Demokratie verstehen

30. Dezember 2024 | Ausgabe 1 / 2025 Demokratie und Umwelt, Nachhaltigkeit, Umwelt | 0 Kommentare

Wie Bürger*innen die politische Willensbildung beeinflussen können

Wie kann in der repräsentativen Demokratie politisches Engagement über Wahlen hinaus wirksam werden? Das Petitionsrecht bleibt dabei weit hinter der direkten und der deliberativen (beratenden) Demokratie zurück.


Gisela von Mutius (Mehr Demokratie e. V.)


Alle Macht geht vom Volke aus

Laut Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes wird die Staatsgewalt “…vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Bis heute hat es der Deutsche Bundestag jedoch nicht geschafft, dem Souverän mit einem Ausführungsgesetz zum Recht auf Abstimmungen auf Bundesebene zu verhelfen. Deshalb nimmt der

117. Sitzung Deutscher Bundestag, TOP 4, Namentliche Abstimmung zum Atomausstieg.; Übersicht, Plenum
© Deutscher Bundestag; Foto: Achim Melde | Lichtblick

Souverän in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland seine Interessen nur durch Wahlen und mittelbar durch die gewählten Vertreter in den Parlamenten und Räten nach dem Mehrheitsprinzip wahr.

Mit zwei weiteren Formen der Demokratie kann sich der Souverän aber in die politische Willensbildung einbringen. Auf Länderebene und in den Kommunen gibt es Instrumente der direkten Demokratie: die Volks- oder Bürgerbegehren und -entscheide. Damit kann der Souverän selbst zum Gesetzgeber werden und sogar Ratsbeschlüsse wieder rückgängig machen. So hat die Bonner Bürgerschaft den Ratsbeschluss zum Bau eines Zentralbads revidiert, welches die Bäder in den Stadtbezirken ersetzen sollte. Eine weitaus schwächere Form der Demokratie sind zahlreiche formelle oder informelle Formen der Bürgerbeteiligung, u. a. die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planfeststellungsverfahren, Bürgerwerkstätten, Bürgerräte und Petitionen. Alle diese Formate werden unter dem Begriff der deliberativen (beratenden) Demokratie zusammengefasst. Alle haben gemeinsam den Nachteil, dass sie für die repräsentativen Organe nur Empfehlungscharakter haben und nicht bindend sind. Die gewählten Repräsentanten haben die Entscheidungshoheit.Die nebenstehenden drei Fotos stehen jeweils für die repräsentative, direkte oder beratende Demokratie:

 

Verbesserungen beim Petitionsrecht

Teilnehmende des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“ legen ihre Stimmzettel in eine Kiste.
© Deutscher Bundestag; Foto: Robert Boden|Mehr Demokratie

Artikel 17 des Grundgesetzes begründet das Petitionsrecht: “Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Jede und jeder kann sich also mit einem persönlichen Anliegen an eine Behörde, ein Amt oder die Petitionsausschüsse der Landtage und des Deutschen Bundestages wenden. Die Petition muss schriftlich gestellt werden und den Absender oder die Absenderin erkennen lassen. Die Petent*innen – sie bleiben selbstverständlich anonym – haben nur einen Anspruch darauf, dass die Petition entgegengenommen und das Ergebnis mitgeteilt wird, jedoch kein Recht auf eine mündliche Verhandlung oder Begründung.

Seit der ersten großen Reform des Petitionsrechts 2005 gibt es die öffentliche Petition. Sie kann von einer Gruppe von Gleichgesinnten gestellt werden – am einfachsten mit einem Online-Formular. Dieses neue Instrument wurde und wird vor allem von Organisationen und Vereinen genutzt, u. a. von Natur-, Umwelt -und Verbraucherverbänden, die sich dadurch mehr Gehör und Medienresonanz verschaffen können. Das belegt der wachsende Anteil der öffentlichen Petitionen. Neu eingeführt wurde auch die Regel, dass Petitionen, die innerhalb von vier Wochen nach Eingang (bei öffentlichen Petitionen läuft die Frist ab der Veröffentlichung im Internet) von 50.000 oder mehr Personen unterstützt werden, im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten werden.

Für öffentliche Petitionen hat zum 1. Juli 2024 der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages seine Verfahrensgrundsätze geändert und es damit für die Bürgerinnen und Bürger etwas leichter gemacht: Künftig braucht es nur noch 30.000 statt 50.000 Unterschriften, damit die Petition im Petitionsausschuss öffentlich angehört wird. Die Frist für die Unterschriftensammlung wurde von vier auf sechs Wochen verlängert. Und erstmals muss der Petitionsausschuss eine Petition binnen zehn Sitzungswochen abschließend behandeln.
Dazu erklärt Ralf-Uwe Beck, Bundessprecher des Fachverbands Mehr Demokratie e.V.: „Das Petitionswesen wird reformiert, die ersten Schritte gehen in die richtige Richtung: stärkere Einflussrechte für die Bürgerinnen und Bürger. Mehr Demokratie begrüßt das.“
Der zweite von der Ampelkoalition geplante Schritt, per Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages besonders große und gesamtgesellschaftlich bedeutsame Petitionen auch im Plenum zu diskutieren, ist nach dem Ende der Ampelregierung unwahrscheinlicher geworden.
Das Hauptmanko des Petitionsrechts bleibt gegenüber der direkten und der deliberativen Demokratie so oder so bestehen: Öffentliche Petitionen sind Stimmungsbilder und bestenfalls Denkanstöße für die Abgeordneten. Ob sie aufgegriffen und zur Änderung von Gesetzen, Verordnungen, Verfahren oder Plänen wie zum Beispiel dem Bundesverkehrswegeplan (siehe rechts: Artikel zum Ausbau der A565) führen, liegt allein in der Entscheidungsgewalt der Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

 

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