Reisen im Labyrinth der Nachhaltigkeit
Verbringen Sie gerne Ihren Urlaub an überfüllten Stränden, in klotzigen Hotelbunkern und mit gefühlt allen Deutschen an einem Ort. Nein? Dann sind Sie auf dieser Seite genau richtig! Nur wer nachhaltig reist leistet einen Beitrag zur Umwelt und erhält „die Welt“ für die nächste Generation. Denn sicher möchten Ihre Kinder und Kindes-Kinder noch etwas sehen von der heutigen Welt. Daher ist es wichtig, einige „Regeln“ beim Reisen zu beachten und diese finden Sie in diesem Artikel.
Sie lesen einen Artikel aus dem Jahr 2016.
Jennifer van den Berg, Praktikantin des Ökozentrum Bonn
Der Zertifizierungsdschungel
Immer mehr Konzepte und Zertifikate schießen wie Pilze aus dem Boden und verwirren unser Reiseverhalten. Weltweit gibt es rund 140 Gütesiegel für nachhaltigen Tourismus. Welche Siegel sind wirklich nachhaltig, welche nur Augenwischerei? Die Frage stellt sich umso mehr, wenn Sie vor der Herausforderung stehen, den Zertifizierungsdschungel bei den deutschen Reiseveranstaltern zu entwirren. Ein von verschiedenen Organisationen zusammengetragener „Labelguide“ soll helfen, die Zertifizierungen auf nationaler und internationaler Ebene zu durchleuchten (www.tourism-watch.de). Dabei punkten besonders Label, die unabhängig erstellt und kontrolliert werden. Label, die sich Veranstalter selber geben, werden nicht berücksichtigt. Generell gilt: je umfassender ein Label soziale, kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Faktoren zusammenhängend berücksichtigt, desto mehr kann es zu einer interdisziplinaren nachhaltigen Entwicklung beitragen. Mit transparenten Zertifizierungskriterien und einer unabhängigen Überprüfung über deren Einhaltung gewinnt ein Label an Glaubhaftigkeit. Sicher gibt es kein absolut gültiges Zertifikat. Das CSR Zertifikat von TourCert stellt eine gute Möglichkeit dar, eine nachhaltige und faire Reise bei einem zertifizierten Veranstalter, Reisebüro oder Hotel zu buchen. TourCert ist eine gemeinnützige GmbH, die das TourCert-Siegel für CSR („Corporate Social Responsibility“) im Tourismus vergibt. Dieses steht für Nachhaltigkeit, Unternehmensverantwortung und faires Reisen. Und dafür stehen auch die Träger des Zertifikates. Etwa 70 Reiseveranstalter, 4 Reisebüros/ Reisebürokooperationen, 5 Hotels und 10 Destinationen tragen aktuell das Siegel. Sie verpflichten sich dadurch bestimmte Kriterien, wie angemessene Löhne der Arbeiter im Zielland und eine effiziente Nutzung der Ressourcen in den Hotels zu gewährleisten und ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Zudem werden CO2 Emissionen der Reisenden ermittelt und es gibt das Angebot, diese zu kompensieren. Die Konditionen sind nach außen transparent einzusehen und alle 2-3 Jahre finden unabhängige Prüfungen statt. TourCert CSR ist eines der bekanntesten Zertifikate für nachhaltigen Tourismus in Deutschland. Vorrangig kleine und mittelgroße Reiseveranstalter, auch mit erschwinglichen Reiseprogrammen oder Reisebausteinen, sind Mitglied und vermarkten nachhaltige Reisen. Eine gute Option für diejenigen, die umweltbewusst die Welt bereisen möchten, ohne horrende Summen zahlen zu müssen. Mit der Wahl eines zertifizierten Unternehmens leisten Sie bereits beim Buchen einen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung im Tourismus.
Tipps zum nachhaltigen Reisen „Klasse statt Masse“
Jeder kann, auch unabhängig von Zertifizierungen und Labels, viel für einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Urlaub tun.
Das sind die wichtigsten Punkte:
• Wahl eines sozial & ökologisch vertretbaren Reiseveranstalters/Hotels mit glaubhaftem Nachhaltigkeitslabel.
• Unpauschale Reiseziele: kleine, individuelle Regionen und Orte. Beliebt für ruhesuchende Naturliebhaber ist vor allem Skandinavien. Wer es etwas wärmer möchte sollte mal die Richtung Osteuropa oder die kleineren, individuellen Inseln ausprobieren. Griechische Inseln wie Karpathos, Zakynthos , Naxos oder Paros bieten wundervolle kleine, landestypische Häuser in urigen Ortschaften. Hier trifft man noch auf Einheimische.
• Möglichst ökologische Anreise: nehmen Sie den Bus oder die Bahn. Bei Reisen mit dem PKW empfiehlt sich „Carsharing“ als tolle Möglichkeit Fahrkosten zu teilen und Emissionen
zu sparen. Beim Fliegen CO2 Emissionen „kompensieren“. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Spende, die unmittelbar an Klimaprojekte geht. Bekannte Organisationen zur Klimakompensation sind Atmosfair oder MyClimate.
• Unterkunft- bitte nachhaltig! Ist das Hotel nachhaltig zertifiziert? Gibt es regionale oder
gar Bio Kost? Wird Wert auf Wasser und Energieeinsparungen gelegt? Oder wie wäre es, die
Natur hautnah zu erleben? Camping verbindet mit der Natur und schafft völlige Unabhängigkeit. Wichtig ist auch ein sparsamer Umgang mit Ressourcen. Bitte keine riesigen Hotelanlagen mit großen Poollandschaften und Golfplätzen, vor allem in wasserknappen Ländern.
• Abseits der Masse: wer möchte schon in Tourimetropolen á la Ballermann, Benidorm &
Co Urlaub machen? Lieber kleine und landestypische Unterkünfte in beschaulichen Orten,
am besten Inhabergeführt, wählen. Familiär geführte Unterkünfte geben nicht nur ein „wie
Zuhause Gefühl“ sondern geben den Inhabern und Mitarbeitern meist einen fairen und sozial verträglichen Arbeitsplatz. Insidertipps für die Gäste sind natürlich auch inklusive.
• Unterstützen der lokalen Wirtschaft:
Kaufen von handgefertigten Souvenirs bei Einheimischen. Man zahlt einen fairen Preis und nimmt außerdem eine authentische Urlaubserinnerung guten Gewissens mit nach Hause. Kein Souvenir aus Tierprodukten.
• Lokale Transportmittel vor Ort: Sammelbus, Rikscha, TukTuk, Fahrrad & Co. ermöglichen
Wege abseits bekannter Touristenrouten und geben den einen oder anderen Geheimtipp für die Tour.
• Respekt vor Kultur & Glaube: Respekt vor Glauben, Sitte & Tradition der fremden Kultur ist das A&O jeder Reise. Eine gute Vorbereitung und Auseinandersetzung mit der Kultur des Gastlandes ist Pflicht.
• Keine inszenierten Tiervorstellungen wie Sea World & Co. Lieber die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum bestaunen. Beobachtungstouren, zum Beispiel Walbeobachtungen
oder Safaris, nur mit zertifizierten Unternehmen und in kleinen Gruppen. No-go: Elefantenreiten, Zirkusvorstellungen mit fahrradfahrenden Affen, Wildkatzen-schmusen in Tierparks oder in sogen. „Tigertempeln“. Letztere sind vor allem in Thailand bei Touristen sehr beliebt. Erst im Juni diesen Jahres hat der berühmte Tigertempel in Ratchaburi, Thailand, Schlagzeile mit der Unterstützung der illegalen Wildtiermafia gemacht.
Bei der Räumung des Tempels wurden mehrere Leichen von Tigerbabys gefunden, die Mönche sollen Tigerfelle, Tigerzähne und ähnliches auf dem illegalen Schwarzmarkt verkauft haben (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Allein der Gedanke, mit einer dieser majestätischen Großkatzen zu kuscheln, sollte bei jedem Kopfschütteln verursachen. Bitte auf diese Art von „Kultur“ und Vergnügen verzichten! Lieber Menschen und Institutionen unterstützen, die sich wirklich für den Schutz der Tiere engagieren. Dazu zählen vor allem auch Ranger in den Nationalparks
(z.B. die „Black Mambas“ in Südafrika), die immer öfter ihr Leben zum Schutz der Tiere riskieren.
• Respekt im Umgang mit Natur: In Nationalparks und generell keinen Müll hinterlassen und stets auf den vorgegebenen Wegen bleiben.
Wenn diese Punkte bei Reisen beherzigt werden, steht einem „unpauschalen“ und nachhaltigen Urlaub nichts mehr im Weg.
0 Kommentare