Nostalgie – Angriff auf die Gesundheit

15. Februar 2023 | Gastautor*in, Gesellschaft, Nostalgie | 0 Kommentare

Tatwerkzeug Lärm


Claria Weber


Lärm ist die am stärksten empfundene Umweltbeeinträchtigung. Nach einer Umfrage zum “Umweltbewusstsein in Deutschland 2010” gaben 55% der Befragten an, sich durch Verkehr in ihrem Wohnumfeld gestört zu fühlen. 14 Millionen Deutsche haben Hörprobleme, die aber nicht nur auf Lärm, sondern auch auf das zunehmende Lebensalter zurückzuführen sind. Erschreckend aber, dass immer mehr Jugendliche Hörgeräte benötigen. Lärm schlägt nicht nur auf das Gehör, sondern verursacht auch andere Gesundheitsprobleme.

Das Außenohr eines Kleinkindes Bild: Pixabay / Michael Lorenzet

Unter “Lärm” versteht man Geräusche, die gesundheitsschädigend sind oder auch nur störend wirken. Das Wort “Lärm” leitet sich ab von all’arme (italienisch), d.h. zu den Waffen. Beim Schall handelt es sich um Wellen mit einer bestimmten Frequenz und Lautstärke. Die Frequenz entspricht der Tonhöhe und wird in Hertz gemessen. Je höher die Frequenz, umso höher der Ton. Um die gehörten Lautstärken des Lärms einordnen zu können, benutzt man den sogenannten Schallpegel in Dezibel (dB). Eigentlich wird die Lautstärke des Schalls als Druck in Pascal gemessen. Der Schalldruckbereich, in dem wir hören und unterscheiden können, ist allerdings so unhandlich, dass man diesen in die Dezibelskala umrechnet. Sie ist an das menschliche Ohr angepasst. Die Skala reicht von 0 dB (Hörgrenze) bis über 100 dB. Ein Silvesterknaller hat ca. 140 dB. Eine normale Unterhaltung liegt zwischen 40 und 50 dB. Hohe und tiefe Töne werden leiser wahrgenommen als der mittlere Frequenzbereich.

Ob man Geräusche als Lärm einordnet, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel vom Zeitpunkt. Wenn man schlafen will ärgert man sich schon über die summende Fliege, die man tagsüber nicht hören würde. Auch soziale und kulturelle Bewertungen sowie individuelle Vorlieben spielen eine Rolle. Ein Kirchgänger wird das Glockengeläut am Sonntag als Einladung und nicht als Ruhestörung ansehen. Wenn ich mich mit meinem Nachbar gut verstehe, stört mich das Geschrei seiner Kinder weniger, als wenn ich ihn nicht leiden kann.
Bei den gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm steht die Schwerhörigkeit im Vordergrund. Sie ist nicht nur abhängig vom Schallpegel, sondern auch vom Frequenzspektrum. Problematisch ist, wenn man ständig Lärm ausgesetzt ist. In Lärmpausen kann sich das Gehör wieder etwas erholen. Hohe Lärmpegel ab zirka 110 dB stellen eine akute Gefährdung für das Innenohr dar.

Im Innenohr liegen die Sinneszellen mit den Sinneshärchen in der sogenannten Schnecke. Sie nehmen die Schwingungen auf, verarbeiten sie und leiten sie an den Hörnerv weiter. Bei Rockkonzerten muss man mit einem Schallpegel von 110 dB rechnen. Die Fans sind sich der Gefahren oft nicht bewusst. Der Gehörschutz mit Hilfe von Ohrstöpseln ist auf jeden Fall angebracht. Ansonsten kann der Abend mit Taubheit und Tinnitus enden. Bei Tinnitus handelt es sich um Ohrgeräusche, die im Bereich der Hörbahn entstehen. Sie treten oft als Begleitsymptom der Hörbeeinträchtigung auf. Mit viel Glück kann man hier die Symptome mit Infusionen wieder zum Abklingen bringen.

Bei ständigen Lärmbelastungen über 85 dB können die Zellen mit der Zeit absterben. Grund hierfür ist oft ein zu lauter Arbeitsplatz. Ab 90 dB ist zwar ein Gehörschutz vorgeschrieben, aber Lärmschutz wird meistens nicht ernst genug genommen. Zunächst sind nur die höheren Frequenzen betroffen. Später kommen auch die tieferen Töne hinzu. Bei langsam fortschreitendem Hörverlust hilft oft nur ein Hörgerät. Dabei denkt man wahrscheinlich vorwiegend an alte Menschen. In den letzten Jahren musste leider auch immer häufiger Jugendlichen ein Hörgerät verordnet werden. Der Grund wird im zu lauten Einstellen des MP3-Players gesehen. Hier haben die Schulen, neben den Eltern, eine wichtige Erziehungsaufgabe zu erfüllen.

Beim Gehör ist die Schädigung durch Lärm in der Regel klar zuzuordnen. Bei anderen Erkrankungen ist es schwieriger einen Zusammenhang herzustellen. Hier gilt Lärm als zusätzlicher Faktor, der ein gesundheitliches Problem verstärken kann. Studien ergaben, dass Menschen die an lauten Straßen Schallpegeln von über 65 dB ausgesetzt sind, einen höheren Blutdruck und ein höheres Herzinfarktrisiko haben. Hinzu können Schlafprobleme kommen, die wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme erhöhen.

Die Unfallkassen der Länder haben zum Thema “Lärm” ein interessantes Unterrichtskonzept für 10-14-jährige Kinder und Jugendliche entwickelt. Eine DVD schildert die Geschichte von Jugendlichen, die in das Ohr (als großes Ohrmodell gezeigt) ihres Freundes einsteigen, um nach dessen Hörverlust zu fahnden. Auf anschauliche und unterhaltsame Weise wird so die Anatomie und Funktion der einzelnen Gehörteile erläutert. Auch der Schwerhörigkeit des Freundes kommen sie auf die Spur. Sie stehen plötzlich vor einem durch Lärm verwüsteten Innenohr. Zusätzlich zur DVD liegt ein Informationsheft vor, in dem die physikalischen Grundlagen des Schalls und der Aufbau des Ohrs erläutert wird. Zusätzlich gibt es Vorschläge für einfach durchführbare Schülerversuche.

Erschienen in der BUZ 6_11

 

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