Nostalgie – Über das Jagdrecht und seine Novellierung in NRW

30. März 2023 | Nostalgie, Susanna Allmis-Hiergeist, Umwelt | 0 Kommentare

Reizthema Jagd


Susanna Allmis-Hiergeist


Die Jagdpraxis in Deutschland wird von vielen Naturschutzverbänden kritisch gesehen. Häufig als Rechtfertigung herangezogene Wildschäden wurden vielerorts nicht zurückgedrängt, und während die Bestände von Wildschweinen und Rehen weiter anwachsen, werden Feldhasen und Rebhühner immer seltener. Den Handlungsbedarf haben immerhin einige Bunderländer u.a. Nordrhein-Westfalen erkannt und in landesspezifischen Jagdrechtsnovellen auch dem Thema Tierschutz in stärkerem Maße Rechnung getragen.

Bei wenigen Naturthemen prallen die Meinungen von Gegnern und Befürwortern so stark und emotional aufeinander wie beim der Jagd auf wildlebende Tiere. „Jagd ist Mord“ ist in großen Lettern auf einer Wand am Aufstieg zum Kottenforst
zu lesen. Die so beschuldigten Jagdverbände fühlen sich von Vorurteilen verfolgt und sehen sich dagegen in der Verantwortung für Artenschutz, Hege und die Regulierung von Beständen in einer veränderlichen Umwelt.

Geschichte und Gesetze

Die postulierten hehren Ziele lassen sich in der Geschichte der Jagd nicht immer belegen. Die steinzeitlichen Sammler und Jäger mussten ihren Lebensunterhalt u.a. mit dem Erlegen wilder Tiere sichern, bevor es Landwirtschaft und Haustierhaltung gab. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stand in Deutschland das Jagdrecht den Landesherren (lange im Kottenforst den Kurfürsten) zu, die damit ganz wesentlich Sport, Zeitvertreib und Geselligkeit verbanden. Erst im Gefolge der Revolution 1848/49 ging in fast allen deutschen Staaten dies Recht auf die Grundeigentümer über.

Die heutige Form des Bundesjagdgesetzes stammt von 1953, ist als Rahmengesetzgebung für die Jagdgesetze der Länder zu verstehen und regelt sowohl Rechte wie auch die Pflicht zur Bejagung und Hege der unter das Jagdrecht fallenden Tiere. Ein Jagdrevier, das zur eigenen Jagd berechtigt, muss mindestens 75 ha groß sein. Da aber nicht jeder Besitzer eines Waldstückes diese Zielgröße erreicht und auch tatsächlich zur Ausübung der Jagd befähigt ist, also eine Jägerprüfung abgelegt hat, werden zusammenhängende Grundstücke zu größeren Jagdbezirken zusammengefasst, die von Jagdgenossenschaften bewirtschaftet werden und deren Bejagung i.d.R. an ausgebildete Jäger verpachtet wird.

Wo und was darf gejagt werden

Der Schutz von Lebensräumen und die Erhaltung der Artenvielfalt sind Ziele, wie sie das neue ökologische Jagdgesetz für Nordrhein- Westfalen (ÖJG), das am 28. Mai 2015 in Kraft getreten ist, formuliert. Lebensräume: das sind einerseits die Kulturlandschaften, in denen die Menschen Ackerbau betreiben, Vieh züchten, Holz anbauen oder sich einfach nur erholen wollen, aber auch die Nahrungs- und Rückzugsräume der verschiedenen Wildtierarten, die teilweise wieder untereinander in Konkurrenz stehen.

In NRW werden fast alle nicht befriedeten Flächen bejagt. Das sind etwa 2 Millionen Hektar und entspricht 80% der Landesfläche. Jagdfrei sind Hausgärten, Kleingartenanlagen und Friedhöfe. Dem Jagdrecht unterliegen beim Haarwild z.B. das Schalenwild (Paarzeher wie Rehe, Rotwild und Wildschweine), Feldhase und Wildkaninchen, Steinmarder, Iltis, Hermelin, Waschbär, Dachs und Fuchs. Bei Dachs und Fuchs wurden allerdings in der NRW-Jagdrechtsnovelle die Baujagden verboten, die die Rückzugs- und Nesträume der Tiere direkt angreifen und auch für die jagenden in die Gänge gezwängte Hunde Stress und Verletzungsgefahr bedeuten. Lediglich in Ausnahmefällen ist eine Jagd erlaubt, z.B. in einem künstlichen Bau in Naturschutzgebieten, um die Bestände von Bodenbrütern zu sichern. Wildkatzen und Luchse wurden ganz von der Liste der jagbaren Arten gestrichen. Beim Federwild stehen weiterhin Rebhuhn, Fasan, Ringeltaube, Rabenkrähe, Elster, Stockente und Waldschnepfe auf der Liste, mit Rebhuhn und Waldschnepfe Vogelarten, die schon sehr selten geworden sind. Graureiher und Greifvögel, die über Teilen des Kottenforstes in großer Zahl kreisen, sind dagegen zukünfig von der Jagd ausgenommen. Wann gejagt werden darf und wann Schonzeit ist, regelt eine Verordnung zum Jagdgesetz (Landesjagdzeitenverordnung). In der Regel beginnen die unterschiedlichen Zeiten für die einzelnen Wildarten im Frühherbst und enden mit den letzten Wintermonaten. Einige Jungtiere wie Frischlinge, Wildkaninchen und junge Waschbären dürfen während des ganzen Jahres geschossen werden. Für die bestandsgefährdeten Rebhühner und Waldschnepfen wurde hingegen eine ganzjährige Schonzeit bis Ende 2020 eingeführt, um eine Erholung der Populationen zu ermöglichen.

Regulativ Abschusszahlen

Wieviel Wild jeder Art geschossen werden darf und muss, den sogenannten Abschussplan, legt die untere Jagdbehörde auf Vorschlag der Jagdberechtigten in Abstimmung mit weiteren Betroffenen wie Forstämtern und Landwirten fest. Ziel ist es, einen robusten Bestand zu erhalten. Das Problem: in vielen Fällen ist der Bestand nicht wirklich bekannt und daher auch als Messlatte zur Überprüfung der Jagdziele untauglich.

Und weitere Themen sind hausgemacht: werden Schalentiere durch die Jäger im Winter gefüttert, fallen natürliche Regulative wie sehr kalte Winter weg und es darf/muss mehr geschossen werden. Ein anderes Problem stellen ausgedehnte landwirtschaftliche Monokulturen z.B. mit Mais zur Biogaserzeugung dar, die für Wildschweine sowohl eine gute Futterbasis wie eine optimale Deckung bieten. Ein Bauer am Rande der Lüneburger Heide berichtete, dass er bei der Maisernte verblüfft feststellen musste, dass neben einer pflanzlichen Randeinfassung im Innern seines Feldes nur noch Stoppeln übrig geblieben waren. Grenzen die Felder dann auch noch ohne Schneisen unmittelbar an den Wald, sind die Räuber selbst durch die Jäger nur noch schwer im Zaum zu halten. Hier drängt das neue NRW-Jagdgesetz darauf, dass Jägerinnen und Jäger sowie Waldbesitzer und Landwirte die jagdliche Konzeption stärker gemeinsam planen.

Dem Tierschutz Rechnung tragen

Welche weiteren Neuerungen sind von Interesse? Auf Drängen der Umweltverbände ist es gelungen, neben der künftig grundsätzlich verbotenen Baujagd auf Füchse weitere tierschutzrelevante Maßnahmen in die Novellierung des NRW-Jagdgesetzes aufzunehmen: Totschlagsfallen für Tiere wie Marder und Waschbären werden verboten, im näheren Umkreis von Wildbrücken oder -unterführungen darf nicht mehr gejagt werden und bei der Jagdhundeausbildung ist die Arbeit mit lebenden Enten und Füchsen untersagt. Und: streunende Katzen und Hunde dürfen nicht mehr getötet werden, wildernde Hunde nur bei akuter Bedrohung und wenn mildere Maßnahmen nicht greifen. Außerdem darf nicht mehr mit bleihaltiger Büchsenmunition geschossen werden und die Jagdausübenden müssen zur Teilnahme an einer Bewegungsjagd einen jährlichen Schießnachweis erbringen.

Auch das Bundesjagdgesetz hat im Jahr 2013 eine menschen- und tierfreundliche Passage aus dem EU-Recht übernommen. Wer formal mit seinem Grundstück zu einem Jagdbezirk gehört, aus ethischen Gründen aber keine Jagdausübung dulden möchte, kann einen Antrag auf Befriedung stellen. Dem folgen Anhörungen aller Betroffenen und am Ende eine abwägende Entscheidung. Liest man im Gesetz die Liste der möglichen Ablehnungsgründe und sonstigen Restriktionen wie Schadensersatz nach, wird der Tierfreund bis zur tatsächlichen Verschonung einen langen Atem haben müssen.

Ein Tipp zum Schluss: den Marder oder Waschbär unterm Dach dürfen Sie künftig auch mit einer Lebendfalle nicht mehr selber fangen, sondern müssen einen Jäger beauftragen. Warum man hierzu nicht Biologen oder Tierärzte zu Rate ziehen kann, bleibt rätselhaft.

Erschienen in der BUZ 1_16

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