Heute stellen wir euch im Rahmen der Nostalgiereihe einen besonderen Zweig der biologischen Landwirtschaft vor.
Bitte beachtet, dass der Artikel im Jahre 2011 geschrieben wurde, von uns soweit ersichtlich aktualisiert wurde.
Susanna Allmis-Hiergeist
Radelt man von Bonn rheinaufwärts oder bis ins Ahrtal, prägen bald schon steile Schieferfelsen und eingestreute Rebhänge das Bild. Dabei sind insbesondere an der Ahr durch die Flurbereinigungen der letzten Jahrzehnte ausgedehnte Monokulturen entstanden, die zwar einfacher zu bewirtschaften sind, aber für das gesamte Ökosystem ohne begleitende Maßnahmen sicher keinen Fortschritt darstellen.
Vielfalt im Weinberg
Hier setzen die Biowinzer der Gegend an. Einer von ihnen ist Christoph Bäcker, der im Jahr 1990 als erster Winzer an der Ahr seinen Betrieb auf eine ökologische Produktionsweise umgestellt hat.
„Eine vielfältige Begrünung schafft Lebensräume für Vögel und Insekten, sorgt für eine gute Durchwurzelung und reduziert das Auswaschen von Nährstoffen aus den im Bio-Anbau ausschließlich kompostgedüngten Böden,“ beschreibt er seine Anbaugrundsätze. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Insektiziden sei tabu. Dagegen helfen Nützlinge wie Marienkäfer und Ohrenkneifer, die für die Reben lästige Schädlinge in Schach zu halten.
Herausforderung Mehltau
Eine besondere Herausforderung stellt der Schutz des Weinbergs vor Pilzbefall (Mehltau) dar. Hier sind zuallererst langfristig wirksame Instrumente gefragt wie der Anbau robuster Rebsorten und einem Anbau der Pflanzen am Hang, die eine gute Belüftung und das schnelle Abtrocknen von Regen und Tau gewährleistet – eine naturschonende Art der Pilzbekämpfung, die jedoch aufgrund größerer Standabstände auch mit Ertragseinbußen einher gehen kann. Zur weiteren Prävention dürfen auch Pflanzen-Präparate wie der Ackerschachtelhalm sowie Ton- und Algenmehle verwendet werden. Umstritten dagegen ist, dass selbst bei der biodynamischen Anbauweise immer noch der Einsatz von bodenverödendem Kupfersulfat gegen Pilzerkrankungen zulässig ist. Die ökologischen Anbauverbände in Deutschland limitieren den Einsatz auf bis zu 3 kg Reinkupfer pro Hektar und Jahr (EU-Öko-Verordnung bis zu 6 kg). Dieser äußerliche Auftrag sollte zudem bei einem Minimum von 35 spritzfreien Tagen bis zur Ernte nur in minimalen Spuren ins Endprodukt gelangen.
Sorgfalt im Keller
Im Weinkeller selber waren die Unterschiede zum konventionellen Weinausbau bis 2012nicht so augenfällig; innerhalb der EU konnte man sich bisher offenbar nicht auf einheitliche Biostandards einigen. Selbst im Fass darf noch einmal Kupfer zugesetzt werden, wenn durch die Beimengung von Fäulnisstoffen oder wilden Hefen in den Pressrückständen Schwefelwasserstoffverbindungen, die so genannten Böckser, zu neutralisieren sind. Anders als Schädlinge und Pilze sind Böckser aber laut Christoph Bäcker keine unvermeidliche Plage. Bei manueller Ernte, bei der faulige Trauben ausgesondert werden, und nachfolgender sorgfältiger Behandlung des Leseguts können solche negativen Effekte bereits im Ansatz bekämpft werden. Anders sieht es mit der Beigabe von Zucker aus. Um den Alkoholgehalt zu erhöhen, darf auch bei Bioweinen biologisch erzeugter Zucker vor der Vergärung zugefügt werden. Sollte dieser allerdings nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, kann mit Sondergenehmigungen auf konventionellen Zucker zurückgegriffen werden. Nach anfänglichen Engpässen scheinen jedoch in der Region keine Lieferschwierigkeiten mehr für Bio-Zucker zu bestehen.
Leidiges Thema Sulfide
Ebenfalls zulässig ist es, Bioweinen neben den bei der Hefegärung ohnehin entstehenden Schwefelverbindungen zusätzlichen Schwefel als vielfältig wirksames Mittel u. a. als Antioxidanz und Konservierungsstoff zuzufügen. Der Etikettenzusatz „enthält Sulfide“ ist besonders wichtig für Menschen mit einer immunologischen Unverträglichkeit für Schwefel. In der Frage, wie hoch der Prozentsatz solcher Allergiker in der Bevölkerung ist, differieren die Meinungen zwischen ca. 3%bis hin zu zweistelligen Zahlen, wobei ein Teil der unspezifischeren Reaktionen – wie Kopfschmerzen und Magen/Darmprobleme auch von anderen, durch den Alkohol stimulierten Stoffwechselprozessen hervorgerufen werden können (Stichwort Biogene Armine).
Die zulässige Schwefeldosis beträgt seit der Ernte 2012
100 mg/L SO2 – in Bio-Rotweinen
120 mg/L SO2 – in Bio-Rotweinen >2 g/L Restzucker
150 mg/L SO2 – in Bio-Rotweinen >5 g/L Restzucker
150 mg/L SO2 – in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen
170 mg/L SO2 – in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen >2 g/L Restzucker
220 mg/L SO2 – in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen >5 g/L Restzucker.
Und das ist nur zu erklären, weil es kein anderes ebenso breitbandiges Ersatzprodukt gibt. “Die Folge: Der Konsum größerer Mengen an Wein kann einen Schwefeleintrag im Körper bewirken, der neben den Akutreaktionen zum Abbau der Reserven an lebenswichtigen Stoffen wie Vitamin B1 (Nervensystem) und Folsäure (Zellaufbau) führt. Beschränkt man sich bei deutschen, wirklich trocken ausgebauten Bioweinen dagegen auf 11-11,5% Alkohol, hat man mit einiger Wahrscheinlichkeit ein nur schwach gezuckertes und mit relativ wenig Schwefel ausgebautes Produkt im Einkaufskorb.
Die Arbeit der Anbauverbände
Über 200 deutsche Biowinzer haben sich im Anbauverband Ecovin zusammengeschlossen, der den An- und Ausbau überwacht und auch Hilfe bei der Umstellung auf ökologische Rebenzucht für seine Mitglieder anbietet. „Im biologischen Weinsektor sind sowohl bei der Bewirtschaftung der Weinhänge als auch der Vinifizierung spezielle Dinge zu beachten, die die Regularien der breiter aufgestellten ökologischen Anbauverbändewie Bioland früher nicht abgedeckt haben,“ berichtet Christoph Bäcker. Mittlerweile können sich Winzer auch bei BIOLAND zertifizieren lassen, und die Standards hätten sich weitestgehend denen von ECOVIN angeglichen. Eine Zertifizierung bei Bioland, Naturland oder Demeter sei insbesondere für landwirtschaftliche Mischbetriebe inklusive Getreide- und Viehzucht interessant.
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