Ein Hoch auf den Naturgarten
Die Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ will möglichst viele Menschen für naturnahe Gärten begeistern, denn sie spielen eine maßgebliche Rolle für die biologische Vielfalt. Das im Dezember 2019 gestartete Vorhaben ist ein Projekt der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V., der Agentur tippingpoints und des Wissenschaftsladens Bonn e. V. Gefördert wird es bis November 2025 im Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ vom Bundesumweltministerium und inhaltlich begleitet vom Bundesamt für Naturschutz.
Carmen Planas
Wildblumenwiese, Hecken in verschiedenen Höhen, Staudenbeete für unterschiedliche Standorte, Trockenmauern, eine Kräuterspirale und mehr – der öffentlich zugängliche naturnahe Schaugarten hinter dem Rathaus in Wachtberg-Berkum zeigt, wie schön sich Naturschutz auf kleinstem Raum verwirklichen lässt. Hierfür wurde er im Rahmen der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“

Der Naturgarten in Wachtberg
Foto: Hans-Georg Levin
mit Gold ausgezeichnet.
Schaugarten in Wachtberg
Verantwortlich für den Schaugarten ist der Agenda Arbeitskreis „Naturnahe Gärten in Wachtberg“, der unter www.schaugarten-wachtberg.de veröffentlicht, wann Pflege- und Informationstermine sind. Angeboten werden Führungen durch den Garten, der Austausch mit Gleichgesinnten oder auch die Gelegenheit, Fragen rund um naturnahes Gärtnern zu stellen. Viele Informationen bietet die Broschüre des Schaugartens, die heruntergeladen werden kann. Hier kann man etwa nachlesen, warum Naturgärten für den Artenreichtum von Bedeutung sind. Das Hauptmerkmal eines Naturgartens sind seine vielen verschiedenen heimischen Wildpflanzen. „Denn nur sie haben sich im Laufe der Jahrtausende zusammen mit unseren Tieren entwickelt („Koevolution“). Einheimische Pflanzen und Tiere passen deshalb zusammen wie Schlüssel und Schloss.“ Nachweisen lässt sich das zum Beispiel, wenn man beobachtet, wie viele Vogelarten einheimische Pflanzen im Vergleich zu exotischen Pflanzen als Nahrungsquelle nutzen. Auf den Gewöhnlichen Heide-Wacholder kommen 43 Vogelarten, auf den Gewöhnlichen Chinesischen Wacholder nur eine.
Der Wachtberger Schaugarten ist ein gutes Beispiel dafür, was die Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ erreichen will. Ihr Ziel ist es, immer mehr Privatpersonen und auch öffentliche Institutionen in Deutschland für das Anlegen von Naturgärten zu gewinnen. Denn Gärten, Balkone, Grün- und Freiflächen bergen ein enormes Potenzial für die biologische Vielfalt, so die Überzeugung nicht nur des Bundesumweltministeriums, das „Tausende Gärten – Tausende Arten“ mit knapp zwei Millionen Euro fördert.

Unsere Singvögel sind auf ausreichend viele Insekten angewiesen.
Foto: Ekkehard Emmel
www.tausende-gaerten.de
Was ist ein Naturgarten? Wie kann ich meine Fläche, meinen Garten oder Balkon naturnah umgestalten? Wo kann ich heimische Wildpflanzen kaufen? Wie viel Arbeit macht ein Naturgarten? Auf diese und zahlreiche weitere Fragen findet man gut aufbereitete Antworten unter www.tausende-gaerten.de. Das Informationsportal präsentiert sich im letzten Jahr der Kampagne überzeugend. Man findet alle relevanten Akteure zur Thematik, zum Beispiel auch Gärtnereien, Saatgutbetriebe oder Gartenmärkte, bei denen man einheimische Wildpflanzen beziehen kann.
Man kann sich prämierte Gärten anschauen, erhält praktische Tipps zur Anlage und Pflege eines Naturgartens oder Informationen über die ausgewählten Pflanzen und Tiere des Projektes. Die Wissensangebote rund um den Naturgarten sind sehr gut für eine breite Öffentlichkeit aufbereitet: übersichtliche Infomaterialien mit anschaulichem Bildmaterial, knackige Kurzfilme. Darüber hinaus werden besondere Veranstaltungen, Workshops oder auch Online-Fortbildungen angeboten.
Summer-Naturgarten-Fortbildung

Blumen im Wachtberger Schaugarten
Foto: Hans-Georg Levin
Im März gab es zum Beispiel die „Summer-Naturgarten-Fortbildung“ für Einsteiger*innen, aber auch fortgeschrittene Naturgärtner*innen. An fünf Online-Terminen konnte man sich von Expert*innen kompakt zu ausgewählten Naturgarten-Themen informieren lassen, mit anschließender Fragerunde.
Im ersten Online-Seminar ging es etwa darum, welche Insekteninfos man zum Naturgärtnern braucht. Die Zusammenschau an Zahlen und Fakten war eindrucksvoll. Wussten Sie zum Beispiel, dass Hornissen in einem Hornissenstaat täglich zirka ein halbes Kilo Insekten verspeisen? Oder dass eine Wildbiene in 14 Tagen ungefähr 22.000 Apfelblüten schafft, weit mehr als die Honigbiene? Und: Eine Schwalbe braucht rund 3.000 Insekten täglich für ihren Nachwuchs. Wegen des Insektenrückganges, geht auch die Singvogelpopulation drastisch zurück. Die Krefelder Studie von 2017 zeigte, dass die Biomasse an Fluginsekten in den untersuchten Naturschutzgebieten um 75 Prozent zurückging (Zeitraum: 1989 – 2016). Ein Käfer verbringt zirka drei bis acht Jahre als Larve im Boden. Als fertig ausgebildeter Käfer lebt er nur drei bis acht Wochen auf dem Boden.
Spezialisiert: die Natterkopf-Mauerbiene

Die Natterkopf-Mauerbiene braucht ihn: den Gewöhnlichen Natternkopf
Foto: Johannes Robalotoff
Mit den unterschiedlichen Entwicklungsstadien gehen auch die Geschmäcker einher. So ernähren sich beispielsweise die Raupen der Falter von Gräsern und Blättern, wohingegen die fertigen Falter vom Nektar leben. Bei den Insekten gibt es Nahrungsspezialisten und weniger spezialisierte. Die Natterkopf-Mauerbiene etwa braucht die Natternkopf-Pflanze, die Erdhummel ist weniger wählerisch. Ein Gartenkonzept, das die biologische Vielfalt fördern möchte, hat also viele Arten im Blick, da die zahlreichen Insekten sehr unterschiedliche Ansprüche haben.
Zum Schluss gab es auch Tipps zu Medien mit guten Insekteninfos. Dazu zählen die ObsIdentify App, www.inaturalist.org, der Insektenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung. Wer alles genauer wissen will, findet die Aufzeichnung der Fortbildungsreihe unter https://diesummer.de.
Die Wiesen-Flockenblume erzählt
Ein Klick auf die Bildungsmaterialien von tausende-gaerten.de führt zu kurzen Videos, die in altersgerechter Sprache auch jungen Schüler*innen gut zeigen, wie der Garten ziemlich einfach naturnah aufgewertet werden kann. Da spricht zum Beispiel die Wiesen-Flockenblume:
„Hallo! Ich bin eine Wiesen-Flockenblume. Ich gehöre zum Team der Sonnenanbeter und freue mich über besonders viel Licht. Während mich die Sonne lockt, fühlt sich der Kleine Fuchs besonders zu mir hingezogen, denn der Nektar meiner Blüten steht weit oben auf seiner Speisekarte. Die Raupen vom Kleinen Fuchs fressen nur Brennnesseln. Diese also im Garten stehen lassen. Natürlich freue ich mich über die Gesellschaft von anderen Sonnenanbetern in meinem Team, denn gemeinsam sorgen wir für mehr Artenvielfalt in euren Naturgärten. Also, bis bald!“
Naturgarten Drachenparadies

Kleiner Fuchs und Wiesen-Flockenblume
Foto: Böhringer Friedrich
Ein weiterer prämierter Garten in unserer Umgebung ist der „Naturgarten Drachenparadies“, der sich vor dem Schulgebäude der Drachenfelsschule Königswinter befindet. Ziele des Garten-Projektes sind, „die Schüler*innen für die Natur und die Artenvielfalt zu sensibilisieren, Lebensraum für verschiedenste einheimische Nektarpflanzen, Insekten und Vögel zu schaffen und der Öffentlichkeit die naturnahe Gestaltung von Gärten näherzubringen“, heißt es auf der Website der Schule. Schüler*innen pflegen ihr Drachenparadies und der „Freundeskreis Drachenparadies“ unterstützt sie mit mehreren Arbeitseinsätzen im Jahr. Besucher*innen sind herzlich willkommen.
Den Naturgärten seien viele Nachahmer*innen gewünscht, im Großen und im Kleinen. Hierfür konnte und kann die Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ hoffentlich viele Menschen begeistern. Nachdrücklich wird auf der Website der Kampagne betont: „Viele Tierarten sind heute gefährdet oder sogar schon ausgestorben, weil nicht mehr genügend einheimische Wildpflanzen in unseren Gärten wachsen. Dabei ist es ganz einfach, einen Garten oder einen Balkon mit heimischen Wildpflanzen zu begrünen – und die ‚natürliche‘, heimische Natur schenkt uns dabei ebenso schöne Anblicke wie die exotischsten Blühpflanzen, die deutsche Gärten leider immer mehr bevölkern. Sie sehen zwar schön aus, aber für unsere Insekten und auch für andere Tiere, wie bestimmte Kleinsäuger oder Vögel, sind sie keine Heimat.“

0 Kommentare