Wenn Mode für die Mülltonne produziert wird
Im Zeitalter der Fast-Fashion-Industrie ist Mode zu einem wahren Abfallproblem geworden. Neben den Abfallprodukten in der Textilherstellung werden auch getragene Stücke immer schneller zu Müll degradiert und müssen entsorgt werden.
Verena Mandt
Besonders problematisch dabei ist die biologisch kaum abbaubare Kunstfaser Polyester. Aber auch sonst stecken Konzepte zum Textil-Recycling noch in den Kinderschuhen.
Nur vier Mal tragen wir deutschen im Schnitt ein Kleidungsstück bevor wir es wieder aussortieren, ganze 20% unserer Kleidung nicht ein einziges Mal. Und die Modeindustrie kurbelt dieses Verhalten der Konsumenten auch noch an. Schon jetzt wäre eigentlich genug Kleidung im Umlauf um weltweit den Bedarf zu decken. Doch Fast-Fashion-Unternehmen wie Zara, H&M oder Primark bringen im Wochenrhythmus neue Kollektionen raus und das zu immer niedrigeren Preisen, die Kunden sollen ja schließlich möglichst viel kaufen. Die Folge: die Qualität der Kleidung wird immer schlechter und somit verschleißt diese auch immer schneller, Fehlgriffe und unnötige Käufe nehmen zu, der Kleidungsmüllberg wächst.
Wohin mit der Altkleidung?
Im Vergleich zu anderen Ländern stehen „wir Deutschen“ eigentlich ganz gut da, was die textile Wiederverwertung angeht. Mehr als 60% der Textilien werden hierzulande gesammelt, sortiert und zum größten Teil auch wiederverwertet. Etwa eine Millionen Tonnen Kleidung landet pro Jahr in Altkleidersammlungen. Der Großteil davon kann als Secondhand-Ware nach Osteuropa und Afrika verkauft werden, was nicht mehr tragbar ist, wird geschreddert und zu Putzlappen und Dämmmaterial verarbeitet, der Rest verbrannt.
Dies gilt leider auch für die Sammelboxen, die verschiedene Mode-Unternehmen mittlerweile in ihren Filialen stehen haben, und die mit Aufschriften wie „Gemeinsam schließen wir den Kreislauf“ (H&M) eigentlich etwas Anderes suggerieren. Nämlich, dass aus den hier abgegebenen Textilien neue Kleidungsstücke entstehen. Diese Art von Recycling, auch Faserrecycling genannt, ist aber tatsächlich nur bei einem sehr geringen Anteil der abgegebenen Kleidung möglich. Das Problem sind v.a. Mischfasern, die in etwa einem Drittel unserer Kleidung enthalten sind und deren Aufbereitung (noch) nicht effizient möglich ist. Stattdessen wird der Großteil der abgegebenen Kleiderspenden über gewerbliche Textilverwerter gewinnbringend verkauft. Der Kunde jedoch wird für sein vorbildliches Verhalten mit einem Einkaufsgutschein belohnt und so zu weiterem Mode-Konsum angeregt.
Doch auch trotz Gutscheinen, Rabattaktionen und Supersale wird etwa ein Drittel der für den deutschen Markt produzierten Kleidung nicht verkauft. Auch diese Sachen müssen irgendwie entsorgt werden. In der Regel werden sie an Hilfsorganisationen gespendet oder in Ländern ohne Filialen der entsprechenden Unternehmen weiterverkauft. Vor allem teurere Marken bieten übrig gebliebenes aus älteren Kollektionen in Outlet-Stores an, einzelne Luxuslabels verbrennen diese Stücke jedoch lieber, aus Angst vor dem Verkauf auf dem Schwarzmarkt.
Die Zero-Waste-Bewegung
Auch wenn das Verbrennen von Textilien nur sehr selten praktiziert wird, stellt die dauerhafte Überproduktion ein gravierendes Problem dar. Denn irgendwann werden auch Secondhand-Ware und Putzlappen zu Müll und müssen entsorgt werden. Die Verlängerung der Nutzungsdauer verschiebt das Problem nur, kann es aber nicht lösen. Daher wollen Anhänger der Zero-Waste-Bewegung den Kreislauf der Textilkette schließen und arbeiten mit unterschiedlichen Strategien daran. Cradle to Cradle heißt eins dieser innovativen Konzepte, bei dem von Anfang an die Nachnutzung der Textilien miteingeplant wird. Die Materialien werden so gewählt, dass sie nach der Nutzung durch den Konsumenten wieder in einen natürlichen Kreislauf eingehen können, also z.B. industriell kompostiert und schließlich als Nährstoff für neue Pflanzen verwendet.
Diese Strategie ist nicht nur ressourcenschonend, sondern macht den gesamten Herstellungsprozess gleichzeitig sauber. Ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der weltweit verkauften Insektizide beim Baumwollanbau eingesetzt werden und hunderte, oft toxische Chemikalien fürs Färben, Imprägnieren und Waschen verwendet werden und so Seen und Flüsse in den Produktionsländern verseuchen.
Neben solchen innovativen, umweltfreundlichen Materialien wie den Zellulose-Regenerat-Fasern Lyocell und Tencel, die heute noch überwiegend aus Holz gewonnen werden, aber deren Herstellung bald auch aus Altkleidung und Altpapier denkbar wäre, entwickeln Designer zunehmend auch Zero-Waste-Kollektionen. Hierbei wird v.a. durch innovative Schnitttechnik, Müll im Sinne von Verschnitt vermieden.
Problematisch sind dagegen Bestrebungen Recycling-Polyester, ein Stoff der v.a. für Funktions- und Outdoorkleidung gebraucht wird, herzustellen. Dies geschieht derzeit noch nicht aus alter Polyester-Kleidung, sondern überwiegend aus PET-Flaschen, und zwar unter sehr hohem Energieaufwand.
Damit wird zwar Ausgangsmaterial, nämlich der Rohstoff Erdöl, eingespart, aber das Endprodukt bleibt sehr schlecht biologisch abbaubar und vergrößert so langfristig unsere Müllberge.
Was hilft wirklich?
Experten sind sich einig, langfristig müssen wir unseren Kleidungskonsum reduzieren. Zum einen indem wir bewusster konsumieren, d.h. dabei auf gute Qualität und Materialien achten und nur das kaufen, was wir auch wirklich brauchen und lange nutzen. Nähcafés und Upcycling-Workshops helfen dabei kaputte Stücke auszubessern oder in Neues umzuwandeln. Zum anderen werden zunehmend Services angeboten, bei denen man sich Kleidung leihen bzw. mieten kann. Auch Tauschen bietet eine gute Möglichkeit ressourcensparend frischen Wind in den Kleiderschrank zu bringen, und das auch noch ganz kostenfrei.
Organisationen wie FEMNET e.V. und Greenpeace Bonn bieten daher regelmäßig Kleidertauschpartys an. Außerdem seien
jedem, der sich für ökologisch und sozialverträglich produzierte Mode interessiert, die Fairen Einkaufsführer für Bonn und Köln
(auch erhältlich als PDF über www.femnet-ev.de) ans Herz gelegt.
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