Strom- und Wärmenetze im Klimaplan?
Eine wichtige Rolle bei der Realisierung des Klimaplans spielen die Stadtwerke Bonn. Sie sind in der Verantwortung, den in der kommunalen Wärmeplanung ausgewiesenen künftigen Nah- und Fernwärmeausbau umzusetzen. Lesen Sie außerdem, welche neuen Projekte zur regenerativen Stromerzeugung von SWB in unserer Stadt geplant sind.
Susanna Allmis-Hiergeist
Wie hoch ist derzeit der Anteil erneuerbarer Energien beim Strommix von SWB-Energie und Wasser? Lässt sich aus dem Kenntnisstand von der Bonn-Netz GmbH ableiten, wie hoch dieser Anteil in Bonn insgesamt, unter Berücksichtigung anderer Versorger und privater Erzeuger von Solarstrom, ist?
Der Unternehmensmix, also die Gesamtstromlieferung von SWB Energie und Wasser, bestand 2023 zu 88 Prozent aus Erneuerbaren Energien mit Herkunftsnachweis (nicht finanziert durch die EEG-Umlage) und zu 12 Prozent aus Erdgas. Um einen Überblick über den Strommix zu bekommen, der von allen Bonner Endverbrauchern bezogen wird, müssten die Stromkennzeichnungen aller Stromlieferanten bekannt sein und „gemischt“ werden. Diese Daten der Stromverträge aller Bonner Endverbraucher liegen uns jedoch nicht vor.
Wärmepumpen und der Umstieg auf Elektroautos werden trotz Einsparungen und Effizienzsteigerungen in etwa zu einer Verdopplung des Strombedarfs bis 2035 in Bonn führen. Ist dies aus regenerativen Quellen leistbar?
Die Herausforderungen sind enorm und dafür müssen regional wie überregional alle regenerativen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um deutschlandweit den steigenden Bedarf an Strom durch die Elektrifizierung von Verkehr und Wärme bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kohleverstromung und bereits erfolgtem Ausstieg aus der Atomenergie kompensieren zu können. Als kommunales Unternehmen sind wir uns unserer Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Bonn bewusst. Wir werden daher die Stromeigenerzeugung sukzessive auf 100 Prozent Erneuerbarer Energien umstellen.
Der Bau von Windenergieanlagen, die Installation von PV-Anlagen auf den Bonner Dächern und auch der Bau von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen in Bonn und Umland sind entscheidende Schritte für die Zielerreichung. Da die Erneuerbare-Energien-Potenziale in Bonn jedoch begrenzt sind, beteiligen wir uns weiterhin an überregionalen Wind- und Solarparks, um den Anteil an erneuerbaren Energien auszubauen.
Die Stadtwerke planen bis zu drei Windräder auf dem Heiderhof. Wie viele Haushalte könnten damit versorgt werden? Sind auch andere Standorte denkbar?
Mit den Anlagen ließe sich Strom für circa 13.000 Haushalte erzeugen. Untersuchungen des Stadtgebiets haben ergeben, dass nur zwei Flächen grundsätzlich für die Nutzung der Windenergie infrage kommen. Hiervon ist eine Fläche der Haselingsberg auf dem Heiderhof. Für den anderen Standort existieren derzeit keine Pläne, da dort kein Zugriff auf die erforderlichen Flächen gegeben ist.
Gemäß Klimaplan der Stadt Bonn sollen 27 Prozent des Wärmebedarfs im Jahr 2035 durch Fernwärme gedeckt werden. Dies wird im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung konkretisiert. Wie erweitern Sie das vorhandene Netz und welche zusätzlichen Gebiete sollen erschlossen werden?
Die Bundesstadt Bonn wird im Frühjahr mit der Erstellung der kommunalen Wärmeplanung beginnen, mit Fokus auf das Jahr 2035. Die Stadtwerke Bonn werden die Stadtverwaltung bei diesem Prozess unterstützen. Erste Ergebnisse der Wärmeplanung werden voraussichtlich bis Ende 2024 vorliegen.
Vor Abschluss der Wärmeplanung lassen sich daher leider keine Detailaussagen über zukünftige Ausbaumaßnahmen der Fernwärme treffen. Die SWB sehen jedoch die größten Potenziale für die Fernwärme in städtebaulichen Strukturen mit entsprechend hoher Wärmedichte wie Mehrfamilienhäusern oder anderer großer Abnehmer. Mit dem laufenden Projekt „Fernwärme 2035“ der SWB wurde in den vergangenen Jahren und auch aktuell der Ausbau des Fernwärmenetzes, die Erschließung neuer Versorgungsgebiete und der Anschluss neuer Kunden im bestehenden Netz vorangetrieben.
Die Wärmenetze sollen gemäß Wärmeplanungsgesetz bis 2030 zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent aus regenerativen Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Wie lässt sich das in Bonn sicherstellen?
Laut den Regelungen des Wärmeplanungsgesetzes ist die Wärme aus der thermischen Abfallbehandlung unvermeidbarer Abwärme gleichgestellt und damit bei der Dekarbonisierung der Wärmenetze voll anrechenbar. Die Fernwärmebereitstellung in Bonn erfolgt aktuell zu rund 50 Prozent aus regenerativ erzeugter Wärme beziehungsweise unvermeidbarer Abwärme aus der thermischen Verwertung der Siedlungs- und Gewerbeabfälle in der Müllverwertungsanlage. Dieser Mülldampf wird im Heizkraftwerk (HKW) Nord einer Hocheffizienzturbine zugeführt, die mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung klimaschonend Fernwärme (aber auch Strom) produziert. Mit diesem Anteil von 50 Prozent hat die Bonner Fernwärme bereits heute den ersten Zwischenschritt (30 Prozent-EE-Quote ab 2030) der gesetzlichen Dekarbonisierungsvorgaben erfüllt.
Um die verbleibenden 50 Prozent der Bonner Fernwärme sukzessive auf erneuerbare Energien umzustellen und damit dem Dekarbonisierungspfad zu folgen, haben SWB Energie und Wasser bereits frühzeitig die ersten Schritte in die Wege geleitet. Dabei haben wir nicht nur die gesetzlichen Zielvorgaben bis zum Jahr 2045 auf Bundesebene, sondern auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 in der Stadt Bonn im Blick. So wird ein Transformationsfahrplan, der den Pfad zur Erreichung der Klimaneutralität der Fernwärme beschreibt, derzeit erstellt.
Zudem setzt sich die SWB Energie und Wasser – gemeinsam mit der Bundesstadt Bonn – stark für eine Anbindung Bonns an das Wasserstoffkernnetz ein. Der Einsatz von grünem Wasserstoff in hocheffizienten KWK-Anlagen kann einen maßgeblichen Beitrag zur Zielerreichung „100 Prozent Grüne Fernwärme in Bonn“ leisten. Im Rahmen der Modernisierung des HKWs wurde bereits eine moderne wasserstofffähige Turbine installiert. Um mit dem Hochlauf der anteiligen Wasserstoffverbrennung beginnen zu können, startet dieses Jahr der Testbetreib zur Wasserstoff-Einspeisung.
Wir verfolgen dabei auch innovative Ansätze wie eine Großwärmepumpe im Rhein. Dazu hatten wir eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Ein Ergebnis dieser Studie war, dass wir den Rhein als Wärmequelle nutzen müssen, da er die größte natürliche Ressource in Bonn darstellt. Die Flusswasser-Großwärmepumpenanlage soll in Plittersdorf gebaut werden. Der erforderliche Wärmespeicher soll am Standort des Heizkraftwerk-Süd aufgebaut werden. Ziel ist es, dass wir diese Anlage 2026 in Betrieb nehmen können.
Werden die Stadtwerke Bonn auch Nahwärmenetze als Quartierslösungen anbieten?
Zusätzlich zur Bonner Fernwärme prüft SWB Energie und Wasser momentan Möglichkeiten, separate Nahwärmenetze zu errichten. Diese Inselnetze könnten vor allem dort aufgebaut werden, wo die Bonner Fernwärme in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht hin expandieren wird. Dazu zählt die rechte Rheinseite, der Bonner Süden und Gebiete im Bonner Westen. Ziel ist dabei, ausschließlich regenerative Quellen zu nutzen. Das Projekt „Inselnetze“ ist ein Teilprojekt der Ausbaustrategie „Fernwärme 2035“ und wurde im Jahr 2022 ins Leben gerufen.
Können Ihre Kunden künftig auch mit einem Angebot an klimaneutralen Brennstoffen wie grünem Wasserstoff, Bio-Methan oder klimaneutralem Heizöl für ihre privaten Heizkessel rechnen?
Zurzeit wird die Bonner Fernwärme durch die thermische Abwärme der Müllverwertungsanlage und durch das Hinzugeben von Gas erzeugt. Dafür nutzen die SWB das hocheffiziente Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-) im Heizkraftwerk Nord.
Die KWK-Anlage benötigt für den aktuellen Betrieb Erdgas als Brennstoff. Diesen fossilen Energieträger gilt es in den kommenden Jahren durch andere, „grüne“ Brennstoffe zu ersetzen sowie den Brennstoffverbrauch durch neue regenerative Erzeugungsanlagen zu verringern.
Den Transport von Wasserstoff über das derzeitig existierende Erdgas-Verteilnetz bis ins Wohngebäude sehen wir für Bonn hingegen – aus aktueller Sicht sowie aus technisch-wirtschaftlichen Erwägungen – als sehr ungewiss an.
Was gilt künftig beim Heizen?
Susanna Allmis-Hiergeist
Gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) muss jede neu eingebaute Heizung grundsätzlich mit 65 Prozent Erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese Vorgabe gilt in der Regel allerdings erst, wenn eine kommunale Wärmeplanung in der Kommune vorliegt. Die Novelle des GEG und das Wärmeplanungsgesetz sind zusammen am 1. Januar 2024 in Kraft getreten.
Wärmeplanungsgesetz
Die kommunale Wärmeplanung informiert Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, ob sie in den kommenden Jahren mit einem Fernwärmeanschluss oder einer Umstellung des Gasnetzes auf zum Beispiel Wasserstoff rechnen können. Bis spätestens Mitte 2028 werden alle rund 11.000 Kommunen Deutschlands eine Wärmeplanung erstellen. In Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern soll sie bereits bis zum 30. Juni 2026 vorliegen. Entscheidet ein Gemeinderat schneller über Ausbaugebiete für Fernwärme, können auch die Regelungen des GEG früher greifen. Bis 2045 müssen alle Wärmenetze klimaneutral sein. Neue Wärmenetze starten von Anfang an mit 65 Prozent Erneuerbaren Energien.
Gebäudeenergiegesetz
Unabhängig von der Wärmeplanung ist der 65-Prozent-Anteil der Erneuerbaren sofort Pflicht in Neubaugebieten. Für Neubauten in Bestandssiedlungen gelten die allgemeinen Regelungen. Funktionierende Heizungen können weiterbetrieben und im Störungsfall repariert werden. Sie haben 30 Jahre Bestandsschutz. (Anmerkung: Ersatzteile sind möglicherweise nur zeitlich begrenzt vom Hersteller lieferbar). Bis zum Ablauf der Fristen für die Wärmeplanung dürfen weiter neue Gasheizungen eingebaut werden. Sie müssen aber ab 2029 einen wachsenden Mindestanteil an Erneuerbaren Energien wie Biogas oder Wasserstoff nutzen können (2029: 15 Prozent, 2023: 30 Prozent, 2040: 60 Prozent, 2045: 100 Prozent). Nach dem Ablauf der Fristen für die Wärmeplanung können Gaskessel installiert werden, wenn die Wärmeplanung der Kommune die Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff vorsieht.
Bundesförderung energieeffiziente Gebäude (BEG)
Die Novelle sieht folgende Förderbestimmungen für den Heizungstausch vor:
30 Prozent Grundförderung, zusätzlich 20 Prozent Geschwindigkeitsbonus bis Ende 2028 (wird danach jährlich um 3 Prozent abgeschmolzen), weitere 30 Prozent bei einem zu versteuernden Einkommen von weniger als 40.000 Euro jährlich. Einfamilienhäuser sind mit maximal 30.000 Euro förderfähig. Die Förderung kann ab 27. Februar 2024 bei der KfW beantragt werden.
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