Schön ist was anderes!
Dr. Manfred Fuhrich
Es war vollkommene Erholung im Kurpark als die Anspannung nach meinem Vorstellungsgespräch als Stadtforscher bei der Bundesanstalt am Michaelshof nachließ. Der Kurpark hatte es mir angetan. Auch die Fußgängerzone erlebte ich damals als gemütlich. Nach vielen beruflichen Stationen (Berlin, Hamburg, München, Wiesbaden) wuchs in mir der Wunsch nach einer überschaubaren Stadt.
Es hatte geklappt. Bad Godesberg wurde für mich und meine Familie dauerhafte Heimat. Mein Büro hatte zwei Fenster zum Theaterplatz und zwei zum Michaelshof. Was kann für einen Stadtforscher willkommener sein als ein ständiger Blick in das „urbane Labor“. Urban? Na ja, es gibt dafür überzeugendere Innenstädte. Aber es sei daran erinnert, dass in den 80er Jahren Bad Godesberg noch Diplomatenstadt war. Es gab viele Fachgeschäfte, sogar Tante „Hertie“ war ein wichtiger Konsumanker. Sehr beeindruckt hatte mich damals die bunte Vielfalt der Menschen aus aller Welt.
Vom Theaterplatz der Blick zur alles überragenden Godesburg stiftete Identität. Der Kurpark in der Nachbarschaft war für mich immer wieder eine willkommene Erholung im Grünen. Die wunderschönen Bäume erlebte ich wie ein Geschenk des Himmels. Die guten italienischen Restaurants und Eisdielen machten mir die Umgewöhnung von einem halben Jahr Toskana ins Rheinland leicht. Ich hatte mich von meiner eigentlichen Heimat, nämlich Geburtsort Hamburg, längst emanzipiert. Auch wenn ich dort über ein Viertel Jahrhundert gelebt hatte. Andere kommen für ein paar Tage, sehen die touristischen Highlights und schwärmen von Hamburg. Einen Lieblingsplatz hatte ich dort nie.
Die Bad Godesberger Innenstadt hat sich verändert
Auf alten Fotos ist zu erkennen, dass der Theaterplatz in Bad Godesberg noch in den 60-er Jahren ein verkehrsreicher Ort mit zentralem Umsteigeplatz für die Buslinien war. Da hat sich doch so einiges Positive getan. Drumherum leider zu viel Negatives. Wie viele andere Städte hat Godesberg unter den Maßnahmen der Stadterneuerung mehr Schaden genommen als unter den Bombardierungen im zweiten Weltkrieg. Das alte Godesberg hat durch diesen stadtplanerischen Übereifer sein Gesicht verloren. Richtig schön oder „heimelig“ ist das Zentrum nicht. Dennoch mag ich den Theaterplatz.
Die erfrischende Buntheit der 80- und 90er Jahre im Straßenbild wich nach dem Regierungsumzug einer schleichenden und letztlich unumkehrbaren Dominanz arabischer Geschäfte und deren Kundschaft. Positiv empfand ich, dass sich so die Außengastronomie vorteilhaft entwickelte und mehr Leben im öffentlichen Raum erwuchs. Oder war es bereits der Klimawandel? Der nördliche Abschnitt der Koblenzer Straße war eine fremde Welt geworden. Man taucht hier in eine vorderasiatische Kulisse ein. Auch auf dem Theaterplatz dominieren immer mehr Passant*innen aus dem arabischen Raum. Auch ich bin ja zugezogen vor über 25 Jahren. Als seit vielen Jahren nunmehr „Eingeborener“ fühle ich mich zunehmend fremd. Meine Heimat?
Heimat muss nicht schön sein.
Godesberg ist für mich die nördlichste Stadt der Toskana, nur nicht so mediterran. Die Bemühungen, die Entwicklung der Godesberger Innenstadt bürgernah zu gestalten, sind zu begrüßen. Insbesondere die Absicht, mehr Grün und mehr Wasser in den öffentlichen Raum zu bringen, ist lobenswert. Die großen Bäume am Theaterplatz haben den Vorteil, dass sie die wenig attraktive Architektur der umstehenden Gebäude tröstend kaschieren. Heimat muss nicht immer schön sein, um geliebt zu werden.
Lieblingsplätze geben Gefühl für Heimat
Aber Lieblingsplätze müssen ein Gefühl von Heimat vermitteln können. Das geht mir in Bad Godesberg immer mehr verloren; die zunehmenden „Banalisierung des Warenangebotes“ – also Billigware statt Fachgeschäfte – in der Innenstadt von Bad Godesberg ist eine Entwicklung, wie in vielen Städten. Ebenso die „Kommerzialisierung des öffentlichen Raums“ – also wenig freie Ruhebänke und immer mehr zahlungspflichtige Sitzgelegenheiten. Aber Godesberg hat was Auffälliges: unverständliche Reklame in ausländischer Schrift, Sprachfetzengewirr in der Fußgängerzone, schwarze Ganzkörperverkleidung (auch außerhalb der Karnevalszeit), bedingt durch Medizintourismus. Dennoch bleibt es mein Lieblingsort. Ich bin Godesberger geworden. Und die sind ja bekanntlich tolerant. Und sowieso: jeder Jeck ist anders. Auch die anderen.
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