Über die Wechselwirkung zwischen Allergien und Umweltfaktoren
Susanna Allmis-Hiergeist
Die Häufigkeit allergischer Symptome ist seit Jahren ansteigend. Nicht nur die Fallzahlen, auch die Schwere der Erkrankungen insbesondere bei Asthma nimmt stetig zu. Studien der WHO ergaben, dass die Ausweitung des Kreises betroffener Personen in den westlichen Industrieländern besonders signifikant ist. Als Ursachen kommen neben der genetischen Disposition veränderte Nahrungsketten ebenso wie Außen- und Innenraumschadstoffe in Frage. Auch wenn Schadstoffe Allergien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht direkt auslösen können, erhärtet sich der Verdacht, dass sie als sogenannte Adjuvantien Hilfestellung bei der Verbreitung und Schwere der Erkrankungen leisten.
Der Begriff Allergie wurde bereits 1906 von einem Wiener Kinderarzt geprägt. Er definierte die Allergie als eine veränderte körperliche Reaktion auf eine normalerweise harmlose Substanz. Diese „harmlosen Substanzen“ heißen Allergene und bestehen in der Regel aus Eiweißen oder Eiweißverbindungen. Der bekannteste Transporteur von Allergenen ist der Pollen windbestäubter Pflanzen, wobei die Allergene nur einen Bruchteil der Biomasse des ohnehin winzigen Pollenkerns ausmachen. Weitere Allergenträger sind Tierhaare sowie der Kot der Hausstaubmilbe, aber auch der Verzehr von Stein- und Kernobst kann allergische Symptome im Mund und im Darmtrakt auslösen.
Die allergische Reaktion
Die Freisetzung der Allergene aus den Trägermaterialien erfolgt teilweise bereits in der Luft, häufig aber erst unter Einfluss von Feuchtigkeitb etwa in den Nasenschleimhäuten, in den Augen oder im Rachen. Das Immunsystem allergischer Personen reagiert darauf mit der Bildung von Antikörpern (Immunglobulin E), die nicht nur auf Allergene spezialisiert sind, sondern auch ganz „normale“ Parasiten abwehren. Die Antikörper docken sich in den Schleimhäuten an sogenannte Mastzellen, gefüllt mit Botenstoffen wie Histamin und Heparin an. Diese erste Stufe nennt man Sensibilisierung und der Betroffene ist in der Regel noch symptomfrei. Erst durch weitere Kontakte mit Allergenen, einer dichten Besiedelung der Mastzellen mit Globulinen und einer Kreuzvernetzung von Allergenen auf diesen Globulinen wird das in den Mastzellen enthaltene Histamin massiv freigesetzt und in wenigen Sekunden eine heftige allergische Reaktion in Gang gesetzt. Die Symptome sind bekannt: Heuschnupfen, Bindehautentzündung, Asthma, aber auch die Haut (Neurodermitis) und der Darmtrakt können betroffen sein.
Die Rolle der Umweltfaktoren
Lange schon wurde vermutet, dass neben Veranlagung auch Umweltfaktoren das Auftreten von Allergien beeinflussen. Die Annahme, eine besonders starke Umweltverschmutzung rufe auch verstärkte Abwehrreaktionen hervor, schien nach der deutschen Wiedervereinigung und der damit verbreiterten Datenbasis erst einmal wiederlegt: trotz hoher Schadstoffbelastung in östlichen Industriegebieten waren Allergien im Westen deutlich häufiger als im Osten. Doch bald setzte sich die Erkenntnis durch, dass man den jeweiligen Schadstoffcocktail genauer betrachten muss. Bedingt durch das sukzessive Verschwinden von Kohleheizungen und die Zunahme verkehrsbedingter Emissionen enthält unsere Umgebungsluft heute weniger Schwefeldioxid und grobe Staubpartikel, dafür jedoch vielerorts hohe Konzentrationen an Stickoxiden, Ozon und sehr feinen Partikeln wie Dieselruß. Insbesondere die feinen Luftinhaltsstoffe scheinen in verschiedenste Wechselwirkungen mit den Pollenkörnern zu treten. Nach Erkenntnissen des Zentrums „Allergie und Umwelt“ (ZAUM) in München bilden Pollenproteine regelrechte Fluggemeinschaften mit anderen luftgetragenen Partikeln. Dabei kann es zur verstärkten Freisetzung von Allergenen und zur vermehrten Entstehung von allergenhaltigen Aerosolen kommen, die unter Umgehung der Schleimhäute direkt in die Bronchien eindringen. Innerstädtische Wohnlagen mit starken Verkehrsemissionen werden so zur Falle für Asthma-Erkrankte. Darüber hinaus scheinen Luftschadstoffe auch auf der Ebene der Sensibilisierung und in der Auslösephase in den allergischen Prozess einzugreifen. Ein relativ neuer Befund ist, dass Pollen neben Proteinen eine Reihe von ungesättigten Fettsäuren freisetzen, die im menschlichen Körper Zellen für Entzündungsreaktionen auch bei Nicht-Allergiker aktivieren. Und wie bei den Allergenen wirken Luftschadstoffe dabei prozessverstärkend.
Handlungsbedarf in den Kommunen
Die Interaktion von Luftschadstoffen und Allergenen legt nahe, dass die Thematik zweigleisig angegangen werden muss. In kommunalen Grünanlagen sollten Gewächse mit Problempollen wie Erle, Birke und Haselnuss vermieden werden; Beifußgewächse sollten möglichst dezimiert werden. Gleichzeitig hilft ein effektiver Luftreinhalteplan, Brennpunkte der Schadstoffbelastung zu erkennen und Maßnahmen zu deren Reduzierung zu entwickeln. In Bonn wurde Anfang 2010 nicht unumstritten eine Umweltzone eingerichtet. Fahrzeuge mit roter Plakette wurden aber erst Mitte 2012 aus diesem Areal verbannt, Fahrzeuge mit gelber Plakette dürfen noch bis Mitte 2014 darin fahren. Und nun wundern sich interessierte Kreise doch tatsächlich, dass bisher trotz Umweltzone bei den Messwerten noch keine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist.
Erschienen in der BUZ 3_13
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