Waldbrände im Amazonasgebiet
Es war DAS Gesprächsthema des vergangenen Jahres. Kaum ein Ereignis war so präsent in den Massenmedien und in internationalen Verhandlungen: Die unkontrolliert brennenden Wälder des Amazonasgebietes waren und sind eine ökologische Katastrophe von weltweitem Ausmaß und versetzten im August und September 2019 längst nicht nur „Grüne“ in Aufruhr.
Zu Anfang eine Warnung: Wie Sie vielleicht schon ahnen, wurde dieser Artikel nicht von einer waschechten Journalistin verfasst. Vielleicht ist das auch besser so, denn sonst bekämen Sie wohl „Hautnah-dabei-Bilder“ zu sehen und lebendige Beschreibungen von einer Katastrophe zu lesen, die besonders unsere Leser*innen wohl nur schwer verkraften könnten. Nein, hier schreibt eine Studentin, die zufällig gerade ein Praktikum im Bereich der Internationalen Waldpolitik absolviert. Hier konnte sie zumindest einen Kollegen und studierten Forstwissenschaftler, der vor wenigen Wochen in Brasilien auf Dienstreise war, zu seinen Eindrücken befragen. Nach Peter S. variierten die Reaktionen seiner Nach Peter S. variierten die Reaktionen seiner dortigen Kollegen auf die Brände zwischen „Schrecklich, aber wir müssen jetzt weiterkämpfen!“ und „…“ – Tränen der Verzweiflung. Er selbst ist ebenfalls tief betroffen, hat er doch sein gesamtes Arbeitsleben nichts anderes versucht, als die Wälder dieser Erde zu erhalten und sie zu stärken. Eine Zeit lang schienen seine und die Anstrengungen vieler auch Früchte zu tragen: 2017 ging die Zerstörung von Waldflächen in Brasilien noch um zwölf Prozent zurück. Schon seit Anfang der 2000er-Jahre war das Land ein Vorzeigestaat, was die Überwachung seiner Wälder anging, beherbergte es doch mit dem Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE) ein führendes Forschungsinstitut zur Satellitenüberwachung in (fast) Echtzeit. Dies lässt jedoch schon vermuten: Es brennt nicht zum ersten Mal im brasilianischen Wald. „Was haben denn alle? Es brennt doch jedes Jahr!“, hört man deshalb auch oft. Und ja, richtig, es brennt fast jedes Jahr im Amazonasregenwald, jedoch spricht der Name für sich: Der Wald ist hier in der Regel nass und fängt nicht einfach an, zu brennen. Hierfür braucht es starke Trockenheit wie sie zum Ende der jährlichen Trockenzeit zu finden ist und/oder Entwaldung, die dafür sorgt, dass mehr Wind in den Wald gelangen kann und ihn ebenfalls austrocknet. Und selbst dann noch entstehen die meisten Brände durch Brandrodungen. In diesem Jahr gab es nicht nur ungewöhnlich viele Feuer, sondern sie traten auch ungewohnt früh im Jahr auf. Grund dafür waren die extrem hohen Entwaldungsraten, deren Hauptverantwortlicher den meisten Lesern bekannt sein dürfte.
Der Leiter vom INPE wurde von Jair Bolsonaro schon kurz nach dessen Amtsantritt als Präsident im Januar 2019 mit der Begründung entlassen, das Institut schade nationalen Interessen. Seit der Ex-Militär das Land mit dem größten Anteil am Amazonas-Regenwald (ca. 60 Prozent) regiert, hat sich hier einiges verändert. Bolsonaro, von kritischen Zungen auch „Trump Südamerikas“ oder „Tropen-Trump“ genannt, hält die Entwaldung Amazoniens für notwendig für die Entwicklung seines Staates. Die Flächen würden für die Landwirtschaft, für Bergbau und Energiegewinnung benötigt, wofür der Regenwald aus dem Weg geschafft werden müsse – meist durch Brandrodung. Trotz dessen ist sich Bolsonaro für keine Schuldzuweisung zu schade. So beschuldigt er neben Leonardo DiCaprio gerne indigene Völker, welche schon seit Urzeiten auf kleinen Flächen Brandrodung zur Subsistenzwirtschaft betreiben, für die Feuer verantwortlich zu sein. Die Bewohner*innen des Regenwalds helfen dabei jedoch eher, diesen zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften. Was sie längst verstanden haben: Durch das Einrichten von Feuerschneisen lassen sich die Brände gut steuern. Nach einigem Zögern und viel politischem Druck hatte der Präsident dann aber doch ein Moratorium von zwei Monaten verhängt, welches das Legen weiterer Brände vorerst verhindern sollte. Jedoch war allen klar: Wer trotzdem rodet, braucht unter Bolsonaro keine Strafen fürchten.
Eins darf man jedoch nicht vergessen: Auch die anderen Amazonasstaaten tragen zum Verlust des Regenwaldes bei. Auch in Peru, Kolumbien, Bolivien und Co. sorgen Kokaanbau, Binnenkonflikte, die Entwicklung von Infrastruktur und unnachhaltige Forstwirtschaft für hohe Verluste. Hier lässt sich jedoch ein deutlich stärkerer politischer Wille für den Waldschutz erahnen: So schlossen im Spätsommer auf die Initiative Kolumbiens hin mehrere Länder den „Pacto de Leticia“ ab, einen Pakt mit dem Ziel, den gemeinsamen Regenwald zu schützen. Auch, weil sie wissen, dass Wiederaufforstung deutlich teurer und aufwändiger ist als der Schutz des noch bestehenden Waldes.
Auch außerhalb Südamerikas würde man gerne zum Schutz des Gebietes mit der weltweit größten Biodiversität beitragen. Ein wichtiges Argument hierfür ist die dortige Artenvielfalt, die unter anderem Grundlage für eine Vielzahl moderner Medikamente ist und weitere unentdeckte Heilmittel vermuten lässt. Das zentrale Argument sind jedoch die regionalen und globalen klimatischen Auswirkungen durch den Verlust einer natürlichen Klimaanlage und eines gigantischen Kohlenstoffspeichers. Dass „unser Haus brennt“, wissen selbst mächtige Politiker*innen. Und so gibt es neben den zahlreichen NGOs auch einige staatliche Initiativen, die sich für dieses Thema einsetzen. Ein Beispiel hierfür ist der Amazon Fund, welchen vor allem Deutschland gemeinsam mit Norwegen finanziert. Dieser liegt jedoch aktuell auf Eis, erklärt Peter S., denn besonders die Skandinavier wollen Bolsonaros Politik nicht unterstützen, auch weil dieser jegliche „Einmischung“ ausländischer Politiker, die so täten als gehöre der Wald ihnen, als neo-kolonialistische Anwandlungen abwehrt. Auch deswegen herrscht selbst innerhalb der Bundesrepublik Uneinigkeit bezüglich der Reaktion auf die Entwicklungen. Während das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit (BMU) eine ähnliche Politik fährt wie die Norweger, möchte das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nicht die Türen zuschlagen und findet, dass man Brasilien gerade jetzt bei dem Erhalt des Waldes unterstützen müsse. Die Entwicklung einer schnellen Lösung für dieses akute Problem – zum Beispiel internationale Regeln und Sanktionen – scheitert also bereits an internen Meinungsverschiedenheiten, ganz zu schweigen von internationalen Differenzen. Dem Regenwald – und damit uns allen – läuft die Zeit davon.
Dieser Artikel erschien in der BUZ-Ausgabe Januar/Februar 2020.
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