Auf der Flucht, weil sich das Klima verändert
Stellen Sie sich vor, Sie verlieren Ihre Existenzgrundlage. Ein Ereignis hat Ihnen Ihr zu Hause, Ihre Arbeit, Ihre Familie und schlussendlich auch Ihren Grund zu leben genommen. Eine schreckliche und kaum nachvollziehbare Vorstellung. Ob es nun plötzlich oder schleichend passiert. Sie entschließen sich, die Zelte abzubauen. Wenn Ihnen diese Entscheidung nicht schon abgenommen wurde. Sie wandern los, mit nichts im Gepäck, außer was Sie tragen können. Wenn es einigermaßen glimpflich abläuft, haben Sie Ihre Liebsten noch dabei oder zumindest in Reichweite eines Anrufs. Sie wissen nicht, wo Sie hingehen, ob Sie jemand aufnimmt oder ob Ihre Wanderung überhaupt jemals ein Ende hat. Sowas oder so etwas in der Art durchleben Schätzungen der UNO-Flüchtlingshilfe zur Folge über 60 Millionen Menschen. Kommen Sie mit mir auf Spurensuche, lesen Sie von Hintergründen und wie Sie helfen können:
Sie lesen einen Artikel aus der Ausgabe 6-2016
Tobias Landwehr
Die Behauptung, dass das Wetter für Schwierigkeiten bei der Lebensmittelproduktion sorgt, unterschreibt sicherlich auch in Deutschland jeder Unternehmer des primären Erzeugungsmarkts. Vor allem die Gewinnaussichten unserer Landwirte schwanken stark, abhängig vom Wetter. Schnell sind Fehl- oder Überernten eingefahren.
In unseren Breiten sehen wir uns bisher jedoch mit vergleichsweise stabilen Wetterbedingungen konfrontiert. Wir leiden nicht unter langen Dürre- oder Regenperioden. Die Jahreszeiten kommen relativ sicher und regelmäßig. Kalte Winter bleiben aus, genauso wie schlimme Stürme oder großflächige Brände. Fluten haben uns in der letzten Zeit vermehrt heimgesucht und dadurch sind sicherlich auch Existenzen zerstört worden.
Doch mussten, trotz all des Leids, das die Wetterkapriolen hierzulande angerichtet haben, die Betroffenen aus diesen Gründen Deutschland verlassen?
Reiche und Arme: Ein Vergleich
Unsere Gesellschaft ist vergleichsweise stark und sicher. Sprechen wir bei uns von Existenzverlust, dann meinen wir damit, unserem erlernten Gewerk nicht mehr nachgehen zu können, Haus und Hof zu verlieren oder zu wenig Geld für ein ansehnliches Leben zur Verfügung zu haben. Schlimm genug, doch längst kein Grund, Deutschland zu verlassen.
Anders sähe es aus, kümmere sich unser Staat bei Arbeitslosigkeit oder wetterbedingten Katastrophen nicht mit ständiger oder phasenweise monetärer Unterstützung um uns. Unsere Solidargemeinschaft ist reich, unser Rechtsstaat sicher. Wer leidet, bekommt zumindest Grundsicherung, um sich ein neues Leben aufbauen zu können; notfalls gerichtlich eingefordert.
Denken Sie nun einmal an Gegenden, in denen die Landwirtschaft noch einen großen Teil der täglichen eigenen Grundversorgung ausmacht. In Afrika, Ostasien oder Südostasien gefährden veränderte Wetterphänomene wie Monsun, Dürre und Stürme schätzungsweise 11 % der Anbauflächen. 75 % der ärmsten Menschen leben in ländlichen Gebieten und sind direkt abhängig von Land- und Viehwirtschaft.
Was passiert, wenn hier das Wetter nicht so mitspielt wie erhofft; wenn Hitze, Fluten, Stürme und / oder Brände für Ernteausfälle sorgen? Es gibt keinen Supermarkt, keine Wasserversorgung, keinen Strom. Solidarität schwindet und wird zum Existenzkampf, ja vielleicht sogar zum Überlebenskampf. Sie können sich nur auf sich selbst verlassen. Staaten, Länder, Regionen sind Gemeinschaften, die Ihnen keine Grundversorgung zusichern (können). Und einklagen können Sie hier auch nichts.
Auswandern als Ausweg
Die Folge sind Hunger, Wasserknappheit, Epidemien. Sie haben kein Geld für Grundnahrungsmittel. Auch wenn es Versorgungswege gibt, können Sie sich weder Mais, noch Kartoffeln, Gemüse oder Reis leisten. Was bleibt Ihnen also übrig?
Die Konsequenz aus dieser Situation ist, Sie müssen umsiedeln; sich eine Gegend suchen, in der Sie Arbeit finden, Ihre Familie und sich selbst ernähren können, eine Zukunft in Aussicht ist. So etwas finden Sie meist in urbanen Bereichen rund um größere Städte. Die FAO (Food and Agriculture Organization of he United Nations) bezeichnet Sie dann als IDP (internally displaced person – intern umgesiedelte Person). Laut FAO waren Sie 2013 damit eine/einer von 740 Millionen.
Wenn diese Aussicht in Ihrem Land jedoch nicht zur Verfügung steht, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als über Ländergrenzen hinweg weiterzuziehen. In der Hoffnung, aber ohne feste Zuversicht, in diesen Ländern Ihr Glück zu finden. Dann sind Sie offiziell ein Flüchtling oder ein Asylsuchender/eine Asylsuchende. In 2015 gehörten Sie damit zu einer Gruppe von 244 Millionen Migranten.
Gründe und was zu tun ist
Dass wetterbedingte Vorkommnisse bei uns die Nahrungsmittelproduktion beeinflussen, haben wir als gegeben angenommen. Dass diese Vorkommnisse in ärmeren Ländern deutlich größere Auswirkungen haben können, haben wir erarbeitet. Sind diese Vorkommnisse jedoch mit unserem Wirtschafts- und Konsumverhalten verbunden, steht noch zur Debatte.
Dieser Artikel ist deutlich zu kurz, um diese Frage ausreichend wissenschaftlich zu beantworten. Darum nähmen wir einmal an, dass unser CO2-Ausstoß zumindest die vermehrte Entwicklung von Dürren, Wüsten und Waldbränden ebenso wie Überschwemmungen und Stürmen begünstigt. Dann sollten wir uns nicht fragen ob, sondern vielmehr was wir als entwickelte Gesellschaft dagegen tun können.
Entwickelte Gesellschaft ist das Stichwort. Wir leisten zwar bereits Entwicklungshilfe:
0,7 % unseres Bruttonationaleinkommens (rund 16 Milliarden Euro) geben wir nach Aussage des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) jährlich für Projekte in Entwicklungsländern aus. Doch reicht das, um Hunger an Ort und Stelle zu verringern und somit die Migration zu minimieren?
Das BMZ hat sich mit seiner Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung 17 Ziele auf die Fahnen geschrieben mit denen das gelingen soll. Neben Verbesserung von Bildung, Infrastrukturen, Frieden und Gerechtigkeit sowie die Verhinderung von Armut, Hunger und Ungleichheit, sollen auch Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden. Doch neben politischen Entscheidungen, was können Sie tun?
Jeder kann helfen
Zunächst, unterschätzen Sie Ihr eigenes Konsumverhalten nicht. Je mehr Sie darauf achten, was Sie von wo kaufen, welches Unternehmen Sie damit unterstützen, wie viel Energie Sie bzw. andere dafür aufwenden oder wie sehr Sie damit die Umwelt bzw. andere damit belasten, desto reflektierter konsumieren und unterstützen Sie.
Außerdem benötigen Sie Informationen über die relevanten Zusammenhänge. Dafür gibt es viele Anlaufstellen. In Bonn sitzt beispielsweise das BMZ. Im Geschäftsbereich des BMZ haben sich einige gemeinnützige Institutionen angesiedelt: Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) oder Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Jede dieser Anlaufstellen bietet Ihnen eine Vielzahl nützlicher Infos und Mitmachgelegenheiten.
Für weitere Informationen möchte ich Ihnen zusätzlich den kommenden Vortrag des Südwind Instituts in Siegburg (siehe Kasten unten links) ans Herz legen. Sie finden entsprechende Publikationen unter www.suedwind-institut.de.
Neben Spenden können Sie hier auch aktiv werden, in dem Sie Petitionen unterschreiben, sich ehrenamtlich engagieren (bspw. bei der Engagement Global gGmbH, bei der Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e. V. oder dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V.) oder Ihre Mitmenschen zum Mitmachen überzeugen.
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