LRBS- Wohnraumoffensive funktioniert

20. Dezember 2024 | Ausgabe 1 / 2025 Demokratie und Umwelt, Dr. Susanne Gura, LRBS, Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Kommunen motivieren BürgerInnen zur Teilung und zum Umbau

Schon seit 2018 bringt die Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd ihre BürgerInnen zum Nachdenken und Handeln im Hinblick auf zu groß gewordene Häuser. Mit einem ausgeklügelten Programm hat die Kommune gute Erfolge bei der Mobilisierung von wenig genutztem Wohnraum erzielt, mit erstaunlich geringen öffentlichen Mitteln. In vier weiteren Kommunen investierten BürgerInnen so überzeugt in den Umbau, dass die Landesregierung nun in ganz Baden-Württemberg Umbau-Beratungskosten fördert.


Susanne Gura


2023 hat Schwäbisch Gmünd dafür den Preis „Soziale Stadt“ gewonnen. Innerhalb von sechs Jahren bekamen 943 Menschen eine Wohnung – immerhin rund 1,5 Prozent der Bevölkerung der knapp 63.000 Einwohner zählenden Kommune.

Umbau

Könnte Bonn das auch?

Auf die Größe von Bonn umgerechnet würde im Lauf von sechs Jahren für rund 5.000 Menschen Wohnraum zur Verfügung gestellt. Das wäre nicht wenig: die Einwohnerzahl in Bonn ist 2018 bis 2023 um 8.531 Personen gestiegen. Gleichzeitig wurden in Bonn insgesamt 5.321 neue Wohnungen fertiggestellt, was auch nicht wenig ist. Genug waren so viele Wohnungen vor allem deswegen nicht, weil vor allem bezahlbare Mietwohnungen fehlen.

Einen beherzten Versuch wäre das Schwäbisch Gmündner Modell zur Mobilisierung von verstecktem Leerstand deswegen sicher wert. Zumal das Verhältnis von Kosten und Nutzen bei weniger als 1000 €uro pro Wohnung unschlagbar günstig ist. Zudem steht Wohnraum kurzfristig zur Verfügung. Das allein sollten für Kommunen Argumente genug sein, sich nicht auf neues Bauland und Investoren zu fixieren, sondern auch andere, schnellere und billigere Lösungen zu entwickeln. Hinzukommt:

Bau von Erschließungsstraßen, Kitas oder Schulen fiele nicht an; vorhandener ÖPNV würde besser genutzt. Mehr noch: Eingesparte Neubauten, vermiedene Flächenversiegelungen und weniger PKW-Pendelei wären für Klima und Natur ein unschätzbarer zusätzlicher Gewinn.

Wie geht das?

Die Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd macht potenziellen VermieterInnen pragmatische Beratungsangebote, siehe Kasten. Sie hat sich einen Ruf als kompetenter und vertrauenswürdiger Ansprechpartner erworben. 866 Wohnungen wurden ihr angeboten, 321 davon wurden vermittelt. Auch den MieterInnen hilft die Stadtverwaltung ganz praktisch.
Das Budget für Sachkosten und qualifiziertes Personal sind die Säulen des Projekts, steht auf dessen Webseite. 100.000 Euro jährlich hat Schwäbisch Gmünd dafür investiert, davon sind 44 Prozent in die Sachmittel geflossen. Die Stadtverwaltung errechnete 823 € Sachkosten je vermittelte Wohnung.

Auf die Bonner Einwohnerzahl umgerechnet, müssten 550.000 Euro jährlich für das Beratungsangebot ausreichen, falls nicht noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Keine andere Wohnraumbeschaffungsmaßnahme sei kostengünstiger, so die Verwaltung der preisgekrönten „Sozialen Stadt“. Sie zählt zum Umland des hochpreisigen Stuttgart.

Was Schwäbisch Gmünd bietet

Angebote für Vermieter
• Beratung und Information rund um das Thema Vermietung
• Besichtigung des angebotenen Wohnraums durch Mitarbeiter der Stadtverwaltung
• Erstellung eines Exposés
• Festlegung von Mietkonditionen
• Unterstützung von Vermietern bei Formalitäten
• Ausfallbürgschaft für Miete und Nebenkosten für bis zu zwei Jahre
• Sanierungszuschüsse im Einzelfall bis zu 10.000 €

Angebote für Mieter
• Hilfe bei der Beantragung oder Anpassung von Sozialleistungen
• Vermittlung des Mietvertrags
• Im Einzelfall: Übernahme von Kosten für den Einzug

Mitarbeiter der Gmünder Wohnraumoffensive sind dauerhafte Ansprechpartner für Vermieter und Mieter, auch falls es nach der Vermietung zu Problemen kommen sollte

Prämien vom Land

Genau solche kommunale Arbeit wie Schwäbisch Gmünd seit 2018 entwickelt hat, fördert das Land Baden-Württemberg nun seit 2021 mit einer so genannten Wiedervermietungsprämie von bis zu 2.500 Euro je vermittelter Wohnung.

Eine weitere Prämie zahlt Baden-Württemberg seit April 2024 als Anreiz für die Kommunen, durch Beratung, insbesondere in Einfamilienhausgebieten, mittels Teilung und Umbau mehr Wohneinheiten zu schaffen. 400 Euro gibt es für die Architektenberatung. Diese Prämie wurde aufgrund der guten Erfahrungen des Umbau-Projekts des GVV Gullen eingerichtet.

Kommunen unterstützen Umbau

Vier kleine Gemeinden im Landkreis Ravensburg haben in ihrem Verwaltungsverband namens GVV Gullen ein dreijähriges Beratungsprojekt zu Teilung und Umbau von Einfamilienhäusern durchgeführt. Der Bericht, der im Kasten zusammengefasst ist, gibt einen Einblick, warum Beratung so essenziell ist. Trotz vieler Hindernisse haben etwa ein Zehntel der Beratenen sofort umgebaut. Entsprechend viele neue Wohnungen sind bereits entstanden. In ähnlich vielen Fällen scheitert der Umbau am Bebauungsplan. Etwa ein Drittel will später umbauen. Fehlende Finanzierung ist für zu viele ein Hindernis. Es scheint, dass noch viele Regularien angepasst werden müssen, damit alle die, die ihr Haus zwecks Schaffung neuer Wohnungen teilen und umbauen wollen, dies auch tun können. Aber ein beachtlicher Teil der Umbauwilligen kann es schon jetzt.

Baden-Württemberg hat das Potenzial erkannt und fördert die Umbauberatung nun landesweit mit minimalem Aufwand

Ergebnis der Umbauberatung des Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Gullen

• Geplant: 80 Beratungen/20 pro Kommune
• 84 Anfragen, 72 Beratungen abgerechnet
• 7 haben umgebaut
• 9 in näherer Zukunft
• 17 planen einen Umbau später
• Bei 6 ist das Haus ungeeignet
• 10 sagen, ein Umbau ist für sie nicht finanzierbar
• Bei 8 spricht der Bebauungsplan gegen einen Umbau
• 10 haben andere Gründe, die gegen einen Umbau sprechen
• Keine Rückmeldung von 4 Eigentümern
• 1 Haus ist abgebrannt, beim Wiederaufbau wurde darauf geachtet, dass von vorneherein 2 Wohneinheiten geschaffen wurden

QUELLEN

• Webinar der Grünen Liga „Mobilisierung von Wohnraum im Bestand durch kommunale Förderung“
• Stuttgarter Zeitung 3.7.24 „Hauseigentümer nutzen Beratungsprämie vom Land“
• MLW BaWü: www.wohnraumoffensive-bw.de/beratungspraemie

Angebote der Grünen Liga

 

• Datenbank mit Wohnberatungs-, Vermittlungs- und Förderangeboten https://grueneliga.de/wohnraum-datenbank.
• Mediensammlung mit Links zum Sehen, Hören und Lesen rund um das Thema Wohnen https://grueneliga.de/wohnraum-medien.

 

Lesehinweis

Die Möglichkeiten zu mehr Bauen im Bestand zeigt systematisch eine Studie „Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich“ des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR, 2023). Sie beantwortet insbesondere die Frage nach wirksamen Politikinstrumenten, samt Beispielen aus der Praxis.

Kontakt

Lebenswerte Region Bonn-Siebengebirge e.V. www.siebengebirgsregion.de,
www.ennertaufstieg.de
sg@siebengebirgsregion.de

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