Wahlbeobachtung bei der Bundestagswahl 2017
In den USA, in Frankreich, im Frühjahr in der Türkei und jüngst in Kenia wurden Ergebnisse von Wahlen angefochten, oder es mehrten sich die Stimmen, der Wahlablauf oder das Ergebnis sei manipuliert worden. Kritik und Proteste kamen sowohl von der politischen Opposition als auch von Journalisten und Bürgern. Und in Deutschland? Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Zu beobachten ist, dass auch hierzulande die Sorge vor Manipulationen – vor, während und nach – der Wahl wächst.
Daniela Vogt
Unterschieden wird die Wahlfälschung von der Wahlbeeinflussung. Bei Wahlfälschungen verletzen Kandidierende, Parteien oder zum Beispiel Interessengruppen bewusst demokratische Grundsätze, um ein gewünschtes Wahlergebnis zu erzielen, damit die Regierungsmacht gesichert oder gewonnen wird. Fälschen kann man ein Ergebnis bei der Auszählung der abgegebenen Stimmzettel, der Übermittlung von Teilergebnissen oder der Berechnung des Gesamtergebnisses.
Direkte Manipulation unwahrscheinlich
Die direkte Manipulation der Wahlergebnisse in Deutschland scheint auch Sicherheitsexpert*innen unwahrscheinlich. Die Stimmen werden im Wahllokal öffentlich ausgezählt, von dort an die Gemeinde bzw. an den Kreiswahlleitende per Telefon oder Kurier übermittelt und elektronisch an die Landeswahlleitenden und schließlich an die Bundeswahlleitung weitergegeben. Die Übermittlung der Wahlergebnisse aus den Wahlkreisen an die Landeswahlleiteung erfolgt über ein vom Internet abgeschottetes internes Behördennetz, das als wenig anfällig gilt. Besonders geschützt wird die Website, auf der die Stimmauszählungen aus den einzelnen Wahlkreisen am Wahlabend veröffentlicht werden. Außerdem gilt für Wahlverfahren in Deutschland das Öffentlichkeitsprinzip. Vom Zusammentritt des Wahlvorstands am Morgen des Wahltags bis zur abschließenden Beschlussfassung über das Wahlergebnis im Wahlraum kann jeder in einem Wahllokal anwesend sein und die Abläufe beobachten, wenn der Ablauf nicht gestört wird. Diese öffentliche Kontrolle des Wahlverfahrens schützt die Wahlrechtsgrundsätze (allgemein, frei, gleich und geheim) und soll eine Manipulation der Wahl verhindern.
Zulässige und unzulässige Wahlbeeinflussung
Daneben gibt es eine Vielzahl unzulässiger Methoden der Wahlbeeinflussung. Die Grenzen zwischen unzulässiger zu zulässiger Wahlbeeinflussung (Wahlkampfführung und Festlegung der geltenden Wahlregelung) einerseits und zur Wahlfälschung andererseits sind mitunter nicht genau bestimmbar. Bei unzulässiger Wahlbeeinflussung wird versucht, Interessen unter formaler Einhaltung der zugrundeliegenden Rechtsordnung durchzusetzen, jedoch wird gegen Wahlgrundsätze verstoßen um das Ergebnis zu beeinflussen. Einige Beispiele für Beeinflussungen sind die gezielte Behinderungen des Ablaufs, der Kauf von Stimmen über den Ausschluss einzelner oder von Bevölkerungsgruppen, Änderungen in der Wahlgesetzgebung oder den Wahlbezirken gegen Ende einer Wahlperiode zwecks Machterhaltung. Im Vorfeld der Bundestagswahl am 24. September ist eine zunehmende Angst vor Cyberattacken (Spearphishing-Mails) und Falschmeldungen (Social Bots) im Internet vor allem bei Sicherheitsbehörden und bei Parteien zu beobachten, da über massenhafte Un- und Halbwahrheiten im Netz die Meinungsbildung beeinflusst werden kann. Denkbar sind beispielsweise ebenfalls Störungen des Wahlablaufs durch Falschmeldungen, wenn Meldungen über verlängerte Öffnungszeiten von Wahllokalen oder gar des Wahltermins auftauchen würden. Dann muss von den Verantwortlichen schnell eingegriffen werden und für eine Richtigstellung über Homepage, Twitter oder Pressemeldung gesorgt werden. Zunehmend beobachten aber auch Parteien mögliche Wähler*innen. Durch Microtargeting werden heute bereits auch in Deutschland gezielt Wechsel- oder sogar Nichtwählende angesprochen, um diese zu aktivieren bzw. deren Stimmen zu gewinnen.
Jedoch gibt es auch hier die Beeinflussung und Unkontrollierbarkeit; Stichwort dark posts oder Negativwerbung. In der digitalen Welt fehlt es oft an Kontrolle und Transparenz. Aber die direkte Einmischung in den deutschen Wahlkampf durch einen ausländischen Regierungschef, wie jüngst durch die Äußerungen von Recep Tayyip Erdogan geschehen, ist nicht nur unverschämt sondern verstößt gegen den Grundsatz der freien Wahl. Hier wurde gezielt in aller Öffentlichkeit auf die wahlberechtigten Deutschtürken Druck ausgeübt.
Wählen mit Behinderung
Außerdem wird immer wieder diskutiert und von karitativen Einrichtungen gefordert, behinderten und alten dementen Menschen allgemein die Teilnahme an Wahlen zu ermöglichen, zumal dies auch Straftätern möglich ist und in Artikel 29 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgeschrieben ist. Jedoch wird das Prinzip der geheimen Wahl durch Hilfestellungen beim Wahlgang aufgehoben, stellvertretend könnte sogar der Betreuende wählen.
Wahlfälschung bekämpfen
Eine Möglichkeit Wahlfälschung und -beeinflussung zu begegnen, ist eine gewissenhafte Beobachtung. Beispielsweise werden unabhängige Wahlbeobachtende offiziell von internationalen, regionalen Organisationen, wie der Europäischen Union (EU), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), entsendet. Aber nur, wenn diese Wahlbeobachtungsmissionen offiziell vom Gastland eingeladen wurden. Im Zuge der demokratischen Wandlungsprozesse in den Mittel- und Osteuropäischen Staaten und Zentralasiens gewann diese zunehmend an Bedeutung.
Westliche Staaten hatten sich hingegen regelmäßig einer offiziellen Wahlbeobachtung entzogen. Zur Bundestagswahl im September schickt die OSZE nun bereits zum dritten Mal Wahlbeobachter*innen, nach 2009 und 2013. Der Beobachtungszeitraum ist auf den Wahltag begrenzt und schließt die Vor- oder Nachbereitung aus. Gründe für die Entsendung gebe es keine. In demokratischen Gesellschaften ist es auch Aufgabe der Medien, unabhängig und kritisch über den Wahlprozess zu beobachten und darüber zu informieren, um zur Meinungsbildung beizutragen. Unmittelbar vor dem Wahltermin, im Wahlkampf, ist abzuwägen, inwieweit eine Berichterstattung über Probleme im Land, über Regierung und Opposition als Manipulationsversuch zu werten sind oder ob lediglich eine legitime kritische Berichterstattung vorliegt. Die Beeinflussung durch Medien und Bilder, wie beispielsweise in der Wahlwerbung, ist nochmal ein gesondertes Thema.
Allein das Recht zur unabhängigen Wahlbeobachtung, ob durch die Medien, die Bevölkerung oder internationale Wahlbeobachtende, ist eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen in die Demokratie und Politik. Werden umgekehrt Beeinflussungen bemerkt, tritt an die Stelle des Vertrauens schnell Misstrauen. Für Bürger*innen, die frei ihre Meinung bilden und ihre Wahl treffen, ist ein erster Schritt die aufmerksame Beobachtung – gerade wenn populistische Bewegungen zunehmen. Wahlen bilden den Grundstein unserer Demokratie. Sie sind eine Möglichkeit, unsere Gesellschaft mitzugestalten.
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