Oh, wie schön ist …. ?


Dr. Manfred Fuhrich


Das Reisen erscheint für uns in Deutschland so selbstverständlich wie Ernährung und Wohnen. Wer verstehen will, wie komplex der Begriff „Reisen“ ist, der muss erstmal auf Reisen gehen – ins Internet. Der Duden bezieht das Wort „Reisen“ auf seine Herkunft im Althochdeutschen: „sich erheben“ – im Sinne von sich bewegen. Wikipedia wird präziser, nämlich: „die Fortbewegung von Personen über einen längeren Zeitraum … um ein einzelnes Reiseziel zu erreichen oder mehrere Orte zu besuchen (Rundreise). Im fremdenverkehrswissenschaftlichen Sinne umfasst eine Reise sowohl die Ortsveränderung selbst als auch den Aufenthalt am Zielort.“

Reisen, Reisen-, -Reisen

Unüberschaubar ist das Angebot von Reisen aller Art im Internet. Verwirrend ist zudem die Vielzahl von Begriffen, die mit dem Wortteil Reise gebildet werden können: Reiseroute, Reisebüro, Reisezentrum, Reiseauskunft, Reiseziel, Reiseführer (als Buch oder als Person mit der hochgehalten Fahne), Reisefieber, Reiseverpflegung, Reisewarnung, Reisepass, Reiserücktrittkostenversicherung. Zuviel Begriffe für einen kurzen Zwischenruf. Jetzt also erstmal Fakten.

Reisen in der Statistik

Die Statistiken geben klare Auskunft. 55 Millionen Personen in Deutschland sind letztes Jahr mehr als fünf Tage verreist. <Reiseanalyse.de>. Jeder dritte blieb allerdings zuhause .<adac.de>. Hinzu kommen 74 Millionen Kurzreisen. Jede sechste Reise war eine Fernreise. <statista.com> Über 40 Prozent der Urlaubsreisenden zieht es ins europäische Ausland. Die Hälfte der Reisen erfolgte mit dem Auto, mehr als 40 Prozent fliegen und nur zehn Prozent nutzen die Bahn. Das ist bemerkenswert, weil doch die Reisenden zur Hälfte in Deutschland bleiben. Überwiegend werden also die umweltschädlichen Transportmittel genutzt.

Nachhaltiges Reisen?

Der Trend zum nachhaltigen Urlaub nimmt zu, spielt aber immer noch eine geringe Rolle.<sparkasse.de>. Eine wertvolle Orientierung für nachhaltiges Reisen gibt utopia.de. Umweltschonendes Urlauben und Respekt vor den örtlichen Gepflogenheiten muss noch geübt werden. Die Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt sind bekannt, aber ihre quantitative Dimension unzureichend erfasst. <Umweltbundesamt.de>.

Reisen bildet

Es gibt vielfältige Bildungsreisen. Im Konkreten waren die Lehrjahre in den Handwerksberufen dafür bestimmt, „Erfahrungen“ zu sammeln. Dafür ging man auf Wanderschaft, um „was zu erfahren“. Am stärksten ausgeprägt war dies bei den Zimmerleuten, die auf die „Walz“ gingen. Im Allgemeinen spricht man heute von Bildungsreisen, die nicht länger auf die Berufsausübung beschränkt, sondern auf Allgemeinbildung ausgerichtet sind. Früher war dies einer elitären Schicht vorbehalten. Vornehmlich die Reisen von Adeligen und Künstler*innen sind uns literarisch überliefert. Der heute gesetzlich verbriefte „Bildungsurlaub“ kann auch schon mal „Aquarellkurs in der Toskana“, „Trommeln in Spanien“ oder „Meditation in Tibet“ sein. Beliebt sind auch Kochkurse. Die hätte man aber auch zuhause haben können.

Reisen ist Begegnung

Wer kennt sie nicht: die Reiseberichte erholter Urlauber*innen, die von unvergesslichen Erlebnissen mit den Einheimischen im Ausland berichten. Nicht selten beginnen diese Momente im stundenlangen Stau auf der verstopften Autobahn, auf dem Bahnsteig beim gemeinsamen Hoffen auf den verspäteten Zug, im Wartebereich zum Gate des angekündigten Fliegers. Highlights sind dann stets die verbindenden Schicksale. Auf den Rückwegen sind diese Themen angereichert durch zahlreiche Erlebnisse, die man eben nur im Urlaub sammeln kann. Vielleicht auch, weil man sie im Alltag gar nicht wahrnimmt. Für so manche Einwohner*innen in den Reisezielen ist die Touristenflut ein großes Ärgernis.Wie zum Beispiel aktuell aus den Touristenhochburgen in Spanien berichtet wird; nicht nur wegen der steigenden Mietpreise, sondern auch wegen rücksichtslosem Verhalten der Fremden.
Die Protestwelle der Einheimischen hat die Schlagzeilen deutscher Nachrichtendienste erreicht. Die Situation vor Ort erscheint dramatisch.

Reisen ist (keine) Überraschung

Eigentlich ist Reisen heute nicht mehr so überraschend wie früher; die Fahrt wohl schon, ob mit Auto, Flieger oder Bahn; aber die Art der Unterkunft muss man nicht dem Zufall überlassen. Das Hotel, das Apartment oder die Ferienwohnung lassen sich heutzutage durch Reiseportale scheinbar in Echzeit begehen. Die Werbeversprechen der stolzen Gastgeber lassen sich ergänzen durch die Rezensionen anderer Nutzern*innen; sie geben eine gute Orientierung, was zu erwarten ist und was nicht. Da erweisen sich schon mal Angaben über Meerblick als akrobatische
Herausforderung oder ein „lebendiger Ort“ ist ein Synonym für schlaflose Nächte. Einsame Lage kann auch bedeuten: „fern ab von allem“.

Reisen ist Stress

Wir müssen differenzieren zwischen Weg und Ziel. Geübte Pessimisten sind auch überrascht, wenn alles klappt und man sich das nicht erklären kann, warum. Nun glauben einige, mit einer guten Reisevorbereitung kann nichts schiefgehen. Die irren, denn wer planvoll vorgeht, den trifft der Zufall umso härter. Vielfahrende und Leid erprobte Bahnfahrer*innen sind im Vorteil, sie sind eben „erfahren“.

Reisen ist Freiheit

Die Werbung für den Urlaub im eigenen Wohnmobil eröffnet den Blick auf eine unverstellte Landschaft, betörende Ruhe und eine ungestörte Begegnung mit sich selbst, weil kein anderer in der Nähe ist. Die Realität auf Campingplätzen ist eine andere. Ist ein solcher Ort wirklich gut, dann ist das auch medial bekannt und Reservierung zwingend; von wegen in freier Landschaft übernachten; das ist meist verboten. Ist der Standort schlecht, dann kann der Urlaub auch nicht besser sein. Zudem sind Campingplätze meist weit entfernt von den Innenstädten, die es sich lohnt zu besichtigen. Aber man ist ja mobil mit einem Caravan, man hat alles dabei, wenn auch auf engstem Raum.
Nicht viel mehr Raum bieten die Kabinen auf den „Fahrgastschiffen“. Auch der Auslauf auf den verschiedenen Decks ist dauerhaft begrenzt, trotz Bespaßungsprogrammen an Bord. So wird ein Traumschiff für manche ein „Albtraumschiff“. Die Folgen für die Umwelt werden allzuhäufig verdrängt. Der obligatorische „Landgang“ wird zur Flucht von Bord und zur Plage für das eroberte Land.

Reisen ist Erkenntnis

Leider ist die Urlaubszeit zeitlich sehr begrenzt. Glücklich sind die, die erkennen, dass alles Hasten und Rasten, Suchen und Finden letztlich eine Erkenntnis fördert: Zuhause ist es doch am schönsten. Dann geht es uns so wie Bär und Tigerente von Janosch. Nach einer Odyssee auf der Suche nach einem schönen Plätzchen in der Welt, wohlmöglich in Panama, kehren beide Wanderer verwirrt und zugleich erleichtert nach Hause zurück … „Oh wie schön ist Panama“.

 

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