China – eine Herausforderung für liberale Wirtschaftssysteme
Carmen Planas
Mit China steht derzeit ein autokratisches Regime an der Spitze eines Systemwettbewerbs mit den so genannten demokratischen Industriestaaten. Vor diesem Hintergrund geht das Buch der Frage nach, wie diese ihre Beziehungen zu China gestalten sollten.
Wo kommt China her, wo will es hin? Wie fordert China liberale Gesellschaften heraus? Welcher Umgang ist mit China möglich? Wohin steuert Europa im Umgang mit China? Diesen vier Fragen stellt sich das Buch mit sieben Beiträgen.
China weitet staatliche Kontrolle aus
„Die chinesische Geschichte und politische Ökonomie lassen sich am besten mithilfe der Zyklen von Öffnung und Schließung, von Liberalisierung und Kontrolle verstehen“, schreibt François Godement in seinem Beitrag über Chinas Wirtschaftssystem in der Ära Xi Jinping, dem derzeitigen Staatspräsidenten der Volksrepublik China. Unter ihm wird die staatliche Kontrolle mehr und mehr ausgeweitet. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist seine „Belt and Road Initiative“ (BRI) von 2013. Sie ist ein außenpolitisches Konzept der chinesischen Regierung, um Infrastrukturnetze zwischen China und insbesondere Entwicklungsländern zu knüpfen und zu kontrollieren. Investiert wird etwa im Straßenbau oder in Energienetze. Das Ziel: neue Märkte erschließen, Importe von Rohstoffen und letztlich das Schaffen von Abhängigkeiten. Die chinesische Regierung soll, so Godeman, „insgesamt mehr als eine Billion US-Dollar für von 2016 bis 2026 geplante Verträge und Projekte im Rahmen der BRI bereitgestellt“ haben. Godemans Fazit zu Xi Jingping: „Seine eigenen Rezepte für eine Marktwirtschaft sind durchdrungen von der Vorstellung des Staates als ausgleichender, vorsorgender und regulierender Akteur, der vor Exzessen, Spekulation und externer Abhängigkeit schützt. Und die Zukunftsvisionen gehören nicht den Marktkräften oder den Unternehmern, sondern dem weitsichtigen Parteistaat.“
Kritische Abhängigkeiten
Was die chinesische Wirtschaftspolitik für die europäische Wirtschaft bedeutet, haben Stefan Gätzner und Wolfgang Krieger in ihrem Beitrag beleuchtet. Ganze Wertschöpfungsketten, so die Autoren, hätten sich nach China verlagert, nachdem China 2001 der Welthandelsorganisation beigetreten sei und sich somit die westlichen Märkte für chinesische Produkte geöffnet hätten. China sei für viele ausländische Unternehmen ein bedeutsamer Absatz- und Beschaffungsmarkt geworden. Auf diese Weise hätten sich auch für Deutschland und Europa kritische Abhängigkeiten gebildet.
Übernahmewelle in Europa
Problematisch sei, dass die chinesische Wirtschaft stark auch mit staatlichen Eingriffen einhergehe, die den Wettbewerb für europäische und deutsche Unternehmen verzerre. So habe China etwa durch eine gezielte Industriepolitik in technologischen Bereichen stark aufgeholt. Gute Dienste hierfür habe zum Beispiel auch die Initiative „Made in China 2025“ von 2015 geleistet. Dieser Strategieplan habe für „eine wahre Übernahmewelle in Europa“ gesorgt. Chinesische Unternehmen würden immer mehr potente Industriezweige dominieren. Europa, so der Vorwurf von Gätzner und Krieger, „hat den Trend der letzten Jahre verpasst und kann bis heute kaum ein namhaftes Unternehmen im Bereich digitaler Technologien vorweisen“.
Zusammenarbeit in der Klimapolitik
In den weiteren Beiträgen geht es unter anderem um die Chinapolitik der USA oder um Szenarien rund um die Frage, wohin Europa im Umgang mit China steuere. Zahlreiche relevante Aspekte werden hier erörtert, wie etwa die notwendige Zusammenarbeit der EU mit China im Bereich der Klimapolitik. Denn China gilt als der größte CO2-Emittent der Welt, aber auch der größte Investor in erneuerbare Energien. China müsse eingebunden werden, ohne die eigenen Interessen und Werte zu vernachlässigen. In ihrem Schlusswort plädieren die Herausgeber für eine verantwortungsvolle globale Koexistenz und auch dafür, sich in Deutschland und Europa kritischer mit selbst verschuldeten Abhängigkeiten auseinanderzusetzen.
„Wirtschaft ist Gesellschaft“
Das Buch des Präsidenten und der Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist in diesem Sinne sicherlich ein informativer Beitrag. Es bietet in kompakter Form die Meilensteine, die zu Chinas rasantem wirtschaftlichen Aufstieg geführt haben. Die wichtigsten Herausforderungen für die EU werden von den Autoren gut nachvollziehbar auf den Punkt gebracht. Es ist der dritte Band des Herder Verlages der Reihe „Wirtschaft ist Gesellschaft“. In dieser Reihe erschien auch das Buch „Wie soll die Gesellschaft mit Autokratien umgehen?“ Wem der Beitrag von Malin Oud rund um die Wertekonflikte, die sich im Umgang mit China ergeben, zu dünn erscheint, findet hier eine breitere Diskussion der ethischen Fragen.
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