Nachhaltigkeitsdebatte und Kunst

27. Juli 2021 | Gesellschaft, Ausgabe 4/2021 Kultur & Umwelt, Carmen Planas, Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Joseph Beuys: „Ich bin ein Sender “

Welches gesellschaftsverändernde Potenzial hat die Kunst? Einige Antworten lieferte uns Joseph Beuys, dessen 100. Geburtstag wir dieses Jahr feiern. Seine Kunst kreist um gesellschaftspolitische Themen, auf die er möglichst viele Menschen aufmerksam machen wollte, mit dem Ziel, sie breit zu diskutieren und auszuhandeln.

Carmen Planas

Weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen bewahren. Um diese grundlegenden Ziele der aktuell geführten Nachhaltigkeitsdebatte bemühen sich zahlreiche Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen. Auch die Kunst spielt hierbei eine wesentliche Rolle. In ganz eigener Weise hat sie das Potenzial dazu, unsere Wahrnehmung zu schulen und unser Nachdenken über das Warum und Wozu zu fördern.

„Honigpumpe am Arbeitsplatz“

Einer, der das gut konnte, war Joseph Beuys. Dieses Jahr wäre er hundert Jahre alt geworden. Das wird an vielen Orten gefeiert, auch in Bonn. In der Bundeskunsthalle etwa wird die „Beuys – Lehmbruck“-Ausstellung gezeigt. Zu sehen ist hier zum Beispiel die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“. Es ist eine Installation, in der Honig durch ein Schlauchsystem gepumpt wird. Und neben der Pumpe rotiert eine Kupferwelle in Fett. Beuys zeigte dieses Werk 1977 auf der documenta. Mehrfach verglich er das zyklische System seiner „Honigpumpe“ mit dem Herzen. Diesen physiologischen Prozess wollte Beuys symbolisch auf ökologische sowie soziale Verhältnisse übertragen wissen und letztlich auf den gesamten „gesellschaftlichen Organismus“. Der eigentliche Arbeitsplatz der „Honigpumpe“ war die von Beuys gegründete Free International University. Sie tagte während der documenta in unmittelbarer Nähe der Installation und war ein Diskussionsraum, durch den ein Schlauch der „Honigpumpe“ führte. Hier war Beuys anwesend und diskutierte mit den Besucher*innen. Es ging um sein Werk, doch vor allem um zahlreiche gesellschaftspolitische Fragen. Auf dem Programm standen Vorträge und Podiumsdiskussionen, etwa zum Thema „Die Herausforderung der Menschenrechte durch die ökologische Krise“.

Ins Gespräch kommen

2021 gibt es in Bonn in Anlehnung an diesen Diskussionsraum die Beuys-Plattform zwischen Bundeskunsthalle und dem Kunstmuseum. Beuys kann nicht mehr kommen, aber Tomas Kleiner ist da. Der Düsseldorfer Künstler ist auf dem Platz zwischen den Museen anwesend und will mit den Menschen ins Gespräch kommen. Sein Thema: das bedingungslose Grundeinkommen für alle. Zahlreiche Gespräche und Workshops sind darüber hinaus zu den verschiedensten Themen geplant.
Raus aus dem Museum, ins Gespräch kommen. Das zeichnete den politischen Aktionskünstler Joseph Beuys aus. In diesem Sinne sind auch seine Äußerungen, wie „Jeder Mensch ist ein Künstler“ zu verstehen. Es geht nicht darum, dass jeder Mensch ein Maler oder ein Bildhauer ist, sondern ein sozialer Künstler. Jeder kann mitwirken und die Plastik formen, die die Gesellschaft ist und letztlich die Erde. Hierfür wollte Beuys mit seiner Kunst ein Sender sein.

„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“

Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür ist Beuys Werk „7000 Eichen. Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. In einem Rundbrief heißt es: „Joseph Beuys‘ Beitrag für die documenta 7 1982 wird die Pflanzung von 7000 Eichen im Stadtgebiet von Kassel sein, diese Aktion wird ein erster Schritt sein, die künstlerische Aufgabenstellung der Erde in ihrer gegenwärtigen Notlage anzugehen …“. Mit seiner Aktion, so Beuys in einem Gespräch von 1982 in der Bonner Galerie Magers, solle auf die Umgestaltung des gesamten Lebens, der gesamten Gesellschaft, des gesamten ökologischen Raumes hingewiesen werden. Es war eine Herkulesarbeit, die erst 1987 beendet war. Die Strahlkraft von 7000 Eichen bleibt. 30 Jahre später etwa vergleicht der Kunsthistoriker Eugen Blume im Jubiläumsband der Stiftung 7000 Eichen das Werk von Beuys mit einer über den Stadtraum gelegten Universität: „Vor jedem Baum könnten sich Lehrer und Schüler versammeln, um sich gemeinsam zu Menschen auszubilden, souverän zu werden, kritisch zu denken, Aufruhr und zivilen Ungehorsam zu üben.“

„Passierschein in die Zukunft“

In München werden dieses Jahr drei Eichen gepflanzt, um Beuys‘ Vorreiterrolle in der ökologischen Bewegung in Erinnerung zu rufen. Spannend ist sicherlich auch die Aktion der Münchener Pinakothek der Moderne, wo zehn Objekte von Beuys, sogenannte Multiples, die Pinakothek verlassen und an unterschiedlichen Orten in München gezeigt werden. Hier sollen sich seine Werke im Austausch mit einer neuen Generation behaupten. In einen aktuellen Kontext sollen Beuys‘ Multiples auch ab Oktober in einer Ausstellung im Kunstmuseum Bonn gesetzt werden. Die Ausstellung mit dem Titel „Passierschein in die Zukunft. Joseph Beuys, Katinka Bock, Christian Jankowski, Jon Rafman“ will auf die „visionäre Kraft von Kunst und ihrer gesellschaftlichen Funktion“ verweisen.

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