Buchbesprechung – Plädoyer fürs Stadtleben

23. Januar 2023 | Ausgabe 1 / 2023 Stadt-Land-Umwelt, Rezension | 0 Kommentare

Klimakiller „Suburbia“

Carmen Planas


Wo sollen wir leben? Wie sollen wir leben? Warum sollten wir so und nicht anders leben? Und was haben diese Überlegungen mit dem Klima zu tun? Diesen Fragen geht der Klimaökonom Gernot Wagner in seinem Buch „STADT LAND KLIMA“ nach.

Stadt-Land-Klima von Gernot Wagner
ISBN: 978-3-7106-0508-6

Die Antwort auf die Frage, wo wir nach Ansicht des Autors leben sollten, ist von vorneherein unmissverständlich. Denn der zweite Titel lautet: „Warum wir nur mit einem urbanen Leben die Erde retten“. In der Stadt müssen wir also leben. Auf rund 200 Seiten erfahren wir, aus welchen Gründen das so ist.

Stadt, Vorort, Land

Die Welt wird zunächst in drei Wohnorte aufgeteilt: die Stadt, den Vorort und das Land. „Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten, Tendenz steigend.“ Da Wohnmöglichkeiten in den Städten immer knapper und teurer würden, ziehe es insbesondere die Mittelklasse in die Vorstädte und Vororte, kurz „Suburbia“. Für die USA gibt der Autor ungefähr 50 Prozent an, die in Suburbia leben und nimmt eine ähnliche Tendenz für zahlreiche Länder der Welt an. Ein kleiner Rest lebe auf dem Land. „Je nach Definition leben zwei bis zehn Prozent der Weltbevölkerung am Land, Tendenz fallend“, so Wagner.

Besser in der Stadt

Für den Natur- und Klimaschutz trifft man mit dem Wohnort „Suburbia“ die schlechteste Wahl: „Der Vororttraum ist Natur- und Klimakiller“, so der Autor. Denn in „Suburbia“ entstünden doppelt so viele CO2-Emissionen wie in Städten oder auf dem Land. Charakteristisch für „Suburbia“ seien nämlich größere Häuser, mehr Autos und mehr Konsum.
Im Unterschied zu „Suburbia“ skizziert der Autor die Stadt als ideale Wahl „für das tägliche Leben, für die persönliche Balance, für die Familie, für das eigene Wohnklima – und, ja, auch für das Weltklima“. Denn es seien die Städte, die das höhere Potenzial für Klimaschutz besäßen, wenn man an die Themen „Mobilität und Verkehr“ oder „Gebäudenutzung“ denken würde. Die Flächennutzung und die Gebäudeenergie wären effizienter. Viele Orte des täglichen Lebens seien schnell zu erreichen, zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmittel, so dass man mit deutlich weniger Autos auskäme.

Das Land für die Natur

Darüber hinaus betont der Autor, dass es in den Städten tendenziell eine Lebenseinstellung gäbe, die notwendig für einen angemessenen Klimaschutz sei. „Städte sind tendenziell liberaler, progressiver, sozialer und globaler ausgerichtet“, heißt es. Seine Meinung zum Wohnen auf dem Land ist auch deutlich. Hier sollten nur sehr wenige Menschen wohnen, denn es sei der Bereich, der insbesondere der Natur vorbehalten sei. „Klimaschutz“, so Wagner, „hängt von der Balance zwischen Stadt und Land ab.“ Auch der Naturschutz hänge davon ab. Dieser gelänge nur, wenn der überwiegende Teil der Menschheit in den Städten wohne.

Einladung zum individuellen Handeln

Mobilität, Moral und CO2-Absolution, Ernährung und mehr. Zahlreiche Themen nimmt der Autor unter die Lupe. Die Politik etwa sei insbesondere dafür verantwortlich, Alternativen zur derzeitigen CO2-intensiven Lebensweise zu schaffen. Der Einzelne müsse sich den Klimaproblemen ernsthaft stellen und intelligente Antworten auf drängende Fragen finden, wie zum Beispiel auf wie viel Quadratmetern er leben wolle.
Den Diskurs führt der Autor sowohl als Klimaökonom, der sich mit globalen Zahlen beschäftigt, als auch als Mensch, der sich fragt, was die Fakten für seine persönlichen Entscheidungen bedeuten. So ist das Buch mit zahlreichen persönlichen Anekdoten durchwoben. Dazu zählen zum Beispiel die 70 Quadratmeter in New York City mit einer vierköpfigen Familie, die Entscheidung ohne Auto zu leben oder der Verzicht auf die Waschmaschine.

Eingeschränkte Leseempfehlung

Die Balance zwischen professioneller und persönlicher Sicht auf die bedeutsame Thematik wirkt an vielen Stellen des Buches eher wenig ausgewogen. Auf der einen Seite plätschern die Erkenntnisse aus dem eigenen Nähkästchen ausführlich daher. Diese werden dann auf der anderen Seite relativ willkürlich mit wenigen Sätzen des Wissenschaftlers auf eine sachliche Ebene gelenkt. Die zahlreichen Wiederholungen in den einzelnen Kapiteln machen das Lesen auch nicht einfacher. Das Ganze spiegelt sich in der Gliederung des Buches wider. Sie ist wenig hilfreich dabei, die Übersicht über die komplexe Thematik zu behalten. Insgesamt hätte man dem Buch ein etwas sorgfältigeres Lektorat gewünscht. Dennoch sei die Lektüre allen gerne empfohlen, die sich damit beschäftigen möchten, wie sie mit ihren persönlichen Entscheidungen zu mehr Klimaschutz beitragen könnten. „STADT LAND KLIMA“ bietet sich hierfür durchaus als guter Diskussionspartner an.

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