Eine Alpensage
Zahlreiche Sagen und Legenden ranken sich um die Alpen. Zu den bekanntesten zählen die vom grausamen König Watze oder dem versteinerten Rosengarten des Zwergenkönigs Laurin. Eine dritte möchten wir Ihnen heute vorstellen, passt diese doch gut zum aktuellen Schwerpunkt der Bonner Umwelt Zeitung und mahnt darüber hinaus zu einem nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Björn Langer, Naturschutzreferent und 2. Vorsitzender
Die Sage spielt am höchsten Berg Sloweniens, dem Triglav (2.864 m). 1877 hielt der Dichter Rudolf Baumbach die mündliche Überlieferung in einem Vers-Epos fest (dieses ist in der Sektionsbibliothek vorrätig, kann dort eingesehen oder von Mitgliedern auch ausgeliehen werden). Bei der im Text erwähnten Triglavrose handelt es sich um das Dolomiten-Fingerkraut (Potentilla nitida), dessen Vorkommen auf die Südalpen beschränkt ist und das nur auf Kalk- und Dolomitfelsen oder -geröll wächst.

Die „Triglavrose“, das Dolomiten-Fingerkraut.
Foto: Björn Langer
und den Zaubergärten der Rojenice
Einst umgab den Triglav ein ganzjährig mit tausenden blühenden Blumen bedeckter Garten. Dieser gehörte den Rojenice, drei schönen und weisen Frauen, die immer, wenn ein Kind geboren wurde, ins Tal hinabstiegen und diesem sein Schicksal in die Wiege legten. Sie liebten die Menschen, und wenn sie ein Neugeborenes besuchten, so bedeutete dies Glück, Reichtum und ein langes Leben.
Eines Tages stieg ein junger Jäger aus dem Soča-Tal zum Triglav auf. Dort entdeckte er hinter einem Steinwall eine große, saftige Wies:, den Zaubergarten der Rojenice. Darauf weidete ein Rudel weißer Gämsen, der Leitbock mit einem Gehörn aus purem Gold. Nachdem er eine Weile nur geschaut hatte, überkam den Jäger das Verlangen, das prächtige Tier zu erlegen. Als er das Gewehr hob, ertönte jedoch eine Frauenstimme: „Gib Acht, Zlatorog! Flieh mit deiner Herde!“ In diesem Augenblick senkte sich eine Wolke über den Zaubergarten. Als sich der Nebel wieder lichtete, waren die Gämsen verschwunden.
Als der Jäger in der Dämmerung mit dem Abstieg begann, hörte er erneut die Stimme: „Du, mutiger Jäger, bist willkommen in unserem Garten. Wir schenken dir von unseren Blumen, so viel du pflücken magst. Jage die Gämsen in den Höhen und die Rehe in den Tälern. Nur unserer weißen Herde sollst du nicht nachstellen. Und richte den Lauf deines Gewehres niemals auf Zlatorog, den Gamsbock mit den goldenen Krickeln, sonst musst du sterben!“

Gämsen – allerdings ohne goldene Krickel – sind bei Wanderungen im Nationalpark Triglav oft zu sehen. Foto: Björn Langer
Der Jäger antwortete: „Ich habe deinen Ruf gehört und will deine Herde in Ruhe lassen. Aber sage mir doch, wer du bist! Zeige dich mir, unsichtbare Herrin dieses Gartens!“ Als er keine Antwort bekam, pflückte er Enzian und Edelweiß und begann seinen Heimweg. In der Dunkelheit sah er schließlich Licht in einer Almhütte. Dort klopfte der Jüngling an die Tür. Ein alter Mann öffnete, bot dem Fremden Essen, Trinken sowie ein Nachtlager an.
Der Hirte fragte den Jäger, woher dieser die prächtigen Blumen habe. Da erzählte der Jüngling von seinem Erlebnis am Triglav. „Hast du eine Ahnung, was das zu bedeuten hat?“ Der Almbauer antworte: „An deiner Wiege müssen die Rojenice gestanden haben, denn nur dann kannst du ihre Stimmen hören und Zlatorog mit seiner Herde sehen. Diese gehört den weisen Frauen, die Tiere sind ihnen heilig. Sollte einmal ein Jäger auf Zlatorog schießen, so wachsen aus dessen Blut Triglavrosen. Sobald Zlatorog eine von diesen seltenen Blumen frisst, heilt seine Wunde.“
„Und wenn es doch einmal jemandem gelänge, Zlatorog zu töten?“, fragte der Jäger. „Kein König der Welt könnte sich mit ihm an Reichtümern messen“, wusste der Bauer zu berichten, „denn wem es gelingt, Zlatorog zu erlegen und ihm die goldenen Hörner vom Haupt zu nehmen, der hat damit den Schlüssel zum Berg Bogatin in der Hand. Berührt er mit diesen dessen steile Felswand, so springt dort ein Tor auf und er kann die unterirdische Höhle betreten, in der unzählige Schätze angehäuft sind.“
Am nächsten Morgen kehrte der Jäger ins Tal zurück, wo er in einem Gasthaus einkehrte. Dort verliebte er sich in die Tochter der Wirtin. Jeden Tag stieg er zu den Zaubergärten der Rojenice auf und beschenkte seine Angebetete mit den schönsten Blumen. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und fragte, ob

Darstellung der ersten Begegnung des Jägers mit dem Gamsbock Zlatorog (deutsch: „Goldhorn“) in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“, 1899. Der Künstler ist unbekannt.
Foto: Björn Langer
sie seine Frau werden wolle. Das Mädchen erbat sich Bedenkzeit und vertraute sich ihrer Mutter an. Dieser gefiel der Gedanke gar nicht, sie warf den jungen Mann aus dem Haus.
Am Abend beobachtete der Abgewiesene durch das Fenster, wie die von ihm Geliebte mit einem Gast tanzte, der schließlich eine Goldkette aus der Tasche zog und um ihren Hals legte. Der Jäger stürmte in die Wirtsstube und schrie: „Das gefällt dir natürlich besser als all die Blumen, die ich dir jeden Tag schenkte! Mit Gold kann man also dein Herz erobern. Morgen werde ich dir mehr bringen, als du dir erträumen kannst. Und einen Strauß Triglavrosen dazu.“ Damit stürmte er ins Freie und verschwand.
Die Wirtstochter erschrak, wusste sie doch, dass der Erzürnte Zlatorog töten wolle. Auch sie eilte in die Nacht hinaus, in der Hoffnung, den Jäger zurückhalten zu können, ihm zu gestehen, dass auch sie ihn aus tiefstem Herzen liebte. Doch sie fand ihn nicht.
Der Jäger erreichte im Morgengrauen die Zaubergärten. Er versteckte sich hinter einem großen Stein und wartete mit angelegtem Gewehr auf die Herde weißer Gämsen, als er wieder die ihm bereits bekannte Frauenstimme vernahm: „Kehr um, kühner Jäger! Dir ist es nicht bestimmt, Zlatorog zu töten. Schießt du auf ihn, wirst du sterben!“ Als der Jäger nicht reagierte, erklang die Stimme erneut, diesmal aus einer anderen Richtung: „Denk an deine Mutter, sie wird sich die Augen ausweinen! Höre auf die Rojenice: Wir standen zu dritt an deiner Wiege, wir verhießen dir Glück. Eile hinab ins Tal zu dem Mädchen, das dich liebt – dort findest du dein Schicksal!“ Erneut reagierte der junge Mann nicht.
Schließlich sah der Jäger die goldenen Hörner Zlatorogs in der Morgensonne glitzern. Eine unheimliche Stille lag über dem Zaubergarten, als er das Gewehr anlegte, zielte und abdrückte. Die Herde weißer Gämsen floh, als der Schuss krachte. Zlatorog aber brach zusammen, lag kurz regungslos am Boden. Dann sprang er auf, eilte den anderen Tieren nach. Dort, wo er gelegen hatte, blühte eine blutrote Blume, die der Jäger noch nie gesehen hatte – die Triglavrose. Er pflückt einen Strauß, folgte dann der Spur aus weiteren in Blumen verwandelten Blutstropfen. Schließlich traf er die Gams in einer senkrecht ins Soča-Tal abfallenden Felswand. Er zückte sein Jagdmesser und warf sich auf das stolze Tier. Dieses senkte den Kopf, aus den Hörnern zuckten Blitze. Ein unheimlicher Donner grollte, als der Jäger in die Tiefe stürzte.

Karstlandschaft am Triglav.
Foto: Björn Langer
Es wurde Herbst, es wurde Winter. Im Frühjahr kehrten schließlich Hirten in das Wirtshaus ein, wo das Mädchen noch immer auf die Rückkehr des Jägers hoffte. Sie berichteten, dass sich dort, wo sich seit Menschengedenken die Zaubergärten der Rojenice befunden hatten, nach allen Seiten eine Steinwüste erstrecken würde. – Das war das Werk Zlatorogs, der mit seinen blitzenden Hörnern die Erde aufgewühlt hatte, bis der blanke Fels zutage trat und selbst das Getein auseinanderbrach. Die Rojenice waren mit der Gamsherde fortgezogen. Wohin, weiß niemand.
Der Nationalpark Triglav
Die Sage vom Zlatorog und den Zaubergärten der Rojenice spielt im heutigen Nationalpark Triglav (Triglavski narodni park), dem einzigen slowenischen Schutzgebiet dieser Art. Dessen Wurzeln liegen in einem 2.400 Hektar großen „alpinen Schutzpark“, der 1924 rund um die Dolina Triglavskih jezer – im Deutschen als Sieben-Seen-Tal bekannt – ausgewiesen und 1961 zum Nationalpark erklärt wurde. Dieser wurde 1981 auf seine heutige Größe erweitert: Mit 83.807 Hektar ist die Fläche des Reservats nur wenig kleiner als die der deutschen Hauptstadt Berlin. Eine weitere beeindruckende Zahl: Damit umfasst der Nationalpark Triglav 0,4 Prozent des slowenischen Staatsgebiets – die 16 deutschen Nationalparke kommen zusammen und inklusive nicht unerheblicher Meeresanteile auf gerade einmal 0,3 Prozent.
Der Nationalpark Triglav wird in drei Zonen unterteilt: Mehr als ein Drittel der Fläche steht unter strengem Schutz, hier ist jeder Eingriff des Menschen untersagt; etwas größer ist der Bereich, in dem traditionelle Nutzungsformen, beispielsweise die Almwirtschaft, erhalten bleiben; etwa ein Fünftel gilt als besiedelte Fläche (rund 2.300 Menschen leben dauerhaft innerhalb der Grenzen des Nationalparks), hier werden nachhaltige Landnutzungsformen gefördert.
Sie interessieren sich für eine Bergwanderung im Nationalpark Triglav? Der Naturschutzreferent und 2. Vorsitzende unserer Sektion, Björn Langer, gibt gerne Tipps, unter anderem auch zur umweltfreundlichen An- und Abreise mit dem Zug.
Kontakt: bjoern.langer@dav-bonn.de.
Naturkundliche Wanderungen 2025
Samstag., 24. Mai 2025
Die Rur – zur Stille gebändigt
Strecke: ca. 21 km, ca. 500 Hm im Auf- und Abstieg, Gehzeit: ca. 6 Stunden
Jedes Jahr am 24. Mai feiert Europa in Erinnerung an die ersten Nationalparke, die an diesem Tag im Jahr 1909 auf unserem Kontinent ausgewiesen wurden, den „Tag der Parke“. Wir nutzen diesen, um den einzigen Nationalpark Nordrhein-Westfalens zu besuchen. Unsere Wanderung führt von Heimbach vorbei an der Abtei Mariawald auf den Kermeter. Unter teils alten Buchen spazieren wir zum Aussichtspunkt Hirschley, wo wir einen Blick auf den Rursee werfen können. Dann geht es wieder abwärts, bis wir über den Meuchelberg zurück zum Ausgangspunkt gelangen.
Anmeldung:
bis Mittwoch, 21. Mai 2025 beim
Naturschutzreferenten Björn Langer,
E-Mail: bjoern.langer@dav-bonn.de.
Samstag., 1. November 2024
Kleine Rour und schwarzes Wasser
Strecke: ca. 17 km, ca. 150 Hm im Auf- und Abstieg, Gehzeit: ca. 4,5 Stunden
In den Ausläufern des Hohen Venns bei Sourbrodt entspringt die Rur, die auf ihrem 165 Kilometer langen Weg bis zur Mündung bei Roermond drei Staaten durchfließt. Auf dieser Wanderung schauen wir uns das Quellgebiet des Flusses an, passieren dort, wo drei Sprachen aufeinandertreffen, ganz nach Belieben die noch junge Rur (Deutsch), Roer (Niederländisch) oder Rour (Französisch), erleben die Weite der Moorgebiete ebenso wie vom Menschen angepflanzte Forste und zuletzt auch die Spuren eines traurigen Kapitels der europäischen Geschichte.
Anmeldung:
bis Mittwoch, 29. Oktober 2025 beim
Naturschutzreferenten Björn Langer,
E-Mail: bjoern.langer@dav-bonn.de.
Kontakt
Geschäftsstelle des Sektion Bonn
des Deutschen Alpenvereins
Gottfried-Claren-Straße 2,
53225 Bonn
Geschäftszeit:
Jeden Mittwoch von 17 bis 21 Uhr
Tel.: 0228/4228470 (nur während der
Geschäftszeit, sonst Anrufbeantworter)
E-Mail: info@dav-bonn.de
Internet: www.dav-bonn.de
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