Bonn lag fast am Mittelmeer
Susanna Allmis-Hiergeist
In der Umgebung von Bonn tritt die Erdgeschichte an vielen Stellen plastisch zu Tage. Ein geologischer Lehr- und Wanderpfad durch den Kottenforst stellt die Entwicklung unserer Region während der letzten 400 Millionen Jahre anschaulich in einen übergreifenden Zusammenhang.
„Stellen Sie sich vor, Sie stünden im seichten Uferwasser eines weiten flachen Meeres und am Rande des Horizonts ragten rötlich schimmernde Felswände auf“, illustriert Klaus-Frank Simon, Diplom-Geologe und Geologieoberrat a.D. den Standort unserer Gruppe, die sich unter seiner kundigen Führung auf dem Geopfad rund um Bad Godesberg befindet. Bereits nach kurzem Anstieg vom Eingang des Klufterbachtals werden hier Aufschlüsse des Rheinischen Schiefergebirges sichtbar, die vor 400 Millionen Jahren, im sogenannten Devon, entstanden sind. Feinkörnige Einträge aus umgebenden Flussläufen in das flache, bereits von ersten organischen Wesen bevölkerte Gewässer hielten einer kontinuierlichen Absenkung des Meeresbodens das Gleichgewicht. Was aus den steilen Hängen tonschwarz herausschimmert, ist unter der zunehmenden Last der Ablagerungen in größeren Tiefen gebildetes Festgestein.
Ganz anders präsentierte sich die Region im Tertiär vor ca. 30 – 40 Millionen Jahren. Bonn lag damals am Rande einer weit ins Festland hereinragenden Nordsee; unweit davon schwammen Haie mit riesigen Zähnen in den nördlichen Ausläufern der Tethys, des heutigen Mittelmeeres. Allem Anschein nach war der seichte Wassergraben zwischen beiden Gewässern für größere Meerestiere jedoch nicht überwindbar.
Vulkanisches Siebengebirge
Ebenfalls in die Zeit des Tertiärs fällt die vulkanische Entstehung des Siebengebirges (vor ca. 25 Millionen Jahren). Wir werden später im Marienforster Tal auf die typischen Sechskante von Basaltsäulen treffen, deren Form durch symmetrische Schrumpfungsprozesse im Innern der sich abkühlenden und erstarrenden Gesteinsschmelze zu erklären ist. Auch die Godesburg thront auf einem erkalteten Schlot, der durch Verwitterung der weicheren Umgebung langsam zu seiner heutigen Erscheinung herauspräpariert wurde.
Der Grabenbruch des Rheins dagegen ist jünger. Seine Entstehung wird auf eine Zeit vor 11 – 14 Millionen Jahren datiert. Danach gab es weitere Kippprozesse, bei denen die Niederrheinische Bucht zunehmend absackte und sich das Rheinische Schiefergebirge im Gegenzug in die Höhe stülpte. Folge war, dass die ehemalige Hauptterrasse des Rheins deutlich höher liegt als die spätere Mittelterrasse und die Niederterrasse, die buchstäblich „zu Tale“ gerutscht sind. Sand- und Kiesablagerungen am oberen Rand des Klufterbachtals zeigen uns Spuren des eiszeitlichen Rheins, die teils von sehr weit her z.B. aus dem französischen Massif Central nach Bonn transportiert worden sind.
Im weiteren Verlauf der Exkursion bestimmen erst einmal Löss und Lehm als wichtige Basis für die Bodenbildung die Diskussion.
Der Lösslehm des Kottenforstes
Der Löss besteht zu einem hohen Prozentsatz aus kleinen kantigen aber nicht zu feinen Quarzkörnern mit geringem Anteil kalkiger Bruchstücke. Die Korngröße (0,01-0,05 mm) namens Schluff ermöglicht Mineralienreichtum (Feldspat, Glimmer, u.a.) und ein optimales Porenvolumen für pflanzenverfügbares Wasser bei guter Durchlüftung. Die hiesigen Lössvorkommen erklärt unser geologischer Führer aus den Vorgängen der letzten großen Kaltzeit (vor 10.000 – 20.000 Jahren), in der mehlartiger Gesteinsabrieb aus den nördlichen Gletschervorfeldern von heftigen Winden mobilisiert und nach längerem Transport vorwiegend an Osthängen von Mittelgebirgen neu siedeln konnte.
Entlang unserer Geo-Tour treffen wir allerdings weniger auf Löss als auf ein Verwitterungsprodukt, den Lösslehm, bei dem aufgrund ständiger Durchfeuchtung durch Niederschlagswasser der Kalk ausgelöst und mittels nachfolgender Prozesse feine Tonmineralien entstanden sind. Aus Löss- bzw. Lösslehm entwickeln sich verschiedene Bodentypen: die fruchtbare Braunerde (benannt nach braunfärbenden Eisenverbindungen), später die Parabraunerde mit zunehmender Anreicherung des Tons im unteren Bodenbereich und schließlich der nährstoffarme, im Unterboden weiter verdichtete Staunässeboden, der Pseudogley, der 80-90% der Gesamtfläche des Kottenforstes ausmacht und zum Boden des Jahres 2015 gekürt wurde.
Beim Verlassen der Hochebene fragen wir Klaus-Frank Simon nach Braunkohlevorkommen in der Gegend von Bonn. Die gäbe es hier schon, berichtet er, vorwiegend an den oberen Rändern der Talmulden, allerdings sehr flachlagig und für die Verbrennung ungeeignet. Dafür enthielten die Schichten nennenswerte Alaunvorkommen, die bereits im 18. Jahrhundert bergmännisch abgebaut wurden.
Im Marienforster Tal
Im Marienforster Tal lernen wir entlang des um 1600 n. Chr. angelegten Mühlbachs wie die Mäander von Fließgewässern entstehen. Neben den geologischen Voraussetzungen (harte und weiche Gesteine) spielen verschiedene im Wasser auftretende Kräfte und die Fließgeschwindigkeit eine Rolle. Dass sich bei einem ausgereiften Flusslauf das Verhältnis von tatsächlicher Länge zur Luftlinie zwischen Quelle und Mündung idealerweise der Zahl Pi nähert, lässt sich bei ersten groben Vermessungen von so unterschiedlichen Flüssen wie Donau und Sieg allerdings nicht bestätigen.
Nachdem Kopf und Beine aufgrund der Fülle der Eindrücke schon langsam schwächeln, werden wir im Trinkbrunnen an der Draitschquelle mit mineralisiertem Heilwasser wieder fit gemacht. Auch diese Stärkung verdanken wir dem früheren Vulkanismus. CO2-Gase aus dem Erdinnern dringen noch heute durch Spalten im Schiefergebirge ins Grundwasser vor und in Kohlensäure gewandelt befördern sie den gesunden Trunk an die Erdoberfläche.
Am Ende der Exkursion kommen uns die erdgeschichtlichen Phänomene der Region deutlich erhellt vor. „Erhellt?“ Klaus-Frank Simon wiegt den Kopf. „Einen Schimmer deutlicher wirken sie vielleicht.“ Vor dem Hintergrund von 400 Millionen Jahren Geschichte immerhin dennoch ein passables Wander-Ergebnis.
Weitere (immer noch aktuelle) Informationen:
Der Geologische Lehr- und Wanderpfad wurde 1989 von Klaus-Frank Simon zum 2000. Jubiläum der Stadt Bonn konzipiert und zu seinem 25-jährigen Bestehen 2014 überarbeitet und restauriert.
Der Verlauf des Wanderweges (ca. 9 km) und der Text der 20 erläuternden Tafeln finden sich auf der Homepage der Stadt Bonn, Stichwort Geologischer Lehr- und Wanderpfad.
Erschienen in der BUZ 2_15
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