Wende bei der Endlagersuche?

Die Kamera schwenkt vom hell erleuchteten Bühnenprogramm über einen fast leeren Saal. Im Raum verlieren sich in kleinen Gruppen Regie, Redaktion und im Hintergrund die Konferenztechnik. Kurzfristig war die vom Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) am 17./18.10. geplante hybride Auftaktveranstaltung zur Fachkonferenz Endlagersuche in ein reines online-Event umgewandelt worden.

Susanna Allmis-Hiergeist

Der vom BASE ausgesuchte Moderator stellt in seinen einleitenden Worten fest, dass es sich bei dieser Auftaktfachkonferenz seines Wissens nach um ein einmaliges Experiment handelt. Nicht nur, weil die circa 500 zugeschalteten Teilnehmer*innen den von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vorgelegten Zwischenbericht Teilgebiete verstehen und hinterfragen sollen. Das wesentlich anspruchsvollere Ziel sei es, die von der Endlagerkommission geforderte selbstorganisierte und behördenunabhängige Struktur der Fachkonferenzen in diesem Format auf die Schiene zu setzen. Wird das gelingen?

Der erste Tag verläuft vergleichsweise klassisch. In Fachvorträgen stellen die Experten der BGE die einzelnen Arbeitsschritte im Zwischenbericht vor: Nach welchen Kriterien wurden Regionen als mögliches Endlager ausgeschlossen? Sodann, welche Regionen erfüllen die Minimalforderungen, wie zum Beispiel ein 300 Meter mächtiges Deckgebirge und einen mindestens 100 Meter starken Einschlussbereich? Interessant am Rande, dass am Ende von Schritt zwei Gorleben noch im Rennen war.

Die eingeloggten Teilnehmer*innen – ein Drittel Bürger*innen, ungefähr hundert Vertreter*innen von Kommunen und der Rest Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen gesellschaftlicher Gruppen – können am ersten Tag nur schriftlich Fragen stellen, die von der Moderation in zusammengefasster Form in die Expertenreferate eingespeist werden. Viele Fragen betreffen die Erläuterungen zu den elf geowissenschaftlichen Abwägungskriterien, nach denen die Prädikate „aus dem Rennen“ oder „als Teilgebiet geeignet“ verliehen wurden (Schritt 3). Was Gorleben betrifft: Der Salzstock ist raus, weil er zwar ein mehrere hundert Meter starkes Deckgebirge hat, aber der stabile Bereich durch eiszeitliche Abtragungen und Auffüllungen wesentlich kleiner ist als die geforderten 300 Meter.

Ein großes Thema war auch der Zugang zur verwendeten Datenbasis. Im Zwischenbericht finden sich dazu viele Leerseiten, da nicht alle Daten aus behördlichen Quellen stammen und erst Ende Juni 2020 mit dem Geologie-Daten-Gesetz eine rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung geschaffen wurde. Das Gesetz sieht drei Kategorien vor: sogenannte Nachweisdaten, wie zum Beispiel das Vorhandensein einer Bohrung, die direkt veröffentlicht werden können; dann höherwertige Fachdaten etwa ein Schichtenverzeichnis einer Bohrung, die möglicherweise erst nach einer Frist einsehbar sind und als letztes Bewertungsdaten, bei denen von den geowissenschaftlichen Ämtern eine Güterabwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen der Industrie und den Interessen der Öffentlichkeit getroffen werden muss. Es gilt jedoch immer der Grundsatz, dass entscheidungsrelevante Daten am Ende offen gelegt werden. Außerdem war man beim BGE zuversichtlich, dass bis zur Fachkonferenz im Februar die Leerstellen im Bericht sukzessive gefüllt werden können.

Am zweiten Tag soll das Konstrukt für die von der Öffentlichkeit wahrgenommene Selbstorganisation der drei folgenden Fachkonferenzen bis Juni 2021 gefunden werden – nicht ganz einfach in einem online-Format, bei dem sich die Teilnehmer*innen größtenteils nicht kennen. Bei der Auftaktveranstaltung hatte eine aus sechs Personen bestehende Geschäftsstelle des BASE die Organisation übernommen; zukünftig soll sie das eigenverantwortliche bürgerschaftliche Organ nur noch unterstützend begleiten.

Moderation und Konsultationsplattform sind nun stärker gefordert: potentielle „Leitwölfe und -wölfinnen“ im Konferenzgeschehen können sich per Video zuschalten lassen, Vorschläge für Interaktionsformen werden gesammelt und zur Abstimmung gestellt. Und schließlich wird, wie so oft als kleinster gemeinsamer Nenner, die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Aus dem Pool von Kandidaten werden zwölf Personen gewählt, die sich mehrheitlich für eine starke Einbindung der Bevölkerungsbasis ausgesprochen haben. Das gewählte Team wird nun die erste der drei folgenden Konferenzen vom 5. bis 7.2. strukturieren.

Bingo, geschafft. Möglicherweise ein großes Mitmachtheater, bei dem alles, selbst die kleinen Pannen, von der Regie vorgedacht waren? Vielleicht. Nun wird es an der Arbeitsgruppe liegen, den Betroffenen in den 90 Teilgebieten eine gut vernehmbare Stimme zu verleihen. Den Mitschnitt der Veranstaltung auf YouTube, die gestellten Fragen und Antworten sowie Infos zu den kommenden Konferenzen sind unter www.endlagersuche-infoplattform.de einzusehen. Machen Sie sich selbst ein Bild. Oder nehmen Sie an der nächsten Konferenz im Februar teil.

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