Mit Weitsicht zurück in die Zukunft
Esther und Andreas Reinecke-Lison
Das Beueler Wappen ziert zu Recht eine auf Wellen schaukelnde Fähre, denn seit 1673 wird hier der Rhein so überquert. Fähren oder Wasserbusse mit neuen Antriebstechnologien sind touristisch attraktiv und angesichts des drohenden Straßenverkehr-Kollapses dringend erforderlich.
Ein Artikel aus der Ausgabe 3/2023
Die 350-jährige Fährverbindung Beuel-Bonn ist seit September 2022 unterbrochen: „Rheinnixe“-Fährmann Hans-Peter Fischer ist gestorben, eine Nachfolge nicht in Sicht. Die Eigentümerin will das Schiff zukünftig in Köln einsetzen. Und die Stadtverwaltung zeigt „kein Interesse an der Übernahme des Fährbetriebs“.
2023 wird das Bonner Rheinufer auf Basis des „Masterplans Innere Stadt 2.0“ weiter umgestaltet. Dieses Konzept ergänzt eine Fähre oder ein Wasserbus über den Rhein sehr gut. Ein Fluss ist halt nicht nur eine Wasser“straße“ für ökonomische Zwecke. Tagestourist*innen und Einheimische können eine tolle Panorama-Aussicht auf Bonn und das Siebengebirge genießen, wie einen Kurzurlaub. Die Umwelt wird bei gemächlicher Fahrt bewusster wahrgenommen. Menschen und Kulturen finden hier zusammen. „Die Kennedybrücke lädt nicht zum Schlendern auf die Beueler Seite ein. Mit der Fähre wäre ich aber gerne gefahren.“, so ein Tourist aus Berlin jüngst zu den Autoren.
Personenbeförderung zu Wasser ist auch geboten, will Bonn in den nächsten zehn Jahren den Verkehrskollaps wegen Neu- und Ausbau der Autobahnen und Brücken verhindern. Pendler*innen zu Schule und Arbeit können per Wasserbus mit Deutschlandticket ab Mondorf bis Bad Godesberg im Linienbetrieb fahren. Eine zusätzliche Nutzung für Transporte ist denkbar, etwa für Pakete. In Köln ist 2022 beschlossen worden, ein Wasserbus-Netz einzuführen. Für Bonn hatte das der Bund Deutscher Architekten bereits 2011 vorgeschlagen.
Für einen Verbrennungsmotor kann es keine Zukunft mehr geben, denn der Wirkungsgrad dieses Antriebs ist viel zu niedrig und die Umweltbelastung zu hoch. Weil ab 2024 der maritime Sektor Teil des EU-Emissionshandelssystems wird, sind alternative Antriebsarten gefragt.
Sie hörten dem Wasser zu, welches die Stimme des Lebens, des Seienden, des ewig Werdenden war. (Hermann Hesse)
Eine Alternative sind Elektroschiffe mit Batterieantrieb, die es in allen möglichen Größen (für 45 bis 300 Passagiere) gibt, unter anderem in Kiel, Rostock, auf der Mosel und am Bodensee, teils auch in städtische Verkehrsverbünde integriert. Die wohl erste Elektro-Fähre Deutschlands, wenn nicht gar Europas gab es bereits 1908 – zwischen Niederdollendorf und Bad Godesberg! Das Schiff wurde März 1945 durch die Wehrmacht versenkt. Die Lux-Werft kann Fähren auf Batterieantrieb umbauen; so hat sie es auch mit den eigenen Fähren in Mondorf und Bad Godesberg vor.
Die andere Alternative sind Elektroschiffe mit Wasserstoffantrieb, wie etwa in Rotterdam (Wassertaxi für zwölf Passagiere) und Norwegen (Fähre für 300 Passagiere). Die Jungfernfahrt des weltweit ersten Passagierboots mit Wasserstoffantrieb fand am 16.6.2000 statt – in Bonn, auf dem Rheinauensee! Es wurde auf Basis einer Diplomarbeit gebaut. 22 Passagiere fanden Platz.
Ob Batterie oder Wasserstoff: Beides wäre ein Schritt nach vorne, wegen des wesentlich höheren Wirkungsgrads. (Christian Machens, Entwickler des Bonner Wasserstoff-Boots).
Förderungsmöglichkeiten für Elektromobilität und Ladeinfrastruktur gibt es durch das Land Nordrhein-Westfalen, die NRW Bank, das Bundesverkehrsministerium und die EU (Horizont Europa). Bonn könnte sich auch der Initiative „Wasserstoff Rheinland“ anschließen. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft rund um Bonn arbeiten seit 2018 an der Nutzung von Wasserstoff, etwa für Busse, die in Brühl und Umgebung verkehren. Bei einem Schiffs-Neubau kann eine Modularbauweise viel Entwicklungszeit und Herstellungskosten einsparen, so das Fraunhofer-Institut IEM.
Man muss besser werden, als man vorher war. (Christian Machens)
Der Einsatz der neuen Antriebstechnologien verbraucht wertvolle Ressourcen, die nur endlich verfügbar sind (Kobalt für Akkus noch etwa 11 Jahre). Da die Rohstoffpreise weiter steigen werden, sind clevere technische Lösungen gefragt, etwa Akkus ohne Kobalt (EU-Projekt COBRA).
Nicht zuletzt sollten für „faire Fähren“ keine Ressourcen eingesetzt werden, die umweltschädigend und durch Ausbeutung von Menschen, auch Kindern, im globalen Süden gewonnen werden. Das würde der UN-Stadt Bonn mit vielen hier ansässigen entwicklungspolitischen Institutionen gut zu Gesicht stehen.
Bonn sollte die wegweisenden Ereignisse der lokalen Technik-Geschichte aufgreifen und nutzen. Bonn sollte auch zu Wasser moderne Technologien einsetzen, die das städtische Engagement für den Klimaschutz belegen und das Stadt-Image aufwerten. Bonn wäre jetzt noch die erste Stadt am Rhein mit einer Elektrofähre, was eine zusätzliche Tourist*innen-Attraktion wäre.
Siddhartha blieb bei dem Fährmann. Vom Fluss lernte er unaufhörlich. Vor allem lernte er von ihm das Zuhören, das Lauschen mit stillem Herzen, mit wartender, geöffneter Seele. (Hermann Hesse)
Informationsquellen-Auswahl:
Lokalzeit Bonn 17.3.2023, 31.3.2023 // GA28./29.1. 2023// electrive.net // virtuellesbrueckenhofmuseum.de // youtube: Wasserstoff-Boot Hydra
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