschlichen Einfluss in einem nicht-heimischen Gebiet etablieren konnten. Dabei nennt man im deutschsprachigen Raum neobiotische Pflanzen Neophyten neobiotische Tiere Neozoen und neobiotische Pilze Neomyceten. Im Englischen werden zwischen Pflanzen, Tieren und Pilzen keine Unterschiede gemacht, sondern es werden zusammenfassende Bezeichnungen verwendet. So unterscheidet die International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) zwischen „alien species“ und „invasive alien species“. Alien species sind Arten, die durch den Menschen in ein fremdes Gebiet eingeschleppt wurden. Als invasive Arten werden diejenigen beschrieben, durch die heimische Arten bereits verdrängt wurden. Die Einwanderung von Neobiota in ein fremdes Gebiet mit anschließender Etablierung bzw. Ausbreitung wird auch biologische Invasion genannt. Oft werden Tier- und Pflanzenarten bewusst nach Deutschland eingeführt, so z.B. bei Zier- und Nutzpflanzen. In vielen Fällen geschieht dies jedoch ohne Absicht, z.B. durch die Verschleppung von Pflanzensamen mit Handelsgütern oder durch Frachtschiffe.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der weltweite Güterverkehr heute der wichtigste Transportweg für Neobiota ist. Als so genannter Stichtag für die Einführung von Neobiota wird das Jahr 1492 festgesetzt, da mit der Entdeckung Amerikas auch der Beginn eines verstärkten Handels über die Grenzen aller Kontinente einhergeht. Insgesamt spielt die Globalisierung also eine entscheidende Rolle, was die Verbreitung von Arten und die Gefährdung der lokalen Biodiversiät vieler Länder bzw. Regionen betrifft. Sobald invasive Arten ohne menschlichen Einfluss über mehrere Generationen in einer fremden Region überleben, werden sie als etablierte gebietsfremde Arten bezeichnet. Seit diesem festgelegten Stichtag haben sich in Deutschland 808 Neobiota-Arten etabliert und ausgebreitet, was einen Anteil am Gesamtbestand aller Arten von 1 % ausmacht. Darunter befinden sich 319 Tierarten, 452 Pflanzenarten und 37 Pilzarten. Insgesamt 2.054 Arten gelten als unbeständig, insgesamt 59 als invasiv. Jedoch können viele Arten gar nicht erfasst werden, so dass es in Deutschland eine große Anzahl an unbekannten, nichtheimischen Arten gibt. Ausführliche Informationen über gebietsfremde und invasive Arten in Deutschland stellt das Bundesamt für Naturschutz unter www.neobiota.de zusammen.
Auswirkungen durch Neobiota
Betrachtet man den weltweiten Naturschutz, so sind die invasiven Arten die zweithäufigste Ursache für die Gefährdung der Biodiversität. Laut BfN gehen heute in Deutschland vom größten Teil der gebietsfremden Arten weder Gefahren für unsere heimische Natur oder sogar unsere Gesundheit aus noch gibt es Hinweise auf negative Folgen für unsere Wirtschaft. Bei 10 % der etablierten gebietsfremden Arten sieht dies jedoch schon etwas anders aus. Durch diese kann es zu Problemen hinsichtlich des Naturschutzes und / oder zu ökonomischen Schäden kommen. Dazu zählen z.B. Ernteausfälle oder ein erhöhter Einsatz von Pestiziden in der Land- bzw. Forstwirtschaft. Darüber hinaus treten sie mit den heimischen Arten in Konkurrenz, was sowohl den Lebensraum als auch die Ressourcen, wie z.B. die Nahrung, betrifft und verdrängen diese. Es wird vermutet, dass es bei fortschreitendem Klimawandel zukünftig noch häufiger zu Problemen durch invasive Arten kommen wird, da sich Tiere und Pflanzen mit Temperaturveränderungen in neuen Regionen heimisch fühlen und sich dort ansiedeln. Ob und in welchem Maße auch der Halsbandsittich negativen Einfluss auf heimische Arten hat, ist noch nicht gänzlich geklärt.
Invasive Arten im BNatSchG
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) regelt in § 40 den Umgang mit nichtheimischen, gebietsfremden und invasiven Arten. Darin heißt es in Absatz 1, dass „geeignete Maßnahmen zu treffen“ sind, „um einer Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen und Arten durch Tiere und Pflanzen nichtheimischer oder invasiver Arten entgegenzuwirken“. Absatz 2 sagt, dass „Arten, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um invasive Arten handelt“, zu beobachten sind. Absatz 3 beinhaltet, dass „die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder unverzüglich geeignete Maßnahmen, um neu auftretende Tiere und Pflanzen invasiver Arten zu beseitigen oder deren Ausbreitung zu verhindern“ ergreifen müssen. Der letzte Absatz sagt aus, dass bei einer möglichen Gefährdung heimischer Arten etc. die invasive Art beseitigt werden kann.
Schwarze Liste invasiver Arten
Auf der Schwarzen Liste invasiver Arten sind Neobiota aus verschiedenen Ländern, die unter Beobachtung stehen, aufgelistet. In Deutschland wird diese Liste vom BfN herausgegeben, die auch als „Warnliste“ gilt. Es soll beobachtet werden, welche invasive Arten aus Naturschutzsicht zukünftig ein Problem darstellen können. Dazu werden die einzelnen Arten in verschiedene Gefährdungsgruppen eingestuft, die regelmäßig überprüft und angepasst werden. Zurzeit gilt der Halsbandsittich als potenziell invasiv und das BfN prüft, ob er ebenfalls in die Schwarze Liste aufgenommen werden soll.
Erschienen in der BUZ 1_16
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