Jürgen unterwegs – in China?

27. März 2023 | Ausgabe 2 / 2023 China, Jürgen Huber, Jürgen unterwegs | 0 Kommentare


Jürgen Huber


Keine Angst, wir reisen heute nicht nach China, das ist nicht nötig. Wir bleiben erst einmal in Europa und schauen uns die Geschichte von „Made in Germany“ an. Nachdem wir in Bonn einen großen Elektromarkt besucht haben, wandern wir in Hausschuhen durch unsere Wohnung und wundern uns!

Die Geschichte von Made in Germany

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Großbritannien führende Industrienation in Europa. Die hergestellten Produkte bestachen mit einer sehr guten Qualität. Das verleitete dazu, diese Produkte als Plagiat in schlechterer Qualität auf den Markt zu bringen. Um diesem Tun Einhalt zu gebieten, musste ab dem Jahre 1891 jedes in Großbritannien vertriebene ausländische Produkt als solches gekennzeichnet werden. So entstand für Deutschland der diskriminierende Begriff „Made in Germany“.
Dank der sprichwörtlichen deutschen Gewissenhaftig – und Gründlichkeit wurde der Begriff schnell zu einem unerwarteten Qualitätsmerkmal.
Auch „Made in Japan“, zunächst ein Begriff für billig und minderwertig, zeichnet heute die japanischen Produkte als hochwertig aus; so z.B. Autos oder Elektronikartikel.

Die Globalisierung

Die Globalisierung hat es mit sich gebracht, dass viele Produkte gar nicht mehr im eigenen Land hergestellt werden. Trotz weiter Transportwege können manche Länder diese Produkte billiger auf den Markt bringen als im Land des Verkaufes.
Das dieses Verhalten sich irgendwann rächen würde, war zu erwarten. Eine spürbare Quittung gab es beispielsweise mit Beginn der Corona Pandemie, als in China hergestellte Masken bei uns nicht zur Verfügung standen, sich dann wegen des Mangels der Preis vervielfachte. Plötzlich fiel es allen möglichen Industriezweigen in Deutschland ein, doch Masken produzieren zu können, um Deutschland vor der Pandemie zu retten. Auch im Arzneimittelsektor machte sich dieses stark bemerkbar, viele Menschen mussten auf ihr Medikament verzichten. (Mehr auf Seite 7)
Selbst wenn wir Produkte mit Made in Germany erwerben, so sagt es öfters nur aus, dass die Produkte in „Germany“ zusammengebaut werden. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Bauteilen kommt aus den asiatischen Ländern.

Bonn

Schauen wir uns in Bonn um. In Friesdorf sitzt seit knapp 90 Jahren die Firma Boge.
Auf deren Webseite lesen wir:
„Der Standort Bonn ist Hauptentwicklungszentrum für Antriebsstrang und Nutzfahrzeug-Anwendungen: Von der innovativen Idee und dem Bau der Prototypen bis hin zur Serienreife der Produkte wie dem Differentiallager, den Drehmomentstützen und Getriebelagern, den konventionellen oder hydraulisch zu schaltbaren und aktiven Motorlagern. In Bonn wird auch die Gummimischung für diese Produkte entwickelt und im Anschluss im eigenen Mischwerk produziert. Der Standort ist in der Lage jeden Entwicklungsschritt abzubilden und arbeitet für fast alle großen OEM.“
Doch BOGE strauchelt gewaltig, glauben wir dem Bericht in einer Bonner Tageszeitung. Im August 2022 erfuhren die Beschäftigten, dass der Standort Friesdorf im August 2024 geschlossen werden soll. Im Dezember 2022 ist der für die Technik zuständige Vorsitzende der Geschäftsführung überraschend zurückgetreten. Dieser könnte, so wird gemunkelt, von einem Chinesen ersetzt werden. Denn nebenbei erfahren wir, dass BOGE seit 2014 zu einem chinesischen Konzern gehört. Viele Mitarbeitenden haben schon einen Auflösungsvertrag unterschrieben, und somit verlieren andere BOGE Standorte wertvolle Fachkräfte.
Nicht weit davon entfernt finden wir die Firma SGL Carbon. Ur-Godesberger*innen als Ringsdorff Werke bekannt. Die Familie verlegte ihren Sitz im Jahre 1910 von Essen nach Mehlem. Er wurde bis in die 1960er Jahre als Familienbetrieb geführt, in den 1960er Jahren verkaufte die Familie Anteile an Hoechst und Siemens. In den 1990er Jahren wurde es weiter an die SGL Carbon AG verkauft.
SGL Carbon schreibt uns:

Als SGL Carbon noch Ringsdorff hieß © Jürgen Huber

Die SGL Carbon ist ein technologiebasiertes und führendes Unternehmen bei der Entwicklung und Herstellung von kohlenstoffbasierten Lösungen. Ihre hochwertigen Materialien und Produkte aus Spezialgraphit, Carbonfasern und Verbundwerkstoffen kommen in zukunftsbestimmenden Industriebranchen zum Einsatz: Automobil, Luftfahrt, Halbleitertechnik, Solar- und Windenergie, LED sowie bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien, Brennstoffzellen und anderen Energiespeichersystemen. Darüber hinaus entwickeln wir Lösungen für die Bereiche Chemie und industrielle Anwendungen.

Insgesamt hat die SGL Carbon 31 Standorte, mehrheitlich in Europa. Ein wichtiger Standort ist unser Werk in Bonn, der zu 100 % der SGL Carbon gehört.

Die SGL Carbon SE, als Muttergesellschaft aller Standorte und Tochtergesellschaften, ist ein börsennotiertes Unternehmen. Unsere Aktien werden an der Frankfurter Börse gehandelt. Hauptanteileigner sind die SKION AG (28,5 %) mit Sitz in Bad Homburg, die BMW AG (18,4 %) mit Sitz in München sowie die Volkswagen AG (7,4 %) mit Sitz in Wolfsburg. Die restlichen 45,7 % unserer Aktien sind Streubesitz. Das unsere Aktien Inhaberaktien sind und täglich an der Börse gehandelt werden, ist uns die Zusammensetzung des Streubesitzes nicht bekannt.
Volle Auftragsbücher und gute Bilanzen funktionieren auch ohne Chinesen.

Produkte in unserem Haushalt

Die Produkte in unserem Haushalt sind von einer erstaunlichen Internationalität. Unsere AEG Waschmaschine wird in der Türkei gebaut, genau wie der Fernseher von Grundig. Die Bosch Küchenmaschine in Slowenien. Viele Elektronikteile kommen aus Asien.
Wer also glaubt, Ware „Made in Germany“ zu erwerben, sollte mal hinter oder unter das Gerät schauen. Wenn gar nichts mehr angegeben ist wird eine Internetrecherche zum Herstellungsland spannend.

Fazit

Die Politik sollte eigentlich etwas aus den Geschehnissen gelernt haben. Masken aus China, Gas aus Russland und Bauteile aus Asien haben unser Leben in der jüngsten Vergangenheit ordentlich auf den Kopf gestellt.
Einen Krieg werden die Chinesen nicht anzetteln müssen, um folgenreich auf Sanktionen der EU reagieren zu können. Sie stoppen einfach den Warenstrom, wir bekommen dringend benötigte Waren nicht mehr.

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